# taz.de -- Kommentar Merkel und NPD-Verbot: Warten auf die Kanzlerin | |
> Die Länder haben sich für einen NPD-Verbotsantrag entschieden, die | |
> Kanzlerin taucht ab. Ihr Dauerzögern schadet dem Anliegen. | |
Bild: Muss noch mal auf die Versuchsanordnung schauen – Bundeskanzlerin Angel… | |
Es gibt sie dann doch, die Momente, in denen deutlich wird, dass die | |
Bundeskanzlerin promovierte Physikerin ist. Angela Merkel, die in ihrer | |
Jugend in der DDR zwölf Jahre lang als wissenschaftliche Mitarbeiterin | |
arbeitete, betrachtet Politik gerne wie eine Versuchsanordnung. Sie | |
beobachtet lange, sie misst und protokolliert Stimmungen akribisch, und sie | |
rechnet sich früh alle nur denkbaren Ergebnisszenarien aus, um zuvor an den | |
nötigen Rädchen drehen zu können. | |
Merkel sieht Politik als Prozess, bei dem sie gerne als erste weiß, welche | |
Lösung am Ende ins Reagenzglas tröpfelt. Welche Nachteile diese | |
Herangehensweise hat, zeigt sich gerade beispielhaft beim NPD-Verbot. | |
Merkel hat sich bis heute nicht zu einer klaren Position durchringen | |
können. | |
[1][Alle Bundesländer, auch die CDU-geführten], sind nach einer jahrelangen | |
Debatte bereit, diese menschen- und demokratieverachtende Partei zu | |
verbieten. Für diese Position spricht viel. Es ist schwer erträglich, dass | |
eine neonazistische Ideologie über die Parteienfinanzierung vom | |
Steuerzahler subventioniert wird. Und Merkel? Die Physikerin zögert und | |
schaut zu. | |
## Gute Argumente für Skepsis | |
Während die Länder ihren Antrag am Freitag im Bundesrat mit guten | |
Argumenten beschlossen haben, steht die Bundesregierung tatenlos daneben. | |
Sicher, auch Merkel hat gute Argumente für ihre Skepsis. Natürlich sieht es | |
nicht danach aus, dass die schwächelnde NPD tatsächlich einmal an die Macht | |
käme, und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte würde ein Verbot | |
unter diesem Aspekt sehr genau prüfen. | |
Merkels Schadensanalyse ist also eine andere als die der Länder. Sie | |
fürchtet, dass ein Scheitern die Rechtsextremen stärkt. Ihr ist, um noch | |
einmal im wissenschaftlichen Bild zu bleiben, die Versuchsanordnung zu | |
diffus. Ein Ergebnis ist dieses Mal nicht vorhersehbar, und der Schaden | |
eines schief laufenden Experiments NPD-Verbot wäre enorm. Doch Merkels | |
Bedenken, so nachvollziehbar sie sind, produzieren dieses Mal gleich | |
mehrere kontraproduktive Effekte. | |
Zunächst einen taktischen Nachteil für sie selbst: Sie hat es verpasst, | |
innerhalb der Union eine Mehrheits-Haltung zu organisieren und muss nun | |
damit leben, dass die eigenen Länderchefs an ihr vorbeiziehen. Wirklich | |
wichtig ist jedoch etwas anderes. Merkel hätte sich entscheiden müssen. | |
Politik ist kein Laborversuch. | |
Wenn Merkel es tatsächlich für richtig hält, auf den Verbotsantrag zu | |
verzichten, hätte sie früher handeln müssen. Nun, da er nicht mehr | |
aufzuhalten ist, schwächt die Kanzlerin den Vorstoß mit ihrem Zögern. Die | |
Physikerin hat sich verrechnet. Und gerade weil sie Schaden fürchtet, | |
Schaden produziert. | |
14 Dec 2012 | |
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## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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