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# taz.de -- Zukunft von Suhrkamp: Gegner in einem Haus
> Die Zukunft des Verlags Suhrkamp ist ungewiss. Solidaritätsnoten für Ulla
> Unseld-Berkéwicz zeugen von merkwürdigen Rechtsauffassungen.
Bild: Es gibt ein Recht auf Borniertheit – auf beiden Seiten.
Seit der Verleger Siegfried Unseld verstorben ist, hat der Suhrkamp Verlag
neben der Produktion von Büchern immer wieder denkwürdige Situationen und
Momente hervorgebracht. So war es auch wieder am vergangenen Montag, als
sich im Berliner Landgericht ein Häuflein der nicht eben unbedeutendsten
Literaturkritiker und -journalisten des Landes einfand, neben Rainald
Goetz, der in der Causa Suhrkamp ohnehin schon längst zum Gerichtsreporter
mutiert ist.
Und als dann ein Urteil gesprochen war, verstand es niemand (außer Goetz)
so richtig. Oder aber man glaubte auch, sich verhört zu haben: Hatte da
soeben tatsächlich ein Richter nicht nur verfügt, dass Suhrkamp
Schadenersatz an seinen Gesellschafter Hans Barlach zahlen muss, sondern
zudem quasi im Handstreich die Geschäftsführung des Suhrkamp Verlags aus
dem Amt gekegelt? Ja, hatte er. Seitdem laufen die Feuilletons heiß.
Der ewige Gegensatz von Geist und Geld wird beschworen, doch mittlerweile
differenzieren sich die Stimmen wohltuend aus. Wo das Geld ist, scheint
klar: Nicht bei Suhrkamp. Aber wo ist der Geist? Die eigentlich Betroffene,
Verlegerwitwe und Geschäftsführerin Ulla Unseld-Berkéwicz, schweigt und tut
gut daran. Man sei „schockiert“ von dem Urteil, so lässt der Verlag
verlauten, was auch sonst?
Seit Jahren überzieht Suhrkamp seinen Minderheitengesellschafter mit
Klagen. Man will ihn dort nicht haben. Er hat sich eingekauft, er gilt als
Heuschrecke. Umso unfassbarer scheint es, dass die Geschäftsführung um Ulla
Unseld-Berkéwicz dem personifizierten Stachel im Fleisch der Hochkultur,
Hans Barlach, mit der angeblichen Vermischung von Privat- und
Verlagsinteressen im Zusammenhang mit der Berliner Villa am Nikolassee
derart offen eine Flanke geboten hat, in die dieser hineinstoßen konnte.
## Hochmut?
Es lässt sich nur mit Naivität oder einem Bewusstseinszustand erklären, der
sich von einem Gefühl der Verbindlichkeit gesetzlicher Regelungen
verabschiedet hat. Kurz: Hochmut. Gegen die Naivität spricht, dass der
Suhrkamp Verlag von einem gerade in Kulturdingen erfahrenen Juristen
vertreten wird.
Niemand dürfte den Gedanken fassen, dass der Suhrkamp Verlag unter einem
Verleger Hans Barlach ein annähernd so glänzendes Programm auf die Beine
stellen könnte wie in den vergangenen Jahren. Doch zu einer
Unternehmenskultur gehört nicht nur die Produktion von Büchern, sondern
auch die Anerkennung rechtlicher Normen. Der Hinweis, auch der große
Verleger Siegfried Unseld sei da nie so streng mit lästigen Formalitäten
gewesen, verfängt nicht.
## Bizarre Äußerungen
Erstens müsste das bewiesen werden. Zweitens machte der Verlag unter ihm
Gewinn. Bizarr sind die Äußerungen mancher Autoren. Zum Beispiel die von
Hans Magnus Enzensberger, der sich mit seiner Verlegerin solidarisierte.
Keine Sekunde würde er unter Barlach im Verlag bleiben. Und er habe weder
Zeit noch Lust, Akten zu studieren und sich mit Mietverhältnissen zu
befassen. Vielleicht fehlt ihm neben der Lust auch die Kompetenz.
Nicht nur ihm offenbar. Selbstverständlich gibt es ein Recht auf
Borniertheit. Auf beiden Seiten. Hans Barlach wird mit dem Satz zitiert, er
habe die Hamburger Morgenpost und die Fernsehzeitschrift TVtoday geleitet
und sei mithin auch kompetent für Suhrkamp. Er scheint das wirklich zu
glauben. 60.000 bis 70.000 Euro koste ihn das Prozessieren pro Monat, so
Barlach. Der Gegenseite dürfte es nicht anders gehen. Barlach selbst weiß
nicht mehr, wie viele Verfahren zwischen ihm und Suhrkamp zurzeit laufen.
So viel destruktive Energie war lange nicht mehr im kreativen
Verlagsgewerbe.
14 Dec 2012
## AUTOREN
Christoph Schröder
## TAGS
Suhrkamp Verlag
Rainald Goetz
Literatur
Suhrkamp Verlag
Suhrkamp
DuMont
Ulla Unseld-Berkéwicz
Suhrkamp Verlag
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