# taz.de -- Musikdokumentation: Aufstieg und Fall andersherum | |
> Mit „Searching for Sugar Man“ hat Malik Bendjelloul einen Film über den | |
> mexikanischamerikanischen Musiker Sixto Rodriguez gemacht. | |
Bild: Der Musiker Sixto Rodriguez. | |
Der Kapitalismus wird nie langweilig. Ersichtlich ist das etwa an der | |
Musikindustrie, die inzwischen Wege gefunden hat, ihr Versagen mit Mehrwert | |
zu inszenieren: „Searching for Sugar Man“, die Dokumentation des | |
schwedischen Regisseurs Malik Bendjelloul über den | |
mexikanischamerikanischen Musiker Sixto Rodriguez, beschreibt so einen | |
Fall, der einen trotz aller aufgezwungenen Empathie mit einem Underdog | |
nicht kaltlässt. | |
Schön an dieser Geschichte ist, dass die Chronologie von Aufstieg und Fall | |
einmal umgekehrt verläuft. Und es ist alles drin: von der Demontage eines | |
Musikertalents über den Raub von Tantiemen und die symbolische Bedeutung | |
von Songtexten bis zur späten Renaissance eines verkannten Genies. „Cause I | |
lost my job two weeks before Christmas /And I talked to Jesus at the Sewer | |
and the Pope said it was none of his goddamn business“), singt Rodriguez in | |
dem Song „Cause“ (1970). Tatsächlich verlor er kurz darauf seinen | |
Plattenvertrag. | |
Bendjellouls Film besteht aus zwei Erzählsträngen, die zunächst in keinem | |
Zusammenhang zu stehen scheinen. Der eine schildert den vergeblichen | |
Versuch von Rodriguez, dem Sohn mexikanischer Einwanderer, im Detroit der | |
späten Sechziger im Umfeld des Hitlabels Motown Fuß zu fassen. Zu sehen | |
sind aktuelle Stadtansichten aus dem winterlichen Detroit, die Skyline der | |
Industriestadt im Schnee; Passanten, deren Atem in der Kälte Wolken bildet, | |
Autolichter, langsam fahrende U-Bahnen auf Stelzen. | |
Auf der Tonspur sprechen Produzenten, Begleitmusiker und | |
Plattenfirmenbesitzer über Rodriguez. Sie rühmen seine künstlerische Ader, | |
rätseln, woran Rodriguez’ Karriere gescheitert sein könnte, beteuern ihre | |
Unschuld. Der Musiker selbst bleibt unsichtbar. Wie seine 1970 und 1971 auf | |
einem Sublabel von Motown erschienenen Alben, die floppten und rasch aus | |
den Regalen entfernt wurden. Rodriguez’ Version von Singer-Songwriter-Folk | |
atmet Soul, wird aber aufgrund ihrer sarkastischen Gesellschaftskritik aus | |
den US-Radiosendern verbannt. | |
Der andere Teil von „Searching for Sugar Man“ beginnt als eine Art | |
Fremdenverkehrsfilm aus Südafrika, aufgenommen auf einer Fahrt von Kapstadt | |
zum Tafelberg in gleißendem Sonnenlicht. Nach Kapstadt war die Musik von | |
Rodriguez in den siebziger Jahren gelangt. Seine Songs wurden dort zu | |
Hymnen für Gegner der Apartheid. Die Alben wurden in Südafrika tausendfach | |
verkauft, ohne dass ihr Komponist auch nur das Geringste davon mitbekam. | |
Bendjellouls Kronzeuge ist der südafrikanische DJ und Plattenladenbesitzer | |
Stephen „Sugar“ Segerman, dessen Spitzname sich von Rodriguez bekanntestem | |
Song, „Sugar Man“, ableitet. Er wird Sixto Rodriguez, der trotz | |
anderslautender Gerüchte am Leben ist, in den Neunzigern ausfindig machen | |
und ihn nach Südafrika holen, wo er umjubelte Konzerte gibt. | |
Und so führt Benjelloul die beiden Geschichten dramaturgisch etwas holprig | |
zusammen und lässt den Künstler auftreten. Man sieht Videoaufnahmen, die | |
die Töchter von Rodriguez während seines ersten Konzerts in Südafrika | |
gemacht haben. Und schließlich spricht Rodriguez mit Bendjelloul. Er gibt | |
Auskunft über seine Verwurzelung im Blue-Collar-Milieu und zeigt dem | |
Regisseur seine Heimatstadt Detroit, in der er noch immer im selben Haus | |
lebt wie in den späten Sechzigern. | |
## „Searching for Sugar Man“ (Schweden/Großbritannien 2012). Regie: Mailk | |
Bendjelloul. 83 Min. | |
28 Dec 2012 | |
## AUTOREN | |
Julian Weber | |
Julian Weber | |
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