# taz.de -- Separatisten in Thailand: „Der tödlichste Konflikt Südostasiens… | |
> Die Regierung in Bangkok bekommt den Konflikt im muslimischen Süden nicht | |
> in den Griff. Das Morden geht weiter, die staatliche Willkür hält an. | |
Bild: Eine Schule in der Provinz Pattani nach einem Sparatistenanschlag. | |
BANGKOK taz | Es war einer der tödlichsten Tage in Thailands Süden im Jahr | |
2012: An einem Morgen Mitte Dezember feuerte eine Gruppe Bewaffneter ins | |
Innere eines Teeladens in der Provinz Narathiwat. Mehrere Menschen starben | |
im Kugelhagel, darunter ein elf Monate altes Mädchen. Die Bewaffneten, so | |
die Polizei, seien Separatisten gewesen. Wenig später gab es in der | |
benachbarten Provinz Pattani einen weiteren Anschlag: In einer Schule | |
wurden zwei Lehrkräfte ermordet. | |
In Thailand vergeht kaum eine Woche, in der nicht über brutale Anschläge | |
mutmaßlicher islamischer Rebellen berichtet wird, gegen die Militär, | |
Paramilitärs und Polizei massiv zurückschlagen. Gewalt ist in den | |
muslimisch dominierten Südprovinzen Yala, Pattani und Narathiwat des | |
überwiegend buddhistischen Landes altbekannt: Die Region war in den | |
vergangenen Jahrzehnten wiederholt Schauplatz separatistischer | |
Auseinandersetzungen. | |
Am 4. Januar 2004 eskalierte der Konflikt erneut, nachdem Rebellen ein | |
Armeecamp überfallen hatten. Der damalige Premier Thaksin Shinawatra | |
verhängte das Kriegsrecht und später Notstandsgesetze, die bis heute | |
wirksam sind. Seitdem wurden bis zu 5.300 Menschen ermordet – nicht nur | |
Buddhisten, sondern auch Muslime, denen vorgeworfen wird, mit dem | |
thailändischen Zentralstaat zu kollaborieren. | |
Laut der Bürgerrechtsgruppe Patani Forum gibt es mehrere Generationen von | |
Separatisten: Zum einen die Gruppen der „alten Garde“ wie die BRN (Barisan | |
Revolusi Nasional)-Coordinate oder die Pulo (Patani United Liberation | |
Organisation), deren führende Köpfe überwiegend im Exil leben. | |
Zum anderen sei eine neue Generation militanter Kämpfer vor Ort entstanden, | |
die „juwae“. Diese formten ein diffuses Netzwerk, in welchem Entscheidungen | |
auf lokaler Ebene getroffen würden. Eine „institutionelle Disziplin“ gebe | |
es nicht. Dies dürfte ein Grund sein, warum zunehmend auch Schulen, Tempel, | |
Lehrer und Mönche brutal attackiert wurden, die lange Zeit als „illegitime | |
Ziele“ galten. | |
## Geordnete Kommandostruktur fehlt | |
Der Einfluss, den die zerstrittene „alte Garde“ auf die jungen Militanten | |
habe, sei begrenzt oder gar nicht vorhanden, glauben Beobachter. „Zwar wird | |
der BRN-Coordinate nachgesagt, das beste Arbeitsverhältnis zu den juwae zu | |
haben“, so Don Pathan vom Patani Forum. Das bedeute aber nicht, dass es | |
eine geordnete Kommandostruktur gebe, in der die politische Organisation | |
ihrem militärischen Flügel Anweisungen geben könne. | |
Doch auch seitens des Zentralstaates gibt es keine Einigkeit. Zumal | |
Thailand seit dem Putsch gegen Thaksin 2006 wechselnde Regierungen erlebt | |
hat, die eher gezwungen waren, sich mit den innenpolitischen Unruhen in | |
Bangkok als mit dem Süden zu beschäftigen. „Aufeinanderfolgende Regierungen | |
haben sich dafür entscheiden, sich beim wohl tödlichsten Konflikt | |
Südostasiens durchzuwursteln“, kritisierte die International Crisis Group | |
in ihrem jüngsten Bericht zum Konflikt. Bislang habe es nichts gebracht, | |
Zehntausende Sicherheitskräfte zu entsenden und Milliarden von Dollar in | |
die Region zu pumpen. | |
Don Pathan stimmt dem zu: Solange der Staat nichts Konkretes anzubieten | |
habe, solange werde eine Gruppe wie die BRN-Coordinate nicht an den | |
Verhandlungstisch zurückkommen. Auch unter der jetzigen Regierung unter | |
Thaksins Schwester, Yingluck Shinawatra, deutet bislang nichts auf einen | |
baldigen und nachhaltigen Frieden hin. | |
## Militär blockiert Autonomiebestrebungen | |
Zwar arbeitet die Yingluck-Regierung laut Patani Forum immerhin daran, eine | |
einheitliche staatliche Position zu finden. Doch die Separatisten offiziell | |
als legitime Gesprächspartner anzuerkennen, ist ein zu heißes Eisen. Zumal | |
Thailands mächtiges Militär Autonomiebestrebungen strikt ablehnt. | |
Erschwert wird eine Annäherung durch die Straflosigkeit für die | |
Sicherheitskräfte, die im Kampf gegen Aufständische und mutmaßliche | |
Sympathisanten töten, foltern oder verschleppen. | |
„Die Menschen vor Ort wollen als erstes Gerechtigkeit“, sagt Angkhana | |
Neelaphaijit, selbst ein Opfer staatlicher Willkür: Vor knapp neun Jahren | |
war ihr Mann Somchai, ein anerkannter Muslim-Anwalt, in Bangkok entführt | |
worden. Er hatte öffentlich angeprangert, dass Klienten in Polizeigewahrsam | |
gefoltert worden waren und sich für eine Aufhebung des Kriegsrechts im | |
Süden starkgemacht. Bis heute ist er nicht wieder aufgetaucht. | |
4 Jan 2013 | |
## AUTOREN | |
Nicola Glass | |
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