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# taz.de -- Prüfsteine zur Wahl: Konsens nur bei der Mais-Frage
> Das Agrarbündnis hat die Direktkandidaten der Niedersachsen-Wahl zu
> landwirtschaftlichen Themen befragt. Die Ergebnisse sind bemerkenswert -
> und die der CDU gar etwas wunderlich.
Bild: Darauf hat in Niedersachsen nur die CDU Appetit: Genkartoffeln.
BREMEN taz | Als „missbraucht“ hat Journalist Christoph Seils die
Niedersachsen-Wahl im Magazin Cicero schon bejammert. Um landespolitische
Themen gehe es dabei „nur am Rande“. Diese etwas voreilige Diagnose am
vierten Wahlkampftag blendet indes aus, dass die Lager einander in einigen
landespolitischen Fragen so schroff wie noch nie gegenüberstehen. Vor
allem, und das ist selbst in Deutschlands Agrarland Nummer eins
ungewöhnlich, in Fragen der Landwirtschaftspolitik.
Übergreifenden Konsens gibt es da höchstens im Bewusstsein, dass die
Maismonokultur allmählich zum Problem werden könnte und man die Eiweißlücke
möglichst mit einheimischen Pflanzen stopfen sollte. Sonst aber herrscht
ein heftiger Streit. Und während die Prosa der Wahlprogramme den oft eher
verbrämt, treten die Kontraste selbst zu den Sprachregelungen der eigenen
Parteien in Antworten zu Sachfragen mitunter grell zu Tage: Das
[1][Agrarbündnis Niedersachsen] hat die DirektkandidatInnen aller bisher im
Landtag vertretenen Parteien um Auskunft gebeten. Die Resultate sind
bemerkenswert.
Das Agrarbündnis ist ein breiter Zusammenschluss. Neben den üblichen
Verdächtigen wie den alternativen Bauern-Organisationen Bund deutscher
Milchviehhalter und Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft sind
darin auch Verbraucherorganisationen wie Slow Food, die meist agrarfernen
Naturschutzverbände BUND und Nabu sowie die evangelische Organisation Brot
für die Welt vertreten. Vereint sind sie durch die Ablehnung einer weiteren
Industrialisierung der Landwirtschaft. Und die Vielfalt ihrer
Ablehnungsgründe prägt auch die der „Wahlprüfsteine“.
So hatten gerade kirchliche Stellen die Ausbeutung von Wanderarbeitern
mittels Werkverträgen in den Schlachthöfen Niedersachsens angeprangert. Und
so hatte auch CDU-Parteichef und Ministerpräsident David McAllister im
taz-Interview jüngst die Entgelte in der Fleischindustrie für „schlicht
inakzeptabel“ erklärt. Schließlich hätten Löhne und Gehälter etwas „mi…
Würde von Arbeit zu tun“.
Mit dieser Ansicht scheint er in seiner Partei ziemlich allein dazustehen:
Gerade mal 16 Prozent der Unions-KandidatInnen wollen „die Durchsetzung von
fairen Erzeugerpreisen in der Land- und Lebensmittelwirtschaft“
unterstützen, wie aus der Umfrage des Agrarbündnisses hervorgeht: Besonders
bemerkenswert ist das, weil selbst 67 Prozent der FDPler angemessene Löhne
für erstrebenswert halten, so wie sämtliche Grünen, SPD und
Linkspartei-BewerberInnen. Noch drastischer schert die CDU bei der Frage
nach Gentechnik aus: Alle ihre KandidatInnen hielten es für falsch, wenn
sich Niedersachsen zum gentechnikfreien Bundesland erklären und einseitige
Kampagnen im Schulunterricht stoppen würde – gegen sämtliche Grünen und
Linken, 98 Prozent SPDler und 39 Prozent der Liberalen.
Die systematisch schrillste Dissonanz ergibt sich allerdings bei der Frage
nach der Mittelstandsförderung. Während die Union im wirtschaftspolitischen
Part ihres Wahlprogramms vertritt, Niedersachsens Chancen lägen „in einem
soliden Handwerk und einem leistungsfähigen Mittelstand“, lehnen ihre
DirektkandidatInnen fast unisono, zu 97 Prozent, eine Förderstrategie für
„kleine und mittelständische Betriebe“ strikt ab. Obwohl sie bei allen
anderen eine klare Mehrheit findet.
Diese Frage ist von großer perspektivischer Bedeutung. Denn einerseits
erlebt Niedersachsen ein [2][dramatisches Bauernsterben]: 16.000 Höfe haben
seit dem Jahr 2000 aufgegeben, das ist mehr als ein Viertel aller Betriebe,
und [3][30.000 Arbeitsplätze] sind seit 2003 dadurch in der Landwirtschaft
verloren gegangen. Zugleich hat die Landespolitik unmittelbaren Einfluss
auf die Gemeinsame Agrarpolitik der EU (GAP) – deren neue Ausrichtung 2013
beschlossen wird: SPD und, am konkretesten, die Grünen beziehen bereits in
ihren Wahlprogrammen diesen europäischen Horizont mit ein. Und sie
empfehlen, bei der Neuformulierung der GAP dafür einzutreten, dass
Subventionen sich künftig an Gemeinwohlkriterien wie dem
landschaftspflegerischen Greening orientieren sollten. Gegen derartige
Bestrebungen hatte Niedersachsen stets interveniert – mit Erfolg.
4 Jan 2013
## LINKS
[1] http://www.agrarbuendnis-niedersachsen.de
[2] http://www.lskn.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=25698&ar…
[3] http://www.landtag-niedersachsen.de/Drucksachen/Drucksachen_16_5000/4501-50…
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
## TAGS
Landwirtschaft
Baden-Württemberg
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