# taz.de -- FDP-Vorsitzender Philipp Rösler: Der politische Zombie | |
> Beim Dreikönigstreffen der Liberalen in Stuttgart wirkt Parteichef | |
> Philipp Rösler wie ein politisch Untoter. Sein Fall erscheint nur noch | |
> eine Zeitfrage. | |
Bild: Augen zu und durch: FDP-Chef Philipp Rösler blickt in die Zukunft. | |
STUTTGART taz | Am Ende konnte man fast [1][Mitleid empfinden mit Philipp | |
Rösler]. Als der Vizekanzler, Wirtschaftsminister und FDP-Vorsitzende am | |
Sonntag an das Podium auf der Bühne des Stuttgarter Staatstheaters tritt, | |
wirkt er bereits wie ein politisch Untoter. Und wie einer, der das auch | |
weiß. | |
Sonst hätte er im Hinblick auf die Niedersachsenwahl am 20. Januar, vor der | |
seine verunsicherten Parteifreunde sich zu Recht fürchten wie blau-gelbe | |
Kaninchen vor der Schlange, in einem Interview nicht mit geradezu | |
selbstmörderischem Optimismus davon gesprochen, dass für die FDP in | |
Hannover eine Fortsetzung der Regierungsbeteiligung möglich sei. | |
Zu laut das Rumoren auch aus den eigenen Reihen – bei der Basis, aber auch | |
im Präsidium, wo sich eben erst sein direkter Vorredner, Dirk Niebel, | |
erneut für einen Neuanfang ausgesprochen hat. Es zerreiße ihn innerlich, | |
den Zustand der Partei zu sehen, und deshalb könne er nicht schweigen, ruft | |
Niebel mit fast schon lutherischem Bekenntnispathos: „So wie jetzt kann es | |
mit der FDP nicht weitergehen.“ | |
Es ist klar, wen der Entwicklungsminister und Spitzenkandidat der | |
Südwest-Liberalen damit meint: Philipp Rösler. Im Präsidium klatscht an | |
dieser entscheidenden Stelle nur Hermann Otto Solms, der Applaus im | |
Auditorium bleibt insgesamt verhalten. Was an einer alten Weisheit liegen | |
mag: Die Menschen lieben den Verrat, aber nicht den Verräter. | |
## Mit dem Dolch im Gewande | |
Tatsächlich fand sich schon am Samstag beim Landesparteitag der FDP | |
Baden-Württemberg kaum mehr ein Mitglied, das gegen ihren glücklosen | |
Vorsitzenden nicht bereits den Dolch im Gewande führte. Kein Redner, der | |
sich in stärkender Absicht hinter Philipp Rösler gestellt hätte. Ja, es | |
fiel schon nicht einmal mehr sein Name, nicht ein einziges Mal. | |
Umso deutlicher waren die inoffiziellen Antworten auf die drängenden | |
Fragen. Braucht die FDP eine Personaldebatte? Eigentlich schon, aber nicht | |
vor der Niedersachsenwahl am 20. Januar. Braucht die FDP einen Philipp | |
Rösler? Eigentlich schon, aber nur noch bis zur absehbaren Niederlage bei | |
der Niedersachsenwahl. | |
Bis zur Bundestagswahl im September dann sollte die Partei bestenfalls von | |
jemandem geführt werden, der nicht Philipp Rösler ist – sondern vielleicht | |
Rainer Brüderle, der für manche ohnehin schon „gefühlte“ Vorsitzende der | |
siechen Partei. Danach könne dann ein Hoffnungsträger wie Christian Lindner | |
übernehmen, der die Partei in Nordrhein-Westfalen überraschend zu 8 Prozent | |
geführt hat. | |
Das wäre der Fahrplan, wenn es nach dem sorgenvollen Ehrenvorsitzenden | |
Hans-Dietrich Genscher ginge – oder nach dem dynamischen Delegierten von | |
den Jungliberalen aus dem Hochschwarzwald, der seinen Namen freilich nicht | |
in der Zeitung lesen will: „Wir brauchen wieder Leute an der Spitze, die | |
angriffslustig sind. Rösler kann es nicht, das haben wir gesehen.“ Eine | |
andere Jungliberale erklärt: „Christian Lindner wäre mein Favorit.“ Wer | |
noch zu Rösler hält, nennt dafür nur einen Grund: „Diese Debatte ist | |
verheerend, das tut uns nicht gut.“ | |
## Besser dastehen als die Sozialisten | |
Überhaupt wollen alle „lieber wieder“ mit „Inhalten punkten“. So wie | |
Generalsekretär Patrick Döring, der zugunsten von Rainer Brüderle auf ein | |
Rederecht auf der Kundgebung verzichtet hatte und sich stattdessen am | |
Vortag in der Liederhalle mit rosigen Wangen in Rage redete: „Früher kam | |
der Obrigkeitsstaat mit der Pickelhaube, heute kommt er auf | |
Birkenstock-Sohlen.“ Die „politische Geschlechtsumwandlung des Kandidaten | |
Steinbrück“ zum „willenlosen Schröpfdemokraten ohne Vernunft“ sei in vo… | |
Gang. | |
Am Ende erfleht Döring mit rhetorischer Bescheidenheit nur „2 Prozent“, | |
mehr fehle nicht, um besser dazustehen als „die Sozialisten“. Wozu Liberale | |
auch den SPD-Zausel und Bundestagsvize Wolfgang Thierse rechnen, der mit | |
der von ihm losgetretenen Schrippen- und Schwabendebatte gerade in | |
Stuttgart die Vorlage für zahlreiche Ausfälle lieferte. „Wer 60 Jahre in | |
den Länderfinanzausgleich einzahlt“, so etwa Landesvorsitzende Birgit | |
Homburger bebend, „darf Backwaren in ganz Deutschland so nennen, wie er | |
will“. | |
Auch im Staatstheater bei der eigentlichen Kundgebung zu Dreikönig genügt | |
es einem Redner wie Rainer Brüderle schon, einen Namen wie Jürgen Trittin | |
überhaupt nur zu erwähnen, um das Publikum erwartungsfroh aufstöhnen zu | |
lassen, was dem alten Haudegen zu dem „Dosenpfand-Lümmel“ wohl alles | |
einfallen wird. | |
Brüderle befürchtet denn auch eine „grüne Vermögensteuer-Stasi“ und „… | |
Zwangsbeglückungen“, denn: „Die Grünen wollen wissen und am liebsten | |
vorschreiben, was wir lesen sollen: taz gut, Bild angeblich schlecht.“ | |
Gelächter, zu dem Brüderle stets zufrieden in sich hinein schmunzelt. | |
Seinen „liebenswerten Haufen von Freidenkern“ hat er im Griff. Ansonsten | |
bemüht er sich redlich, seine Partei auch vom übermächtigen | |
Koalitionspartner abzugrenzen: „Wir haben die CDU besser gemacht!“ | |
## Kein Geld für Schlecker, kein Geld für Opel | |
Auch Niebel verweist auf liberale Erfolge in Berlin, seine eigenen Erfolge | |
und die Notwendigkeit, diese Erfolge besser zu verkaufen. Kein Geld für | |
Schlecker, kein Geld für Opel – solche „mutigen“ Entscheidungen trügen … | |
Handschrift der FDP, dafür brauche Deutschland eine starke FDP, aber: „Sind | |
wir eine starke FDP?“ Da wird es still im Saal, auf dem Podium versteinern | |
die Mienen und verschränken sich die Arme, als Niebel zu seiner „Hier stehe | |
ich, ich kann nicht anders“-Rede anhebt. | |
Das 85-jährige Urgestein Hans-Dietrich Genscher im gelben Pullunder | |
kritzelt derweil mit dem Bleistift gedankenverloren kleine Männchen auf | |
einen Block. Zuletzt bedankt sich Niebel bei allen Parteifreunden: „Alle | |
haben gute Arbeit geleistet, auch, und das sage ich ganz deutlich, Philipp | |
Rösler.“ Es ist das erste Mal, dass dessen Name fällt. Er fällt deutlich, | |
aber eben auch zuletzt. | |
Und dann der moribunde Vorsitzende selbst. Als einziger Politiker an diesem | |
Wochenende hält Rösler seine Rede – die wichtigste in seiner politischen | |
Karriere – frei. Diese Freiheit mag sportlich sein und einem Liberalen gut | |
zu Gesicht stehen, wirkt aber auch leicht streberhaft. Und schadet der | |
Wirkung dessen, was gesagt werden soll. | |
Gleich zu Beginn stürmt ein Mann an die Bühne und ruft: „Rösler, du bist | |
ein Arschloch“, ohne Rösler damit aus der Ruhe bringen zu können: „Man ka… | |
das auch höflicher formulieren, wenn man sich nicht mag.“ Der | |
Parteivorsitzende spricht weich und sanft und ruhig und hebt die Stimme | |
immer nur dann, wenn er Applaus erwartet: „Ihre Freiheit ist unsere | |
Aufgabe, unsere Verantwortung in Deutschland!“ Noch in seinen Angriffen | |
klingt der 39-Jährige konziliant. | |
## Seltsam ziellose Grundsatzrede | |
Zustimmenden Applaus erhält er vor allem für seine Geistesgegenwart. Als | |
etwa Aktivisten der Grünen während der Rede von der Empore Flugblätter | |
regnen lassen, zweifelt Rösler, ob das nun Grüne sind: „Das kann nicht | |
sein, Papier wird da nicht weggeworfen, sondern gesammelt.“ | |
Es ist eine sehr allgemeine und in ihrer Allgemeinheit auch seltsam | |
ziellose Grundsatzrede. Über „die Flamme der Freiheit“, als deren Hüter er | |
die FDP sieht, über die „Diffamierung“ seiner Partei und generell darüber, | |
was „freiheitlich“ in unserer Gesellschaft überhaupt bedeutet und wozu | |
diese Eigenschaft auch heute noch gebraucht wird. Warum er selbst noch | |
gebraucht werden sollte, dazu sagt er kein Wort. Womöglich weiß er es | |
selbst nicht. | |
6 Jan 2013 | |
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## AUTOREN | |
Arno Frank | |
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