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# taz.de -- Kolumne Fernsehen: Gérard, der Schreckliche
> Arte zeigt im Fall Depardieu, wie man sich als Kultursender an einem
> Fahnenflüchtling rächt. Passt auf ihr Russen, wen ihr euch ins Haus holt!
Bild: Russisches Naturell? Aber hallo!
Gérard Depardieu ist glücklich. Jetzt, da er endlich Russe sein darf, kann
er sich ganz seinem Naturell hingeben: [1][Er darf saufen, er darf in
Flugzeuge pinkeln, er darf betrunken vom Roller stürzen – er kann machen,
was er will.] Und das nur, weil er in Russland geliebt wird, wie der
Schauspieler beteuerte, als er endlich den russischen Pass in seinen
Pranken hielt.
Na gut, von allen muss er nicht geliebt werden, um sich in Russland
(daneben) benehmen zu dürfen wie der Bär im Walde. [2][Er kann sich all das
erlauben, so lange er von einem Russen geliebt wird: Wladimir Putin.] Der
Präsident verlieh dem 64-Jährigen persönlich die Staatsbürgerschaft – und
schickte ihn gleich mal mit einer Delegation zu einer Gala des
Weltfußballverbands Fifa, auf der der Fußballer des Jahres gekürt wurde.
Die Programmmacher von Arte müssen ein gutes Gespür gehabt haben für das
russische Wintermärchen, das da auf uns zurollt. Und so planten die Macher
des deutsch-französischen Kultursenders schon vor Wochen einen Film im
Programm ein, der schon einmal zeigt, wie Depardieu den Russen mimt:
„Rasputin – Der Hellseher der Zarin“ (Fr., 18. 1., 20.15 Uhr).
## Furchteinflößender Wunderheiler
Depardieu, Träger des höchstens französischen Ordens (Ritter der
Ehrenlegion), mit Rauschebart, als verstörender, furchteinflößender
Wunderheiler, der das Vertrauen der Zarin gewinnt, in alle politischen
Entscheidungen eingebunden wird und im Laufe der Zeit den Hof in eine tiefe
Krise stürzt. Die Moral von der Geschicht: Passt auf ihr Russen, wen ihr
euch ins Haus holt!
Chapeau, Arte! So subtil rächt sich ein Kultursender: Einfach einen Film
zeigen, in dem Depardieus große künstlerische, aber auch zerstörerische
Kraft voll zur Geltung kommt. Die Verantwortlichen vergaßen auch nicht in
ihrem Presseheft zum „Rasputin“-Film auf Depardieus Liebes- und Geldentzug
seiner Heimat gegenüber hinzuweisen: „Jüngst war er in den Schlagzeilen,
weil er sich in der belgischen Ortschaft Estaimpuis niedergelassen hatte,
wo er keine Vermögenssteuer bezahlen muss.“
## Remake von „Ziemlich beste Freunde“?
Mal schauen, wie das russische Fernsehen zurückschlägt. Spätestens wenn
Wladimir I. anordnet, dass das unreißbare Band der Freundschaft zwischen
den Brüdern Depardieu und Putin filmisch umgesetzt werden soll, werden wir
sehen, welch herzensgute Männer die beiden Machos sind. Vielleicht ein
Remake von „Ziemlich beste Freunde“? Depardieu als gestürzter und von
seinen einstigen Freunden und Landsleuten verstoßener Steuerflüchtling,
dessen sich der agile, sportliche, dynamische, starke Wladimir Putin
annimmt, ihm wieder Lebensfreude schenkt – und einen geringeren Steuersatz.
Artes „Rasputin“ sollte allerdings nicht nur eine Warnung an die Russen
sein, auch Depardieu selbst sollte sich wappnen: Rasputin wurde ermordet,
als der Zar und die Zarin mehr und mehr an Macht und an Schlachten im Krieg
verloren.
Doch so schlimm dürfte es für Depardieu nicht kommen, sollte in ferner
Zukunft Zar Putin vor dem Machtverlust stehen. Depardieu kann ja immer noch
nach Belgien gehen.
11 Jan 2013
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## AUTOREN
Jürn Kruse
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