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# taz.de -- Kolumne Fernsehen: Den Fuß auf dem Hasspedal
> Die „Süddeutsche Zeitung“ findet die Erniedrigung Katja Riemanns ganz
> schlimm. Im Gegenzug erniedrigt sie Moderator Hinnerk Baumgarten.
Bild: Hat laut „SZ“ voller Angst auf dem Roten Sofa gesessen: Katja Riemann.
Seit dem 1. Februar 1995 steht das rote Sofa irgendwo beim NDR rum.
Ziemlich genau siebzehneinhalb Jahre hat das Austellungsstück niemanden
interessiert – und nun bot dieses Relikt vorabendlicher Einschlafhilfe
gleich zwei Skandale innerhalb kürzester Zeit: Zunächst kippte im September
letzten Jahres Jenny Elvers-Elbertzhagen offensichtlich unter
Alkoholeinfluss fast von der Couch – und nun präsentierte sich
Schauspielerin Katja Riemann bei einem Auftritt ähnlich auskunftsfreudig
wie Helmut Kohl dereinst vor dem Parteispenden-Untersuchungsausschuss.
[1][Stefan Niggemeiers Zusammenschnitt] des von der ersten Sekunde an
entgleisten Gesprächs wurde mittlerweile mehr als eine Million Mal bei
YouTube angeklickt. Die Süddeutsche Zeitung widmete am Mittwoch Riemanns
Auftritt fast eine komplette Seite ihres Feuilletons – und schießt sich
dort auf den hilflosen und schlecht vorbereiteten, aber doch mit einem
Mindestmaß an Manieren ausgestatteten Moderator Hinnerk Baumgarten ein:
„Ein Hinnerk Baumgarten mit seinem Hallo-Leute-Machismo im TV spielt da nur
vordergründig den Part des harmlosen Saftsacks, der morgens um drei
peinlich daherkommt: Wer redet denn gleich vom Heiraten, Süße, lass uns
doch erstmal ne Runde ficken. Das Prinzip: Stell Dich nicht so an. Benimm
Dich. Schließlich: Du willst es doch auch.“
Autor Alexander Gorkow, Chef der Seite drei der Süddeutschen, scheint nun
einen Krampf im Bein zu haben, mit dem er das Hass-Pedal ordentlich
durchdrückt – und brettert weiter: Bei dem, was der Moderator treibe,
handele es sich um eine besonders perfide Form der Machtausübung, schreibt
er: „Dadurch, dass den Moderator sein eigener Dilettantismus total kalt
lässt, sitzt das Problem auf der anderen Seite des Sofas“, also bei
Riemann, „und da wird es auch bleiben, es sei denn, Puppe, Du machst Dich
jetzt mal locker, wir wollen doch nur’n bisschen reden …“
Doch Gorkow hat nach eigener Interpretation allen Grund für sein wütendes
Gerase: Schließlich sei Katja Riemann nach ihrem Auftritt zur Erniedrigung
freigegeben worden. Diese „traurige Katja Riemann“, diese „bedauernswerte
Schauspielerin“, die voller Angst auf dem Sofa gesessen habe, weil sie
wusste: „Wenn ich es nicht schaffe, auf diese in erniedrigend hoher
Schlagzahl abgefeuerten Unsinnsfragen auch nur einmal mit etwas Charme zu
antworten, bin ich erledigt.“
Und womit wird Erniedrigung am wirkungsvollsten bekämpft? Mit
Gegenerniedrigung – das sieht zumindest Gorkow so. Da darf dann auch
Hinnerk Baumgarten mit Vergewaltiger-Vergleichen auf die Pelle gerückt und
mit Schmähungen („TV-Honk“) überzogen werden. Er hat schließlich angefan…
mit der Erniedrigung.
Gorkow rast noch weiter: Die Deutschen würden mit ihren Künstlern und
Künstlerinnen nach der Maxime umgehen „Bring mir Freude, oder ich bring
dich um“. Und was lernt er aus dieser erschreckenden Erkenntnis? Nichts.
Stattdessen ruft er die Maxime an alle Moderatoren aus: Stell tiefgründige
Fragen, oder ich mach dich fertig.
21 Mar 2013
## LINKS
[1] http://www.youtube.com/watch?v=QE6m5TsoaOE
## AUTOREN
Jürn Kruse
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