| # taz.de -- Kolumne Fernsehen: So geht Toleranz bei ProSieben | |
| > ProSieben propagiert in einer Themenwoche Respekt und Toleranz. Bei | |
| > „Beauty & The Nerd“ führt der Sender alle Teilnehmer vor. | |
| Bild: So stellt sich ProSieben „Nerds“ vor | |
| Danke, ProSieben! Danke, dass du so überzeugend für Toleranz wirbst! Komm | |
| her, lass dich umarmen, mein Unterföhringer Lieblingssender! Seit Tagen | |
| wirbt ProSieben für seinen „Tolerance Day“ am 17. Februar: „Minderheiten | |
| bereichern die Mehrheit“, heißt es in dem Spot, „Randgruppen erweitern | |
| unseren Horizont“, und „Außenseiter erweisen sich als Insider“, ergo: | |
| „Menschen sind verschieden, aber alle verdienen eines: Respekt.“ Ab Montag | |
| steht die ganze Woche bei ProSieben im Zeichen der Toleranz. Toll! | |
| Und genauso toll ist, dass du uns gleich darauf zeigst, wie ernst du es mit | |
| diesem Anliegen meinst. Denn direkt nach dem | |
| Es-muss-sich-etwas-ändern-Toleranz-ist-gut-und-so-Werbespot läuft der | |
| Trailer für „Beauty & The Nerd“, die neueste Show, in der Menschen bis an | |
| die Grenzen vorgeführt werden. Das Konzept: Acht „Beauties“ und acht | |
| „Brains“ ziehen in eine Villa in Südafrika. „Die jungen Frauen haben sich | |
| bisher über ihr Äußeres definiert, die Streber über ihren Intellekt“, wird | |
| die Sendung beworben, „in dieser Show treffen zwei Welten aufeinander.“ | |
| Aber nicht, dass Sie, liebe Leser, jetzt denken: Das ist aber schön, dass | |
| ProSieben solch unterschiedliche Gruppen unserer Gesellschaft | |
| zusammenführt, auf dass sie sich kennen- und lieben lernen mögen. | |
| ## Nerds sehen aus wie Freaks | |
| Nein, so funktioniert „Beauty & The Nerd“ nicht. Die Erniedrigung fängt | |
| schon damit an, dass die „Nerds“ aussehen, als hätte sich Christian Ulmen | |
| in acht Kostümierungen geschmissen: Sandalen und hochgezogene Tennissocken, | |
| Hosenträger, unpassende Westen, Polunder, T-Shirts mit dem Aufdruck „Chess | |
| is my life“. Dazu schiefe Zähne, Brillen, keine Frisuren. Allesamt derart | |
| plumpe Abziehbilder von Stubenhockern, dass selbst die Bild sich fragte: | |
| „Warum sehen die Nerds wie Freaks aus?“ Die Antwort von ProSieben: Sie | |
| durften ihre Klamotten halt nur aus einem Kleiderfundus auswählen. Ein | |
| Schelm, wer denkt, dass diese Auswahl begrenzt war. | |
| Daneben die „Beauties“: alle in Röcken oder Kleidern, dazu hochhackige | |
| Schuhe und abgestimmte Accessoires. So sieht frau halt aus, wenn sie im | |
| Einkaufscenter den zweiten Platz bei der Misswahl gewinnen will. | |
| Welchen Lebensentwurf die Macher von ProSieben für gut halten, ist unschwer | |
| aus der Vorstellung der Kandidaten zu lesen: Dort der Helge, hochbegabt, | |
| aber ohne Schulabschluss, „nimmt seine Allergikerbettwäsche mit nach | |
| Südafrika, hat Angst vor großen Hunden, schlafwandelt – und auf der anderen | |
| Seite die Siw, Stewardess, spricht Schwedisch, Norwegisch und Deutsch, | |
| sportlich, mag gern Schokolade, Typ „Traumfrau, aber voll nicht | |
| eingebildet“. | |
| ## Die „Beauties“ planschen im Pool | |
| Und dann beginnt die Vorführung. Die Frauen müssen sich in Wissens- oder | |
| Rechtschreibtests blamieren, und die Männer müssen am Harter-Kerl-Sein | |
| scheitern. Natürlich sollen die Damen die Buchstaben, die sie zu Wörtern | |
| zusammenfügen sollen, aus einem Pool fischen. Da können sie ihren Bikini | |
| gleich anbehalten. Wie praktisch. | |
| Auf „Beauty & The Nerd“ wird ProSieben selbstverständlich auch in seiner | |
| Toleranzwoche nicht verzichten. Schließlich verdienen alle Menschen eines: | |
| Respekt. | |
| 8 Feb 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Jürn Kruse | |
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