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# taz.de -- Lehrer lässt sich entamten: Ein Privileg, das er nie wollte
> Arne Ulbricht war mal Beamter, das wollte er aber gar nicht sein. Der
> Lehrer hat dagegen gekämpft. Jetzt ist er angestellt und verdient
> deutlich weniger.
Bild: Etwas irre ist er ja schon: Arne Ulbricht.
BERLIN taz | Vielleicht ist er wirklich ein wenig irre. Vor wenigen Tagen
brachte die Post den Brief, darin las er: „Arne Ulbricht wird auf sein
Verlangen aus dem Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen entlassen.“
Arne Ulbricht, 40, unterrichtet Französisch und Geschichte an einem
Berufskolleg in Wuppertal. Vor einem Jahr wurde er verbeamtet. Doch was als
Privileg im Schuldienst gilt, war für Arne Ulbricht ein Graus. Also kämpfte
er dafür, es nicht mehr zu sein. „Der Beamtenstatus ist wie eine Fessel“,
sagt Ulbricht. „Ich habe Kollegen erlebt, die vielleicht längst Lust gehabt
hätten, etwas anderes zu machen, sich aber wegen ihres Beamtenstatus
gezwungen fühlten, im Schuldienst zu bleiben.“ So etwas lähmt, meint
Ulbricht. Über seine Erfahrungen hat er ein Buch geschrieben, das in diesen
Tagen erscheint.
Zum Februar wird Ulbricht an seiner Schule neu eingestellt – als
Angestellter. Das geht ins Geld: Bei einer halben Stelle verdient er jeden
Monat fast 300 Euro weniger. Beamtenpension? Futsch.
Dieser ungewöhnliche Schritt wirft die Frage auf, warum Lehrer überhaupt
verbeamtet werden. Laut Bildungsgewerkschaft GEW sind 650.000 LehrerInnen
in Deutschland Beamte, nur 200.000 sind Angestellte. Und die Länder, die
zwischenzeitlich auf die Verbeamtung verzichteten, rudern mittlerweile
zurück: Thüringen will Lehrer ab August verbeamten, auch
Mecklenburg-Vorpommern erwägt eine Rückkehr zum Lehrer auf Lebenszeit.
Dabei gibt es längst keine Gründe mehr dafür, Lehren als Amtsgeschäft
anzusehen, sagt Ilse Schaad vom GEW-Hauptvorstand. „Der Status leitete sich
aus dem Züchtigungsrecht ab, durch das Lehrer Vertreter des staatlichen
Gewaltmonopols waren“, sagt sie. Doch der Rohrstock gehört der
Vergangenheit an; und ob neben dem Strafen auch das Unterrichten und
Benoten zu den hoheitlichen Aufgaben zählen, ist umstritten.
Der Essener Bildungsökonom Klaus Klemm plädiert dafür, aus Kostengründen
auf die Verbeamtung von Lehrern zu verzichten. Kurzfristig sei ein
angestellter Lehrer für das Land zwar teurer, obwohl er weniger verdient.
„Aber die Länder müssen für Angestellte zusätzlich Sozialabgaben
entrichten, für Beamte nicht“, sagt Klemm. Langfristig spart der Staat
dagegen, weil die Pensionslasten wegfallen. Das Problem bei diesem Kalkül:
„Welches Parlament stimmt gern einer Politik zu, die jetzt zu höheren
Ausgaben führt, aber in 30 Jahren billiger ist?“
## Ungerechtigkeiten und Absurditäten
GEW-Vorstandsmitglied Ilse Schaad sieht ein weiteres Problem: Solange es
keine bundeseinheitliche Regelung gibt, zwinge der Wettbewerb um Lehrkräfte
viele Länder dazu, den Beamtenstatus wieder einzuführen oder an ihm
festzuhalten – mit all den Ungerechtigkeiten und Absurditäten. „Ein Lehrer,
der in Brandenburg Beamter war, behält seinen Status auch bei einem Wechsel
in ein Land wie Berlin, das nicht verbeamtet“, sagt sie. „Lehrer werden für
die gleiche Arbeit unterschiedlich bezahlt.“
Arne Ulbricht sieht seine Entamtung denn auch als kleinen Ausdruck der
Solidarität mit den Kollegen, die nicht zum Lehrer auf Lebenszeit ernannt
wurden. Weil sie im falschen Bundesland unterrichten. Oder weil dem Staat
in der Gesundheitsprüfung ihr Body-Mass-Index als zu riskant erscheint:
„Ich habe Kollegen, die nur deswegen nicht verbeamtet werden können, weil
sie zu dick sind. Obwohl sie tolle Lehrer sind“, sagt Ulbricht. „Da hört
für mich jedes Verständnis auf.“
16 Jan 2013
## AUTOREN
Bernd Kramer
## TAGS
Schule
Lehrer
Bildung
Schule
Lehrerausbildung
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