# taz.de -- ARD-Doku „Arbeiten für Gottes Lohn“: Pathologisch, machtfixier… | |
> Kreuzzüge, Kolonialisierung, Kindesmissbrauch: Neben den Skandalen ist | |
> die Kirche auch bloß ein Unternehmen – zu sehen in „Arbeiten für Gottes | |
> Lohn“. | |
Bild: Kirchliche Mitarbeiter fordern ein Ende des kirchlichen Sonderwegs | |
Die eigentlich interessante Erkenntnis, die am Ende der Doku „Arbeiten für | |
Gottes Lohn“ steht: Den Leuten ist der konditionierte Glaube daran, dass | |
die Kirche allein schon deshalb gut ist, weil sie eben einfach die Kirche | |
ist, nur schwer zu nehmen. | |
Ob er damit gerechnet habe, dass ausgerechnet der Arbeitgeber Kirche | |
Leiharbeiter so schlecht entlohnt? Nein, natürlich nicht, sagt der | |
ehemalige Malteser-Rettungssanitäter. Ob man von einem kirchlichen | |
Arbeitgeber nicht auch eine gewisse soziale Verantwortung erwarte? | |
Ja, natürlich, sagt die Frau, die mit ihren KollegInnen vor der örtlichen | |
Zentrale des Diakonischen Werks irgendwo in Schleswig-Holstein für mehr | |
Lohn demonstriert. | |
Nun hat die Geschichte ja bereits gelehrt, dass Kirche nicht nur | |
pathologisch machtfixiert (Kreuzzüge, Kolonialisierung) sondern auch | |
gefährlich borniert sein kann (katholisches Krankenhaus verweigert | |
mutmaßlichem Vergewaltigungsopfer die Anti-Baby-Pille, Katholische Kirche | |
bricht Aufklärung von Kindermissbrauchsskandalen ab). | |
Und als Arbeitgeber ist sie, wie Gita Datta hier zeigt, eben auch bloß ein | |
Unternehmen, das rechnet, wie alle anderen Unternehmen auch. Nächstenliebe | |
ist was für den Sonntag, werktags zählt vor allem und wie überall: | |
Wirtschaftlichkeit. | |
## Der Kirchentarifvertrag | |
Als Beispiel dient Datta unter anderem der katholische Malteser | |
Hilfsdienst, 90 MitarbeiterInnen wurden in die Tochterfirma Aventivo | |
Soziale Dienste ausgegliedert. Dort bekommen die nicht nach | |
Kirchentarifvertrag angestellten Leiharbeiter monatlich 400 Euro weniger | |
Lohn. | |
Der Pressesprecherin der Malteser wird ein Geschäftsbericht an die | |
Bundesversammlung 2011 vorgehalten, wonach der katholische Hilfsdienst | |
einen Überschuss von 4,4 Millionen Euro erwirtschaftet habe – warum man die | |
Mittel nicht zum Beispiel dafür verwende, die immerhin überschaubare Zahl | |
von 90 Leiharbeitern ebenfalls nach Tarifvertrag zu entlohnen? | |
Das Interview wird abgebrochen. Was das kühle Kalkulieren auf Rentabilität | |
bei kirchlichen Arbeitgebern noch mal so ungleich viel kälter erscheinen | |
lässt, ist natürlich die Fallhöhe zwischen christlichem Anspruch und | |
Realität. | |
Was diese Doku auch sehr schön zeigt: „Diakonie definiert sich nicht über | |
den Tarif, sondern über den Auftrag der Nächstenliebe, den Gott uns gegeben | |
hat“, wird anfangs ein Pastor zitiert. Da klingt schön. Und ist | |
gleichzeitig so bequem, dass es eigentlich schon zynisch ist. Jedenfalls | |
sichert Nächstenliebe nicht automatisch auch die Altersvorsorge der | |
demonstrierenden Diakonissen in Schleswig-Holstein. | |
Außerdem praktisch für die Kirche: Der sogenannte „Dritte Weg“, das in der | |
Weimarer Reichsverfassung und dann später ins Grundgesetz übernommene | |
Selbstbestimmungsrecht der Kirche, erlaubt keine Streiks: das würde „dem | |
Gedanken der christlichen Dienstgemeinschaft widersprechen.“ | |
Was am Ende natürlich auch die – entscheidende wie unbeantwortete – Frage | |
aufwirft: Wie eigentlich löst man weltliche Probleme mit Kirchenrecht? | |
Datta bringt das Beispiel des evangelischen Krankenhauses Oldenburg, das | |
nach immer wieder gescheiterten Verhandlungen vor dem – nicht justiziablen | |
– Kirchengericht schließlich aus dem Kirchentarifvertrag ausscherte: | |
„Endlich streiken!“, seufzt ein Pfleger. | |
## „Arbeiten für Gottes Lohn“, Montag, 22.45 Uhr, ARD | |
28 Jan 2013 | |
## AUTOREN | |
Anna Klöpper | |
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