# taz.de -- Trash-TV aus Köln polarisiert: TV-Müll vom Rhein | |
> Eine Doku-Soap über zwei WGs in Köln läuft erfolgreich bei RTL II. Zu | |
> erfolgreich, denn jetzt sorgen sich die CDU und „Bild“ gemeinsam um den | |
> Ruf der Stadt. | |
Bild: „Köln 50667“ hat knapp eine halbe Million Facebook-Fans. | |
Es braucht ungefähr zehn Minuten einer Folge „Köln 50667“, dann dreht man | |
den Fernseher leiser und wünscht sich: Ruhe. „Köln 50667“ – der sperrige | |
Titel ist der Postleitzahl des Kölner Innenstadtbezirks geschuldet – heißt | |
eine Dokusoap, die seit Anfang Januar im werktäglichen Vorabend bei RTL II | |
läuft. | |
Und wie bei Scripted-Reality-Formaten (kein festes Drehbuch, viel | |
Improvisation) üblich, ist der Dramafaktor (Liebe, Schmerz, Trennung) | |
beständig hoch und die Varianz, mit denen diesen Unbilden des Alltags | |
begegnet wird, beständig niedrig (schreien, heulen, kreischen, „so’n | |
Arschloch!“). | |
„Köln 50667“ ist also Trash. Aber sehr erfolgreicher Müll: Mit dem Ableger | |
der ebenfalls auf RTL II schon seit Mai 2012 laufenden Dokusoap „Berlin Tag | |
und Nacht“ über die Irrungen und Wirrungen einer Berliner WG habe man aus | |
dem Stand einen Marktanteil von 10 Prozent bei den 14- bis 49-Jährigen | |
erreicht, sagt RTL-II-Unternehmenssprecher Carlos Zamorano. Das sind gut 4 | |
Prozentpunkte über dem Senderschnitt. | |
Hört man einfach mal auf, sich darüber zu wundern, dass so viele Menschen | |
45 Minuten Gekeife jeden Abend offenbar durchaus gerne ertragen, ist der | |
Erfolg dieser Formate einfach zu erklären: „Das ist Unterhaltung – die | |
üblichen Mechanismen, die greifen“, sagt Zamorano. Die „üblichen | |
Mechanismen“, der quotenerprobte Fremdschämfaktor, sind das eine. Das | |
andere ist die konsequente Verlängerung des Formats ins Social Web: „Berlin | |
Tag und Nacht“ hat rund 2,5 Millionen Facebook-Fans, die Geschichten aus | |
den zwei Kölner WGs mögen bisher knapp eine halbe Million Nutzer. | |
## Zuschauer als Teil der Serie | |
Auf Facebook kommunizieren die Soap-Darsteller in ihren Rollen mit den Fans | |
darüber, was in der letzten Episode passiert ist – und in den TV-Folgen | |
werden fleißig Videos auf Facebook hochgeladen. Fiktion und Realität | |
vermischen sich und erzeugen die reizvolle Illusion, der Zuschauer sei Teil | |
des Serienuniversums. | |
Wie schön man vergessen kann, dass solche Formate letztlich aber immer nur | |
Inszenierung vor austauschbarer Kulisse sind, zeigt nun der Fall des Kölner | |
CDU-Fraktionschefs Winrich Granitzka. Der beklagte Mitte Januar im Kölner | |
Stadtanzeiger, das Image der Stadt würde „in den Schmutz gezogen“ – und | |
überlegte an selbiger Stelle gleich noch, eine Ratsinitiative gegen die | |
Serie anzustrengen, inklusive einem „Appell“ an die RTL-II-Senderleitung, | |
das Format inhaltlich noch mal zu überdenken. | |
Bei RTL II begegnet man der öffentlichen Empörung – die Bild in Köln | |
beschloss ebenfalls, wohl vor allem als Abgrenzung zum auflagenstärkeren | |
Konkurrenzblatt Kölner Express, die Serie schlecht zu finden, und schwärzte | |
gar die entsprechende Stelle im TV-Programm – mit Gelassenheit: „ ’Köln | |
50667‘ ist eine Soap – und damit befinden wir uns im fiktionalen Bereich“, | |
sagt Zamorano. Das zu begreifen könne man den Zuschauern auch ruhig | |
zumuten. Und der SPD-Fraktionschef Martin Börschel stellte eilig klar, er | |
sehe nicht, dass es Aufgabe der Politik sei, einem Sender hier irgendwelche | |
Vorgaben zu machen. | |
## Nicht mehr einschalten | |
Fragt man bei Granitzka nach, was aus dem angedachten „Appell“ geworden | |
ist, hat auch der nun offenbar erkannt: Politische Einflussnahme auf | |
redaktionelle Entscheidungen in unabhängigen Medien bergen eine gewisse | |
Gefahr. Er wolle sich ja nun keinesfalls mit dem ehemaligen | |
Bundespräsidenten und dessen Wutanruf auf der Mailbox des | |
Bild-Chefredakteurs vergleichen, aber er habe die Bedeutung „dieser | |
Geschichte“ in der Öffentlichkeit „doch unterschätzt“. Einfach nicht me… | |
einschalten, wie es sein Kollege Börschel vorgeschlagen habe, sei schon mal | |
„keine schlechte Idee“. | |
Damit haben beide Politiker allerdings noch nicht erkannt, dass ihr Feind | |
nicht Fernseher, sondern Facebook heißt. Denn das einzige Interessante an | |
banalen, billig produzierten Scripted-Reality-Formaten wie „Köln 50667“ | |
ist, dass es dank Facebook überhaupt erst gelingt, sie oberhalb der | |
Wahrnehmungsschwelle im Fernsehprogramm zu positionieren – und so auch | |
mittlerweile zu einem Politikum werden zu lassen. | |
25 Jan 2013 | |
## AUTOREN | |
Anna Klöpper | |
## TAGS | |
CDU | |
Doku-Soap | |
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