# taz.de -- Jugendbanden in El Salvador: Verhandeln statt morden | |
> Die berüchtigten „Mara“-Jugendbanden verpflichten sich in vier Gemeinden | |
> zur Gewaltlosigkeit. Dafür bleiben sie dann auch straffrei. | |
Bild: Maskierte Mitglieder der berüchtigten Mara Salvatrucha (MS-13) vor den … | |
ILOPANGO taz | Vor ein paar Monaten noch wäre daraus ein Blutbad | |
entstanden: Im Stadtpark von Ilopango, einem Vorort im Osten der Hauptstadt | |
San Salvador, standen die harten Jungs der Mara Salvatrucha 13 (MS-13) in | |
ihren Schlabberjeans und weiten T-Shirts, das Gesicht hinter einem Tuch und | |
unter einer Baseball-Kappe versteckt. | |
Keinen Steinwurf weiter standen ihre Rivalen vom Barrio 18 (B-18), deutlich | |
in der Unterzahl, aber in derselben Aufmachung, alle leicht identifizierbar | |
an ihren Schuhen: Sie alle tragen das Modell Cortez von Nike. | |
Schon so manches Mitglied des B-18 ist im Bandenkrieg von El Salvador | |
allein wegen dieser Schuhe von der MS-13 ermordet worden. Am Dienstag | |
vergangener Woche aber blieb es friedlich in Ilopango. Beide Banden waren | |
angetreten, um die erste gewaltfreie Gemeinde El Salvadors auszurufen. | |
## Banden kommen zu Wort | |
Auf dem Podium vor den martialischen Jungs saßen der Bürgermeister von | |
Ilopango, Justiz- und Sicherheitsminister General David Munguía Payés, und | |
natürlich die beiden Vermittler zwischen Maras und Staat: der | |
Militärbischof Fabio Colindres und der ehemalige Guerilla-Kommandant Raúl | |
Mijango, ein enger Freund von Munguía Payés. In den kommenden Tagen folgten | |
drei weitere solche Zeremonien in anderen Gemeinden. | |
„Wir sind hierher gekommen, um Ja zu sagen zum Friedensprozess“, sprach | |
Marvin Antonio Cruz, ein Anführer der MS-13, ins Mikrofon. „Wir wollen die | |
Gewalt hinter uns lassen.“ Auch ein Sprecher von B-18 ergriff das Wort. | |
Beide Banden sind nach salvadorianischem Recht kriminelle Vereinigungen. | |
Doch der Sicherheits- und Justizminister saß zufrieden dabei. Seine | |
Polizisten griffen nicht ein. | |
Die Bandenkriege der „Maras“ genannten Jugendgangs von El Salvador haben | |
dazu geführt, dass das zentralamerikanische Land im vergangenen Jahrzehnt | |
als das gewalttätigste Land Lateinamerikas galt. | |
Im Jahr 2009, in dem zum ersten Mal die ehemals linke Guerilla der FMLN an | |
die Macht kam, wurden 4.365 Morde registriert – eine Steigerung von 36 | |
Prozent gegenüber dem Vorjahr. Seit März 2012 ist die Zahl der Morde von | |
durchschnittlich 14 am Tag auf 5 oder 6 gesunken. Im gesamten Jahr 2012 gab | |
es 41 Prozent weniger Bluttaten als im Jahr zuvor. | |
Der Grund: Die beiden Mittelsmänner Colindres und Mijango hatten mit den | |
inhaftierten Gangchefs einen Waffenstillstand zwischen MS-13 und B-18 | |
vereinbart. Der Staat stand ihnen im Gegenzug Hafterleichterungen zu. | |
Tatsächlich ist seither der vorher bis auf den Tod ausgefochtene Streit um | |
die Kontrolle von Stadtvierteln für Schutzgelderpressung und Drogenhandel | |
eingestellt worden. | |
Jede Mara bunkerte sich in ihrem Gebiet ein. Die Einrichtung von | |
gewaltfreien Gemeinden ist nun ein zweiter Schritt dieses | |
Friedensprozesses. Den vier Pilotstädten sollen zunächst 14 weitere | |
Ortschaften folgen. In ihnen sollen „sich alle Bürger einschließlich der | |
Mitglieder von Banden frei bewegen können“, heißt es in dem vom | |
Bürgermeister und den Maras unterschriebenen Abkommen. Die Maras verzichten | |
auf Gewalt, der Staat im Gegenzug auf Strafverfolgung. | |
## Forderung nach Gesetzen | |
„Wir werden keine Mitglieder von Banden verfolgen“, sagte der Sicherheits- | |
und Justizminister. „Wir werden nur Delinquenten verfolgen, die an | |
Verbrechen beteiligt sind.“ Die Maras erwarten nun, dass sich diese Haltung | |
auch in Gesetzesreformen niederschlägt. | |
Die oft mit Mord durchgesetzten Schutzgelderpressungen – | |
Haupteinnahmequelle der Banden – werden aber vorerst weitergehen. „Sicher, | |
es wird Frieden geben“, sagte ein Maskierter am Rand der Veranstaltung in | |
Ilopango. „Aber natürlich werden wir weiterhin unser Gebiet kontrollieren | |
und eben eher auf die sanfte Tour Schutzgelder erpressen.“ | |
Vermittler Mijango ist überzeugt, dass die Erpressungen langsam | |
verschwinden werden. Allerdings müssten im Gegenzug Arbeitsplätze für die | |
Bandenmitglieder geschaffen werden – Dinge, die es für die meisten | |
Salvadorianer nicht gibt. | |
29 Jan 2013 | |
## AUTOREN | |
Cecibel Romero | |
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