# taz.de -- Pilzbefall beim Arabica-Kaffee: Der siechende Muntermacher | |
> In Mittelamerika breitet sich eine Kaffeeseuche aus und bedroht die | |
> Existenz von Millionen Kleinbauern. 2012 brach die Ernte um 30 Prozent | |
> ein. | |
Bild: „Eine Tragödie“: Kaffeebohnen in Mittelamerika. | |
SAN SALVADOR taz | Am Morgen, wenn sich der Nebel aufgelöst hat, zeigt sich | |
die Landschaft im Nordwesten El Salvadors in sattem Grün. Ein exaktes | |
Gitter von langen Baumreihen liegt über dem Land. Sie schützen Millionen | |
von Kaffeesträuchern vor dem Wind und geben Schatten, damit die | |
Kaffeekirschen langsamer heranreifen und die Bohnen ein Maximum an Aromen | |
entwickeln. | |
Aus der Nähe betrachtet sieht die Idylle aber während der aktuellen Ernte | |
ganz anders aus. „Es ist eine Tragödie mit dem Kaffeerost“, sagt Isaías | |
Marroquín, Vorarbeiter einer Finca am Rande des Dorfs San José La Majada. | |
„Es hat diese Seuche hier schon lange nicht mehr gegeben.“ Im vergangenen | |
Jahr schlug sie gnadenlos zu und sorgt für Ernteeinbrüche von bis zu 30 | |
Prozent. | |
Erste Anzeichen des Kaffeerosts sind kleine gelbe Flecken auf der | |
Unterseite der dunkelgrünen Blätter der Büsche. Die werden immer größer, | |
das Blatt färbt sich wie im europäischen Herbst und wird schließlich von | |
einem feinen weißen Pulver überzogen. Dann fallen die Blätter ab, und die | |
Kaffeefrucht ist schutzlos der Sonne ausgeliefert. | |
Zum ersten Mal wurde die Pilzkrankheit im 19. Jahrhundert in Kenia | |
festgestellt; 1970 wurde sie in Brasilien entdeckt und breitete sich von | |
dort innerhalb eines Jahrzehnts über ganz Lateinamerika aus. Doch die | |
Schäden hielten sich meist in Grenzen – bis jetzt. | |
Die rasante Ausbreitung der Seuche im letzten Jahr hat mit dem Wetter zu | |
tun. „Die Sporen des Pilzes brauchen Regen, um sich entwickeln zu können“, | |
sagt Adán Hernández von der Salvadorianischen Stiftung für Kaffeeforschung | |
(Procafé). Ideal seien 18 bis 27 Grad. Im vergangenen Jahrzehnt haben sich | |
die Niederschlagsmengen in El Salvador um 625 Millimeter im Jahr erhöht, | |
gleichzeitig stieg die Durchschnittstemperatur. Entscheidend war dann das | |
tropische Unwetter E12, das sich im Oktober 2011 zwölf Tage lang über | |
Zentralamerika abregnete – und ideale Bedingungen für die Sporenbildung des | |
Pilzes schuf. | |
„Wegen des Klimawandels befällt der Kaffeerost nicht nur die niedrig | |
gelegenen Pflanzungen“, heißt es in einem Bericht von Procafé. „Er breitet | |
sich auch dramatisch in mittleren und hohen Lagen aus.“ Dort wächst der | |
beste und teuerste Kaffee. Und es wird noch schlimmer kommen: Klimaforscher | |
sagen für Zentralamerika einen Anstieg der Durchschnittstemperatur von bis | |
zu 6,5 Grad bis zum Ende des Jahrhunderts voraus. | |
## Ernteausfälle von 28 Prozent | |
„Wir haben ernsthafte Probleme mit den Produktionsmengen“, sagt Ernesto | |
Velásquez, der Direktor der staatlichen Kaffeeschule in El Salvador. Auf | |
stark befallenen Plantagen reifen die Kaffeekirschen viel zu schnell und | |
vertrocknen. Und selbst an weniger befallenen Sträuchern reifen die Früchte | |
schneller und entwickeln weniger Aroma. | |
In Guatemala, Honduras, El Salvador und Nicaragua sind je nach Gegend | |
zwischen 15 und 30 Prozent der Sträucher von der Krankheit befallen. Und in | |
der nächsten Erntesaison werden die Einbrüche größer sein. 16 Prozent | |
befallene Blätter in einem Jahr führen einer Studie von Procafé zufolge im | |
nächsten Jahr zu Ernteausfällen von 28 Prozent. Denn statt für die | |
Produktion von Kaffeekirschen verwenden die Sträucher ihre Kraft dafür, die | |
Blätter zu ersetzen. | |
Die Krankheit befällt nur Pflanzen der Sorte Arabica; auf die entfallen 70 | |
Prozent des weltweit getrunkenen Kaffees. Sie wird in Lateinamerika | |
angebaut, in wenigen Hochlagen Afrikas, in Indien und Indonesien. | |
Arabica-Bohnen werden wegen des vollmundigen Aromas geschätzt. Die | |
restlichen dreißig Prozent der Weltproduktion stellt die Sorte Robusta, die | |
vor allem in Afrika angebaut wird. Die Pflanzen sind sehr viel resistenter | |
gegen Hitze und Krankheitsbefall, haben aber einen Nachteil: Ihre Bohnen | |
sind weitaus weniger aromatisch und werden deshalb vor allem für löslichen | |
Kaffee verwendet. | |
Rund ein Fünftel der weltweiten Arabica-Produktion kommt aus den jetzt von | |
der Krankheit befallenen Ländern Zentralamerikas und aus Mexiko. Noch. In | |
siebzig Jahren, so hat ein Team von britischen und äthiopischen | |
Kaffeeforschern prognostiziert, wird es wegen des Klimawandels überhaupt | |
keine Arabica-Bohnen mehr geben. | |
2 Jan 2013 | |
## AUTOREN | |
Cecibel Romero | |
## TAGS | |
Mittelamerika | |
Kaffee | |
El Salvador | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Jugendbanden in El Salvador: Verhandeln statt morden | |
Die berüchtigten „Mara“-Jugendbanden verpflichten sich in vier Gemeinden | |
zur Gewaltlosigkeit. Dafür bleiben sie dann auch straffrei. | |
Wilder Arabica-Kaffee verschwindet: Kaffetrinker müssen sich umstellen | |
Der Arabica-Kaffee ist bedroht: Durch die Klimaveränderung werden die | |
kommerziellen Anbaugebiete für die Bohne zerstört. |