| # taz.de -- Wiener Opernball: „Nur eine Marketing-Strategie“ | |
| > Es ist das Ballereignis des Jahres in Österreich. Aber auch die Deutschen | |
| > schauen hin. Warum eigentlich? Wir haben zwei Wiener dazu befragt. | |
| Bild: Love it or leave it: Der Opernball spaltet Österreich. | |
| sonntaz: Was bedeutet der Opernball für Österreich, für Wien? | |
| Stephanie: Der Ball ist eine Marketing-Strategie, so wie Mozartkugeln oder | |
| Kaiserin Sissi. Und trotzdem lieben wir Wiener ihn. | |
| Andreas: Nicht alle, bitte! Es gibt viele Dinge, die einen nicht reizen, | |
| und der Opernball gehört für mich dazu. Ich kann damit nichts anfangen, es | |
| gibt keine Handlung. Schon als Kind habe ich nicht verstanden, warum | |
| Erwachsene sich das ansehen. Dieses Rätsel habe ich bis heute nicht gelöst. | |
| Stephanie: Natürlich hat der Opernball eine Handlung! Österreichische und | |
| ausländische Prominenz wird auf dem roten Teppich vor der Oper interviewt. | |
| Im viel zu engen Festsaal werden tiefe Einblicke ins Dekolleté gewährt und | |
| überschminkte Gesichter gezeigt. Dann die feierliche Eröffnung mit | |
| Bundespräsident und Ballettvorführung. Ein Sehen und Gesehenwerden der | |
| oberen Zehntausend. Und ich sitze mit Tee vor dem Fernseher und genieße die | |
| Kommentare von Alfons Haider, unserem einzigen schwulen Showmaster. | |
| Andreas: Früher war er auch unser einziger schwuler Haider. Aber das stimmt | |
| jetzt a nimmer. | |
| Der Ball ist sehr elitär. Euer Bundespräsident Heinz Fischer ist aber ein | |
| Sozialdemokrat. Wie passt das zusammen? | |
| Andreas: Das stimmt. Aber der Ball ist auch ein nationales Symbol. Der | |
| Präsident sagt ja auch nicht: „Die Hofburg ist mir zu elitär, ich arbeite | |
| ab jetzt im Gemeindebau.“ | |
| Gehen die Menschen, die im Gemeindebau wohnen, auch auf den Opernball? | |
| Stephanie: Eher nicht. Eine Ballkarte kostet 250 Euro. Und da hat man nur | |
| die Karte. Kein Kleid. Keinen Tisch. Und vor allem kein Würstl. | |
| Würstl? | |
| Stephanie: Eine Frankfurter – also ein Wiener Würstchen. In der Opernlounge | |
| bekommt man für 9,50 Euro ein Paar Würstl. Beim Würstlstand vor der Oper | |
| bekommt man das gleiche für 2,50 Euro. Und das ist richtig wienerisch, | |
| wennst draußen stehst, es is gatschig, das Kleid wird schmutzig und du | |
| bestellst a Eitrige. Hier treffen sich alle. Die Ballleute, der Sandler, | |
| der Banker, und die angsoffenen Studenten. Hier werden die Grenzen zwischen | |
| den gesellschaftlichen Schichten aufgehoben. Miniversum Würstlstand. | |
| Andreas: Aber ist das speziell wienerisch? Gerhard Schröder hat doch auch | |
| gesagt, seine Lieblingsspeise ist Currywurst. Und einen Würstelstand gibt's | |
| auch am Stadtplatz von Vöcklabruck, meiner oberösterreichischen | |
| Heimatstadt. Naja, erst seit ich in Wien lebe, gehe ich auch zum | |
| Würstelstand. | |
| Stephanie: Also doch typisch wienerisch. | |
| Ich habe den Eindruck, Richard Lugner kennen in Deutschland mehr Leute als | |
| den SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück. Was erzählt das über die | |
| deutsche Gesellschaft? | |
| Stephanie: Man träumt sich gerne weg. Merkel ist ja alles andere als eine | |
| Märchenprinzessin. Das kann der Opernball: Dich in eine andere Welt träumen | |
| lassen. Das ist etwas sehr Österreichisches: „Kenn i ned, wül i ned, siech | |
| i ned - wird scho passn. Schauts, wie scheens do is!“ | |
| Andreas: Deutschland fehlt das Talent zum Überflüssigen, zur sinnlosen | |
| Verschwendung, zum Fantastischen. Ihr bleibt zu sehr am Boden. Und an | |
| Lugner sieht man das auch. Wenn der Bauunternehmer schöne Damen aus der | |
| internationalen Prominenz dafür bezahlt, ihn auf den Opernball zu | |
| begleiten, ist er eine Karikatur, die genau dieses Bedürfnis bedient. | |
| Stephanie: Ja, genau, so wie er Austern mit Ketchup isst. Da kann eine | |
| Gina-Lisa Lohfink einpacken. Die kennen in Österreich auch gar nicht so | |
| viele. | |
| Andreas: Mit Lugner können sich die Zuseher identifizieren. Sie sind | |
| fasziniert vom Opernball, fühlen sich aber nicht wirklich wohl in feiner | |
| Gesellschaft. Er geht da sehr ungeschickt rein – und das ist sehr | |
| geschickt. | |
| Interessant: Den Deutschen fehlt also das Talent zum sinnlosen Inszenieren | |
| von Überfluss. | |
| Andreas: Was auch unglaubliche Vorteile hat. Deshalb mag ich die Deutschen | |
| so gern: Weil Dinge auf einer rationalen Ebene verhandelt werden. Das ist | |
| angenehm seriös. Aber manchmal kippt das ins Kleinliche, ins Bürokratische. | |
| Stephanie: Deutschland ist nicht das Land der Verbote, sondern der Gebote. | |
| Wenn du etwas gut machst, wirst du belohnt. Du kriegst nicht auf die | |
| Finger, sondern lieber ein Zuckerl. Eine Belohngesellschaft. Wir sind | |
| fleißig, dann schaffen wir's. Die Österreicher sind da gemütlicher, sie | |
| schaffen's oder eben nicht. | |
| Der Opernball wird eröffnet mit „Alles Walzer!“ Könnt ihr eigentlich Walz… | |
| tanzen? | |
| Andreas: Wenn ich überhaupt etwas tanzen kann, dann vermutlich Walzer. | |
| Stephanie: Ja, ich auch. Ich war beim Elmayer. Aber nur drei Wochen. Die | |
| Herren haben mit weißen Handschuhen und schwarzen Lackschuhen getanzt. Das | |
| war mir dann doch zu viel. | |
| 7 Feb 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Felix Zimmermann | |
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