| # taz.de -- Anke Domscheit-Berg beim taz.lab: „Es geht anders“ | |
| > Weiße, heterosexuelle Männer dominieren das Internet, sagt Anke | |
| > Domscheit-Berg. Die Netzaktivistin für Geschlechterdemokratie fordert | |
| > Veränderungen. | |
| Bild: Anke Domscheit-Berg fordert Geschlechterdemokratie real wie digital | |
| taz.lab: Frau Domscheit-Berg, Sie sagen, weiße, heterosexuelle Männer | |
| dominieren das Internet. Worauf stützt sich diese These? | |
| Anke Domscheit-Berg: Naja, man muss das stark differenzieren. Weltweit | |
| betrachtet sind Frauen im Social Web sehr präsent, was ich meine ist die | |
| Teilhabe an Meinungsbildung. | |
| Können Sie das konkretisieren? | |
| Eine von Wikipedia kommunizierte Statistik besagt, dass dort der | |
| Männeranteil bei etwa 85 Prozent liegt. Das Wissen der Welt, dass in dieser | |
| Wissensdatenbank gesammelt wird, enthält also viele Positionen von Frauen | |
| gar nicht. Ständig gibt es Diskussionen über die Relevanz von Artikeln zu | |
| Frauen oder weiblichen Themen bis hin zu Löschdiskussionen. | |
| Entscheiden Frauen denn nichts mit? | |
| Es gibt regelrechte „edit wars“, wo Männer, die offenbar mehr Zeit haben, | |
| solange ein Forum dominieren, bis sie die Diskussion beherrschen und immer | |
| wieder erreichen, dass Artikel nach ihrer Auslegung geändert werden. Lange | |
| gab es im Artikel zum Kindesmissbrauch geradezu päderastische | |
| Rechtfertigungen. Das ist inzwischen nicht mehr der Fall, aber analoge | |
| Geschichten gibt es immer wieder, gerade beim Artikel zu | |
| Genitalverstümmelung von Frauen ist das noch aktuell. | |
| Frauen werden verdrängt? | |
| Ob Verdrängung das richtige Wort ist, weiß ich nicht. Frauen werden oft | |
| schon in der Diskussion nicht gleichwertig zugelassen. Im Internet wird die | |
| Gesellschaft eins zu eins repliziert, Männer schreiben die Leitartikel, die | |
| meisten Chefredakteure sind Männer. Dabei gäbe gerade das Netz die | |
| Möglichkeit, das anders zu machen. Stattdessen wird alles schlimmer, weil | |
| man nicht nur den offiziellen Posten nicht bekommt, sondern noch eins unter | |
| die Gürtellinie. Das beschränkt Frauen in ihrer Meinungsfreiheit. | |
| Wie ...? | |
| ...wenn irgendwo dass Wort Feminismus fällt, kommen auf das Geschlecht | |
| abzielende beleidigende Kommentare. Diese Erfahrung machen viele Frauen, | |
| auch ich. Egal, ob es ein Quotenartikel ist, wo sich die Maskulinisten | |
| ausleben oder auf netzpolitik.org. Bei einer Umfrage dort wurde | |
| festgestellt, dass nur 8 Prozent ihrer Leser weiblich sind. Als sie | |
| fragten, wie das zu ändern sei, gab es viele negative Reaktionen im Sinne | |
| von: “jetzt soll es also oberflächlich, langweilig und seicht werden, damit | |
| es ein paar mehr Weiber interessiert“. Im Prinzip wird man damit als Frau | |
| für blöd erklärt. | |
| Man könnte das auch auszuhalten lernen... | |
| ...das ist eine absolut unzulässige Forderung. Ich weiß nicht wie viele | |
| Männer regelmäßig nach einer Meinungsäußerung gesagt bekommen “dein Schw… | |
| ist zu klein, dich müsste einer mal ordentlich von hinten vergewaltigen“. | |
| Ein Zeit-Redakteur hat mir mal erzählt, dass 92 Prozent aller widerlichen | |
| Feedbacks von Männern stammen. Warum sollen das Frauen aushalten müssen? | |
| Nicht die Frauen müssen einen anderen Umgang mit dem Problem lernen, das | |
| Problem muss verschwinden! | |
| Wie wollen Sie gegensteuern? | |
| Ich glaube in manchen Bereichen muss man stärker moderieren. | |
| Freiheit hat also Grenzen? | |
| Ich bin kein Freundin von Zensur, aber wenn ein Nichtmoderieren dazu führt, | |
| dass Menschen aus Furcht vor Konsequenzen ihre Meinungen nicht äußern, ist | |
| das auch eine Form von Zensur. Ich appelliere besonders an Männer, klare | |
| Position zu beziehen, wenn sie auf sexistische Kommentare von | |
| Geschlechtsgenossen stoßen. Wir brauchen einen gesellschaftlichen Diskurs, | |
| eine echte Debatte. | |
| Wie zum Beispiel? | |
| Total spannend finde ich die Aktion #Aufschrei auf Twitter. Ausgehend von | |
| einem einzigen Artikel berichten Tausende Frauen über ihre Erfahrungen von | |
| Alltagssexismus. Über die Veröffentlichungen von Julia Schramm waren auch | |
| Frauen erschrocken, sie ahnten nicht welches Ausmaß die Kommentare haben, | |
| da nur jene, die sich mit ihrer Meinung exponieren, diese Erfahrungen | |
| machen. Ohne diese breiten Debatten wird es keine gesellschaftliche | |
| Veränderung und Kulturwandel geben. | |
| Gibt es hierfür nützliche Projekte? | |
| Es gibt [1][hatr.org], wo sexistische Kommentare veröffentlicht werden. | |
| Reicht das, sich aufs Internet zu beschränken? | |
| Ja, weil es ums Internet geht. Ich würde mir wünschen, dass sexistische und | |
| menschenverachtende Kommentare auch von Medienwebsites mit dem Hinweis | |
| gelöscht werden, dass diese an hatr.org geschickt wurden. | |
| Sie sind für Sanktionen? | |
| Das ist ja keine Sanktion, naja irgendwie schon. Sexisten finden es schon | |
| schlimm, wenn ihre Kommentare nicht veröffentlicht werden. Einzelne | |
| Frauenblogs sind schon Partner von hatr.org. Was spricht denn dagegen, dass | |
| große Medien und Blogs mitmachen? Wie eine große Müllhalde des Internets | |
| für alles was sexistisch und menschenfeindlich ist. Man muss das Problem | |
| sichtbar machen, ohne die Frauen dabei zu verletzten. | |
| Frauen also vor Demütigungen schützen? | |
| Ja, das macht den Charme von hatr.org aus. Es zeigt das Problem in seinem | |
| Ausmaß, macht die Angreifer lächerlich und schützt die Frauen als | |
| Betroffene, die mit der Beleidigung nicht mehr in eine persönliche | |
| Beziehung gesetzt werden. | |
| Was ist mit anderen Minderheiten? | |
| Ich möchte eine Diskriminierung nicht gegen eine andere aufrechnen, davon | |
| abgesehen sind Frauen die Mehrheit. Natürlich ist meine Sensibilisierung | |
| als Frau eine andere, als ich sie hätte, wenn ich etwa ein Mann mit einer | |
| nicht-weißen Hautfarbe wäre. Man sollte nicht außer Acht lassen, dass sich | |
| Probleme potenzieren können, aber man sollte trotzdem jedes Problem auch | |
| gesondert betrachten. Es gibt ja auch Hunger auf der Welt - und in Relation | |
| dazu dürfte man auch nicht mehr über Sexismus sprechen. | |
| Anmerkung der Redaktion: Das Interview wurde am 8. Februar um einige | |
| verlängerte Antworten von Frau Domscheit-Berg aktualisiert. | |
| 6 Feb 2013 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://hatr.org/ | |
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