Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Anwalt zu Gesetzentwurf: „Abmahnen wird sich nicht lohnen“
> Rechtsanwalt Christian Solmecke, der schon Tausende Abmahnopfer vertreten
> hat, begrüßt den Plan der Regierung, Abmahngebühren zu deckeln.
Bild: Voll ätzend: Abgemahnt!
taz: Herr Solmecke, die Bundesregierung will die Abmahnkosten für
Urheberrechtsverletzungen auf 155,30 Euro beschränken. Wie soll das gehen?
Christian Solmecke: In dem Gesetzentwurf ist vorgesehen, dass der
Streitwert in Urheberrechtssachen in der Regel 1000 Euro beträgt. Bei
diesem Streitwert ergeben sich gesetzliche Abmahngebühren von 155,30 Euro.
In allen Fällen?
Es gibt mehrere Bedingungen. So muss sich die Abmahnung an eine
Privatperson richten. Außerdem darf die Deckelung der Abmahngebühren nicht
„unbillig“, also nicht unangemessen sein. Der Gesetzentwurf verweist dabei
auf die „besonderen Umstände des Einzelfalls“ sowie die Anzahl oder Schwere
der Rechtsverletzungen.
Und was heißt das konkret?
Das weiß man noch nicht. Der Gesetzentwurf enthält an den entscheidenden
Stellen viele unbestimmte Rechtsbegriffe, die die Gerichte in der Praxis
auslegen müssen.
Die Deckelung der Abmahngebühren könnte also leer laufen?
Davon gehe ich nicht aus. Die Deckelung sollte der Regelfall sein. Die
Intention des Gesetzentwurfs ist klar.
Es ist aber nicht der erste Versuch, die Abmahngebühren zu deckeln...
Stimmt. 2008 hat die damalige große Koalition eine Deckelung auf 100 Euro
beschlossen – „in einfach gelagerten Fällen mit einer nur unerheblichen
Rechtsverletzung“. Das hat aber nur bei manchen Urheberrechtsfällen
gegriffen, etwa wenn ein Ebay-Angebot mit einem fremden Photo illustriert
wurde. Soweit es um Tauschbörsen ging ist mir kein einziger Fall bekannt,
bei dem die Abmahngebühren auf 100 Euro beschränkt blieben.
Wie viele Fälle kennen sie?
In den letzten Jahren habe ich mit meinen 70 Mitarbeitern, davon 18
Anwälte, rund 30.000 Abmahnfälle bearbeitet – in aller Regel auf der Seite
der Abgemahnten.
Und warum hat die Deckelung bisher nicht geklappt?
Die Gerichte haben in Tauschbörsen-Fällen stets gesagt, dass der Fall
entweder nicht einfach gelagert ist oder die Urheberrechtsverletzung nicht
unerheblich war.
Wenn ein Jugendlicher ein aktuelles Pop-Album illegal herunterlädt, entgeht
der Plattenfirma doch nur eine Einnahme von rund 15 Euro...
Die Plattenfirmen stellen aber darauf ab, dass der Jugendliche das Album in
der Tauschbörse auch anderen – letztlich der ganzen Welt – zum kostenlosen
Download anbietet. So kommt man auf deutlich höhere Schadenssummen.
Was sagten die Gerichte dazu?
Die machten das mit, vor allem das Landgericht Köln, weshalb die
Plattenfirmen und ihre Anwälte gerne dort klagen. In Köln rechnet man einen
Streitwert von 10.000 Euro pro Song, das macht pro Album einen Streitwert
von 150.000 Euro. Daraus folgen Abmahnkosten von rund 2500 Euro, die dann
als scheinbar kulantes Vergleichsangebot auf zum Beispiel 1000 Euro
reduziert werden.
Warum soll die neue Deckelung der Abmahngebühren klappen, wenn die alte
auch nicht gewirkt hat?
Weil der Gesetzgeber mit der bisherigen Praxis offensichtlich unzufrieden
war und diese ändern wollte. Die Gerichte könnten die unbestimmten
Rechtsbegriffe künftig nicht einfach so auslegen, dass sich gar nichts
ändert.
Werden die Plattenfirmen dann statt Abmahngebühren eher Schadensersatz
verlangen?
Das ist ein naheliegender Gedanke, denn am Schadensersatz für
Urheberrechtsverletzungen will das Gesetz nichts ändern. Allerdings ist nur
derjenige schadensersatzpflichtig, der selbst Musik- und Filmdateien
illegal getauscht hat. Solange die Firmen nur den Anschlussinhaber kennen,
zum Beispiel die Eltern, und nicht wissen, wer im Haushalt die
Urheberrechtsverletzungen begangen hat, können sie auch keinen
Schadensersatz durchsetzen. Eltern haben auch keine Pflicht, regelmäßig die
Computer ihrer Kinder zu kontrollieren.
Kommt es zu einem Ende der Abmahnwelle, falls das Gesetz beschlossen wird?
Sicher nicht sofort. Die Platten- und Filmfirmen und ihre Anwaltskanzleien
werden erst mal weiter abmahnen und um die Auslegung des Gesetzes kämpfen.
Aber am Ende werden die Kanzleien wohl feststellen, dass sich das Abmahnen
als Massengeschäft nicht mehr lohnt. Entweder werden die Kanzleien dann von
den Firmen direkt bezahlt oder sie werden massiv Personal entlassen müssen.
Ist es nicht lukrativ genug, 153,50 Euro für einen Abmahn-Brief zu
verlangen?
Nein. Das Abmahngeschäft ist doch recht aufwändig. Erst muss festgestellt
werden, mit welcher IP-Adresse ein Song oder Film illegal angeboten wurde.
Zweitens muss eine gerichtliche Anordnung erwirkt werden, dass die
IP-Adresse beim jeweiligen Internet-Provider nicht gelöscht wird. Drittens
muss eine gerichtliche Anordnung erwirkt werden, dass der Internet-Provider
mitteilen muss, welchem Internet-Anschluss die IP-Adresse zur fraglichen
Zeit zugeordnet war. Viertens muss dies dann beim Internet-Provider
abgefragt werden. Erst dann weiß die Kanzlei, wem sie den Abmahn-Brief
schreiben kann.
Wenn die Abmahnkanzleien Personal entlassen, trifft das auch Sie?
Vermutlich. Wenn weniger abgemahnt wird, ist auch weniger anwaltlicher
Beistand erforderlich.
5 Feb 2013
## AUTOREN
Christian Rath
Christian Rath
## TAGS
Abmahnung
Abmahnanwälte
Abmahnung
Youtube
Internet
Google
Schwerpunkt Urheberrecht
## ARTIKEL ZUM THEMA
Gesetz gegen das Abmahnungswesen: Abmahnen soll sich nicht mehr lohnen
Ein Gesetzentwurf der Bundesregierung will finanzielle Anreize für
Fake-Unternehmen und Abmahnanwälte reduzieren.
Urheberrecht und Video-Einbettung: Die neue Abmahnchance?
In Webseiten eingebundene Onlinevideos könnten nach Einschätzung des
Bundesgerichtshofs Urheberrechte verletzen. Die Folgen für Nutzer sind
umstritten.
Verbraucherschutz im Netz: Ende der Abzocke in Sicht
Kennen Sie das? Im Internet rumgepfuscht und zack – eine Abmahnung für
Kosten kassiert, von denen Sie gar nichts wussten. Damit soll nun Schluss
sein.
Google und das Leistungsschutzrecht: Angstgesetz vs. Marktbeherrschung
Philipp Otto fürchtet beim Leistungsschutzrecht Rechtsunsicherheit und
Abmahnverfahren. Dietmar Wolff möchte lieber über Suchmaschinen
diskutieren.
Abmahnung bei CC-Lizenzen: Frei, nicht wurscht
Fehler bei der Quellenangabe können teuer werden: Nutzer, die Fotos der
Online-Wikipedia veröffentlichen, bekommen Probleme mit Abmahnanwälten.
Abmahnung wegen Hooliganfilm: Offliner-Oma soll "Raubkopiererin" sein
Kein PC, kein W-Lan und trotzdem soll eine 64-jährige einen Hooligan-Film
zum Download angeboten haben. Über ein verrücktes Urteil und wie es
zustande kam.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.