# taz.de -- Regierungskrise in Tunesien: Premier droht mit Rücktritt | |
> Die Krise in Tunesien spitzt sich zu. Auch die regierende Ennahda-Partei | |
> ist gespalten. Ministerpräsident Jebali droht mit Rücktritt. Die | |
> Präsidentenpartei verlässt die Regierung. | |
Bild: Demonstrationen: Am Samstag zeigten sich auch die Anhänger der regierend… | |
TUNIS dpa | Nach der Ermordung eines Oppositionspolitikers und | |
Massenprotesten in Tunesien tritt die politische Spaltung des | |
nordafrikanischen Landes offen zutage. Die Partei von Präsident Moncef | |
Marzouki hat am Sonnatg ihre drei Minister aus der von Islamisten geführten | |
Regierung abgezogen. Das teilte ein Sprecher der Partei Kongress für die | |
Republik (CRP) am Sonntag laut staatlicher Nachrichtenagentur TAP in Tunis | |
mit. Grund sei ein Streit um eine Regierungsumbildung. | |
Ministerpräsident Hamadi Jebali von der islamistischen Ennahda-Partei hatte | |
seit Wochen versucht, sich mit der CRP und dem dritten Koalitionspartner, | |
der sozialdemokratischen Ettakatol, auf ein neues Kabinett zu verständigen. | |
Die CRP hatte dabei für sich das Justiz- und das Außenministerium | |
beansprucht. | |
Auch in der regierenden Ennahda-Partei ist Streit entbrannt: Der als | |
moderat geltende Ministerpräsident Hamadi Jebali droht mit Rücktritt, falls | |
Ennahda der Bildung einer Regierung aus parteiunabhängigen Experten im Wege | |
steht. Der konservative Flügel um Parteichef Rachid Ghannouchi lehnt eine | |
solche Regierung ab. Noch am Sonntag wollte die Schura, das höchste | |
Parteigremium, über den künftigen Kurs entscheiden. | |
Jebali hatte am Samstag angekündigt, seine Kandidatenliste für eine | |
Technokraten-Regierung bis Mitte der Woche vorzulegen. Sollten diese | |
Vorschläge von den in der Verfassungsversammlung vertretenen Parteien ohne | |
weitere Abstimmung akzeptiert werden, bleibe er im Amt. Andernfalls werde | |
er sein Amt abgeben, sagte Jebali laut staatlicher Nachrichtenagentur TAP. | |
Trotz der angespannten Lage hält Präsident Moncef Marzouki an Parlaments- | |
und Präsidentenwahlen noch in diesem Jahr fest. Die Wahlen könnten um zwei | |
bis drei Monate auf einen Zeitraum zwischen Juni und Oktober verschoben | |
werden, sagte Marzouki in einem am Sonntag ausgestrahlten Interview des | |
arabischen Fernsehsenders Al-Dschasira. | |
## Präsident setzt auf neue Verfassung | |
Tunesien werde stabiler, wenn es eine neue Verfassung, einen neuen | |
Präsidenten und ein neues Parlament habe, sagte Marzouki. Dann könnten die | |
sozialen und wirtschaftlichen Probleme in Angriff genommen werden. Gründe | |
für die derzeitigen Probleme seien die lange Übergangsperiode zur | |
Demokratie sowie eine schwache Regierung. | |
Einen Vergleich der aktuellen innenpolitischen Krise mit der Revolution von | |
2011, die zum Sturz von Langzeitherrscher Zine el Abidine Ben Ali geführt | |
hatte, wies Ennahda-Chef Ghannouchi zurück. „Chokri Belaïd ist nicht | |
Bouazizi und ich bin nicht Ben Ali“, sagte er der algerischen Zeitung | |
Al-Khabar (Sonntag). | |
Die Selbstverbrennung Mohamed Bouazizis hatte 2010 Massenproteste in | |
Tunesien ausgelöst und schließlich zur Flucht des Diktators Ben Ali | |
geführt. Nach der Ermordung des Oppositionspolitikers Belaïd am vergangenen | |
Mittwoch war es in Tunesien erneut zu Unruhen gekommen. Die Opposition | |
wirft der Ennahda vor, hinter dem Attentat zu stecken. | |
Ghannouchi wies die Anschuldigungen als absurd zurück. Niemand in seiner | |
Partei profitiere von der Ermordung Belaïds. „Es ist sicher nicht im | |
Interesse der regierenden Partei, den Boden, auf dem sie steht, in die Luft | |
zu sprengen“, sagte Ghannouchi. Die Vorwürfe zielten darauf ab, die Ennahda | |
und ihre Mehrheit zu zerstören. | |
Nachdem Zehntausende Menschen am Freitag dem Trauerzug mit dem getöten | |
Oppositionspolitiker Chokri Belaïd das letzte Geleit gegeben hatten, | |
folgten am Samstag einige tausend Ennahda-Anhänger dem Aufruf zu einer | |
Gegendemonstration. Nach einem Generalstreik und den Ausschreitungen vom | |
Freitag herrschten in Tunesien am Wochenende aber weitgehend Ruhe und | |
Ordnung. Geschäfte und Restaurants öffneten wieder. | |
Marzouki beschrieb die tiefe Spaltung in Tunesien. Die größte Sorge der | |
Ärmsten im Land sei: „Sie waren arm vor der Revolution, und sie werden nach | |
der Revolution arm bleiben“, sagte der Präsident. Der andere Teil der | |
Gesellschaft befürchte, dass die Islamisten herrschen könnten, die Scharia | |
(islamische Rechtsprechung) und Religionsschulen eingeführt würden und | |
Frauen eine Burka tragen müssten. | |
10 Feb 2013 | |
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