# taz.de -- Die Wahrheit: Der irische König von Trinidad | |
> Eigentlich war er eine Knalltüte. Aber er hat den Engländern den Krieg | |
> erklärt, was ihn in irischen Augen etwas vorteilhafter erscheinen lässt. | |
Eigentlich war er eine Knalltüte. Aber er hat den Engländern den Krieg | |
erklärt, was ihn in irischen Augen etwas vorteilhafter erscheinen lässt. | |
James Harden-Hickey, Sohn irischer Emigranten, kam 1854 in San Francisco | |
auf die Welt, wuchs aber in Paris auf. Dort faszinierte ihn der Pomp am Hof | |
von Napoleon III., sodass er zum glühenden Anhänger der Monarchie wurde. | |
Mit 24 Jahren gründete er die Zeitung Triboulet, deren extrem | |
antidemokratische Ausrichtung ihm ein Dutzend Duelle, 42 Verleumdungsklagen | |
und 300.000 Franc Geldstrafe einbrachte, sodass die Zeitung pleiteging. | |
Harden-Hickey trat aus der katholischen Kirche aus, wurde Buddhist und | |
begann zu reisen. Er konnte es sich leisten, weil er die Tochter des | |
reichen Geschäftsmannes John Flagler kennengelernt hatte und sie später | |
heiratete. | |
Auf einer seiner Reisen geriet sein Schiff in einen Sturm, sodass er auf | |
Trinidad Schutz suchte – allerdings war es nicht das Trinidad vor der Küste | |
Venezuelas, sondern eine winzige Felsinsel 700 Seemeilen von Brasilien | |
entfernt, die auf kaum einer Landkarte verzeichnet ist. Harden-Hickey erhob | |
Anspruch auf die Insel, rief sich zum König von Trinidad aus und plante, | |
eine Militärdiktatur zu errichten. Das gelang ihm sofort, denn die Insel | |
war unbewohnt. | |
James I. von Trinidad eröffnete eine Botschaft in New York und begann, | |
Regierungsanleihen zu verkaufen. Den Grafen de la Boissiere machte er zu | |
seinem Außenminister. Er ließ Briefmarken drucken, deren Design er von | |
einer Marke aus Nordborneo abgekupfert hatte. Die Nachfrage war gering, | |
denn wer sollte aus Trinidad einen Brief verschicken? Da er den Drucker | |
nicht bezahlt hatte, schmiss der die meisten Marken weg, aber ab und zu | |
taucht eine auf einer Auktion auf und bringt dem Verkäufer eine Menge Geld | |
ein. | |
Als die Engländer 1895 ein Kabel nach Brasilien verlegten, kassierten sie | |
die Insel kurzerhand ein, denn sie lag genau auf dem Weg und war ein | |
idealer Stützpunkt für ein Zwischenlager. James I. blieben lediglich seine | |
selbst gebastelte Krone, ein Schiff und der Titel „König ohne Land“. Er | |
wandte sich an die US-Regierung und bat um Vermittlung, doch die | |
veröffentlichte den Brief und machte James dadurch zum Gespött New Yorks. | |
Aber er heckte einen Plan aus, um es allen zu zeigen. Er wollte England von | |
Irland aus angreifen und bat seinen Schwiegervater, den Feldzug zu | |
finanzieren, doch Flagler wies das törichte Ansinnen zurück. Also versuchte | |
er, seine mit dem Geld der Flaglers erworbene Ranch in Mexiko zu verkaufen, | |
aber die Summe hätte höchstens ausgereicht, um rund zwei Dutzend Leute zu | |
rekrutieren. | |
Es erschien selbst ihm zu riskant, mit diesem Haufen das britische Imperium | |
zu attackieren, und so verfiel er in tiefe Depressionen.„Es ist besser, gut | |
zu leben, als lange zu leben“, hatte er in seinem Buch „Die Ästhetik des | |
Suizids“ geschrieben, „und oftmals bedeutet gut zu leben, nicht lange zu | |
leben.“ Man fand ihn in einem Hotel im texanischen El Paso. Er hatte eine | |
Überdosis Morphium genommen, vorgestern war sein 115. Todestag. Auf dem | |
Nachttisch lag seine Krone. | |
11 Feb 2013 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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