# taz.de -- Die Wahrheit: Glück durch Gülle | |
> Es gibt nichts Schöneres als das Landleben, behaupten zumindest die | |
> Wahrheit-Leser und berichten aus ihrem persönlichen Pomeranzen-Paradies. | |
Bild: Der Landmann pflügt die Scholle – so geht's zu auf dem Lande | |
Viele Menschen, denen ihre städtische Existenz aus allen Löchern rauskommt, | |
träumen von einem rundherum natürlich gepolsterten Leben auf dem Land. | |
Immer mehr bleiben nicht in ihren Träumen hängen, sondern schaffen es | |
leibhaftig, ziehen aufs Dorf und trinken in vollen Zügen die Ruhe und die | |
schöne Luft, sobald sie das Fenster schließen. Manche tauchen sogar richtig | |
ein und bauen Schweine an, ziehen Weizen groß und werden überzeugte | |
Landwirte, die morgens mit der Sonne aus dem Bett kugeln und abends mit dem | |
Mond den Tag zuklappen. Wie geht es diesen Personen, was denken sie in | |
ihrem Kopf? Hier einige Erfahrungsberichte, die die Wahrheit bei einer | |
kleinen Umfrage unter ihren landgestützten Lesern geerntet hat. | |
Gernot W. aus Klein-P. berichtet zufrieden: „Diesen Brief schreibe ich mit | |
dem linken Fuß. Den rechten habe ich nämlich vor Kurzem im Mähdrescher | |
verloren, nachdem ich bei der Kartoffelernte bereits den linken Arm | |
eingebüßt hatte. Ich suchte meine Lesebrille, um in der Gebrauchsanleitung | |
nachzuschauen, und geriet dummerweise mit der Hand in den Kartoffelroder. | |
Die rechte war mir ja kurz zuvor abgeschnitten worden, als ich meinen Sohn | |
aus dem Scheibenpflug ziehen wollte. Na ja, Hauptsache, man verliert nicht | |
den Kopf! Ich melde mich wieder, muss jetzt erst mal die Häckselmaschine | |
reparieren.“ | |
Auch Heidrun K. aus E. fühlt sich wohl: „Ich lebe nicht anders als in der | |
Stadt. Mein Mann fährt zur Arbeit, und ich blättere ein wenig in der | |
Landlust, in der Landliebe, dem Landfrieden und den Landfreuden, habe auch | |
Der schöne Garten, Schöner Gärtnern und Schönere Gärtner abonniert und | |
striegele täglich mein Reitpferd oben und unten. Kommen Sie doch auch mal | |
zum Striegeln vorbei!“ | |
Glücklich ist auch Rolf-Ralf B. aus Hinter-F.: „Wir alle sind eine große, | |
harmonische Familie. Die Schweine grunzen vor Glück, wenn ich den Stall | |
betrete, die Kühe muhen freudig, wenn ich mit meinen Händen zum Melken | |
komme, der Mais winkt mir mit seinen vollen Kolben zu, die Luft schmeckt | |
wie frisches Rasierwasser, das Licht ist wie Honig. Dann reibe ich mir den | |
Schlaf aus dem Gesicht, stehe auf und beginne vor dem Frühstück mit der | |
Arbeit. Frühstück ist ja erst um halb sechs.“ | |
Susi S. aus W.-Dorf schätzt das Unkomplizierte: „Nach dreißig Jahren | |
Stadtleben bin ich aufs Land gezogen und finde mich mittlerweile prima | |
zurecht. Wenn ich Lebensmittel einkaufen muss, fahre ich einfach in die | |
Stadt. Wenn ich neue Schuhe brauche, fahre ich einfach in die Stadt. Wenn | |
ich neue Hosen haben will, fahre ich einfach in die Stadt. Wenn ich morgens | |
Lust auf frische Brötchen habe, fahre ich einfach in die Stadt. Wenn ich | |
einfach mal in die Stadt fahren will, fahre ich einfach in die Stadt. Und | |
wenn ich einfach mal auf dem Land bleiben will, bleibe ich einfach hier. | |
Klasse!“ | |
Regelrecht traumhaft findet Holger U. aus H. das Landleben: „Das Land | |
übertrifft meine kühnsten Träume. Ich konnte schon immer gut mit Tieren, | |
und jetzt habe ich endlich jeden Tag mit ihnen hautnah Umgang. 27.000 | |
werden hier in der Stunde geschlachtet, 11 Millionen im Monat, 135 | |
Millionen im Jahr. Ich weiß, die einen sagen jetzt so, die anderen so, | |
aber, liebe Leute, ihr müsst wissen: Die Natur ist nie grausam!“ | |
Christoph H. aus Ober-B. schildert: „Als ich aufs Land zog, hatte ich | |
anfangs total Probleme, weil die Dörfler hom mä allweil verhotzen dadn. | |
Aber mit der Zeit wurd’s echt cool, dö Dauderspezln hom wias Ibaggln gmiggt | |
und waren super drauf. Die schergettn Einheimischen san in Wahrheit dö | |
dodaln Batznbrummen, 100 pro! I ko eich nur megageil hoblfoddsn | |
runzenbunzen obaschnaggern: Kummer dads amecha aa!“ | |
Ambivalent sind die Erlebnisse von Horst M. aus N.: „Komisch, alle zeigen | |
mit dem Finger auf mich und lachen, wenn ich mal wieder auf dem Dorfplatz | |
stehe und die Hose vergessen habe. Auch im Gemeindehaus grinsen sie, wenn | |
ich einen abgebrochenen Zweig, einen Batzen Erde oder eine tote Maus | |
mitbringe und dafür einen Lolli will oder einen Schuh oder vielleicht eine | |
Briefmarke, aber nur die Vorderseite, die ist doch viel schöner, oder? Ich | |
mag Menschen und Tiere und spreche natürlich auch mit den Blumen oder einem | |
Pfosten am Wegrand. Gern sage ich auch den Leuten Bescheid, die mich nach | |
dem Weg fragen, meistens sind es sowieso welche aus dem Dorf. Das ist | |
lustig, ich lache den ganzen Tag. Wie ernst war es dagegen früher in der | |
Stadt, wo ich Direktor einer Bank war!“ | |
Anna-Sophie X. aus Y. ist dankbar: „Ich fahre jetzt jeden Morgen mit dem | |
Auto 30 Kilometer zur Arbeit in die Stadt und abends wieder zurück in mein | |
Dorf. Der Berufsverkehr auf den Zubringerstraßen mit seinen Staus, seinem | |
Lärm, seinen Abgasen und den ewigen Unfällen mit den Schulkindern ist | |
gewiss lästig, aber das nehmen die Städter gern in Kauf, weil ich dafür in | |
gesunder Umgebung inmitten einer intakten Natur wohne. Danke!“ | |
So weit die großartigen Erfahrungen einiger Wahrheit-Leser, die ihre Nase | |
nicht länger in der vergifteten Stadt spazieren führen, sondern die gesunde | |
Landluft in ihre Birne lassen. Und Sie? | |
24 Feb 2013 | |
## AUTOREN | |
Peter Köhler | |
## TAGS | |
Landwirtschaft | |
Landleben | |
Pferdefleisch | |
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