Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ein Mythos im Eiskunstlauf: Wiederkehr des Boleros
> Das deutsche Eiskunstlauf-Paar Aljona Savchenko/Robin Szolkowy wagt sich
> bei der Weltmeisterschaft in Kanada an ein Heiligtum.
Bild: Savchenko (l.) und Szolkowy (r.) wollen künstlerisch punkten.
Der Bolero auf dem Eis? Der Tanz nach den Klängen des französischen
Komponisten Maurice Ravel ist im Eiskunstlauf untrennbar mit den britischen
Eistänzern Jayne Torvill und Christopher Dean verbunden. Bei den
Olympischen Spielen 1984 in Sarajevo zauberten sie ein Kunstwerk auf das
Eis, das ihnen neunmal die damalige Traumnote 6,0 für die künstlerische
Umsetzung bescherte.
Die Wertung ist unübertroffen. Die Briten schrieben Sportgeschichte, wurden
zur Legende, und seitdem hat sich niemand mehr an den Bolero herangetraut.
Denn zu groß ist die Gefahr, mit den Briten verglichen zu werden und dem
Vergleich nicht standzuhalten.
Gleich zwei amtierende Weltmeister interpretieren jedoch nun bei den
Weltmeisterschaften in Kanada, deren Wettbewerbe am Mittwoch beginnen, die
geschichtsträchtige Musik: die Italienerin Carolina Kostner bei den Frauen
und die Deutschen Aljona Savchenko/Robin Szolkowy im Paarlaufen. Ingo
Steuer, Trainer des Chemnitzer Erfolgsduos, wehrt ab, wenn er auf den
Vergleich mit Torvill/Dean angesprochen wird. „Daran können und wollen wir
uns nicht messen. Wir machen Paarlaufen, die Briten waren Eistänzer. Und
wir erzählen unsere eigene Geschichte.“
## Stasivergangenheit des Trainers
Wenn Steuer von seinem Paar spricht, sagt er „wir“. Er ist mit seinem
Erfolgsduo verwachsen, das mit ihm wegen seiner Stasivergangenheit durch
dick und dünn gegangen ist. Beharrlich hält sich das Gerücht, die gebürtige
Ukrainerin Aljona Savchenko sei jenseits des Eises die Frau an der Seite
ihres Trainers.
Der Unterschied zwischen Paarlaufen und Eistanzen ist aber nicht der
wichtigste Unterschied zwischen Savchenko/Szolkowy und Torvill/Dean. In den
achtziger Jahren, als die Briten ihre Medaillen holten, war Eiskunstlauf
eine populäre Sportart. Eine wichtige Voraussetzung, die die Briten zur
Legende werden ließ. Direktübertragungen im öffentlich-rechtlichen
Fernsehen waren eine Selbstverständlichkeit. „Das war auch noch so, als ich
mit meiner Partnerin Mandy Wötzel lief“, erinnert sich Steuer. Im Jahre
1998 beendeten sie ihre Karriere.
Heute überträgt selbst der Spartensender Eurosport nicht mehr alle
Wettbewerbe. Eiskunstlauffans sind oft auf Livestreams im Internet
angewiesen. Auch die ARD will dieses Jahr die Kür im Paarlaufen nur online
zeigen. Nicht unbedingt eine gute Voraussetzung für Legendenbildung.
Diese Saison war für die einzigen deutschen Eiskunstläufer, die in Kanada
für eine Medaille gehandelt werden, keine gute. Im Herbst zog sich Aljona
Savchenko einen hartnäckigen Infekt zu. Die beiden ließen die
Grand-Prix-Serie aus, die ihnen wichtige Preisgelder eingebracht hätten,
Shows und die Deutschen Meisterschaften. „Da war es wichtig, dass Aljona
und Robin endlich einen Großsponsor haben und die finanziellen Einbußen
verkraften konnten“, sagt Steuer.
## Auf Formsuche
Von der Deutschen Eislauf-Union bekommt das Spitzenpaar kein Honorar für
ihren Trainer wegen dessen Stasivergangenheit. Preisgelder und
Unterstützung durch Kleinsponsoren waren bis letzte Saison die wichtigsten
Einnahmen. Jetzt haben sie ein Schweizer Investmenthaus als Geldgeber
gewonnen – das klingt nach viel Geld. Zu den Europameisterschaften im
Januar waren die deutschen Titelverteidiger noch nicht in Höchstform.
Aljona Savchenko stürzte bei einem Dreifachsprung. Sie gewannen Silber
hinter den Russen Tatjana Wolossoschar/Maxim Trankow, international ihre
ärgsten Konkurrenten.
Zu dem Weltmeisterschaften kommen weitere Konkurrenten aus China hinzu.
„Aber wir sind wieder fit und wollen den Titel verteidigen“, sagt Ingo
Steuer. Da ist es wieder, das „wir“. „Wir werden sehen, ob wir unsere
Trainingsleistung zeigen können und was am Ende die Preisrichter sagen.“ Ob
sie den dreifachen Wurfaxel zeigen, eine Höchstschwierigkeit, die sie in
der vergangenen Saison erstmals präsentierten und die neben ihnen kein
weiteres Paar beherrscht, „entscheiden wir vor Ort“. Möglicherweise werden
sie aber vor allem mit der künstlerischen Interpretation punkten wollen.
Die Italienerin Carolina Kostner, die in Oberstdorf im Allgäu trainiert,
hatte sich von ihrem Trainer Michael Huth ermutigen lassen, sich ebenfalls
an den Bolero heranzuwagen, der nach ihren Worten schon immer ihr Traum
war. Bei der EM im Januar brachte ihr das den Titel. Ob sich Kostner gegen
starke Konkurrentinnen aus Korea und Japan durchsetzen kann, ist allerdings
höchst ungewiss. Die deutsche Vertreterin Nathalie Weinzierl kann in dieser
Klasse nicht mithalten. Für die Mannheimerin ist das Ziel, ein deutsches
Olympiaticket zu erlaufen.
11 Mar 2013
## AUTOREN
Marina Mai
Marina Mai
## TAGS
Eiskunstlauf
Stasi
Aljona Savchenko
Robin Szolkowy
Eiskunstlauf
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
## ARTIKEL ZUM THEMA
Deutsche Meisterschaften im Eiskunstlauf: Elitepartner auf Eis
Im deutschen Paarlauf tut sich was: Das Spitzenduo Minerva Hase und Nolan
Seegert will in die internationale Spitze vorstoßen.
Kein Olympia in Wien: Einsames Stadtoberhäupl
Wiens Bevölkerung lehnt in einer Volksbefragung eine Olympiabewerbung ab.
Statt in riesige Sportstätten sollte die Stadt in die maroden
Trainingsanlagen investieren.
Urteil des Bundesgerichtshofs: Steuer darf Sportsoldaten trainieren
Trotz seiner Stasi-Vergangenheit darf Eiskunstlauftrainer Ingo Steuer auch
Sportsoldaten trainieren. Der Bundesgerichtshof gab Steuers Klage gegen den
Bund statt.
Eiskunstläufer am Existenzminimum: Finanziell im freien Fall
Die deutschen Paarläufer Mari Vartmann und Aaron Van Cleave werden
vollkommen überraschend EM-Fünfte – völlig ohne finanzielle Unterstützung.
Eiskunstlauf-Meisterschaft: Flüchtige Küsse
Bei den deutschen Meisterschaften ist die Stimmung wie selten. Die
Zuschauer geraten beim Sieg von Stefan Lindemann aus dem Häuschen. Doch es
gibt auch Schattenseiten.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.