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# taz.de -- Kein Olympia in Wien: Einsames Stadtoberhäupl
> Wiens Bevölkerung lehnt in einer Volksbefragung eine Olympiabewerbung ab.
> Statt in riesige Sportstätten sollte die Stadt in die maroden
> Trainingsanlagen investieren.
Bild: Die Lust auf Großereignisse ist vergangen: Ein Sportfeuerwerk wie nach d…
WIEN taz | Die Wiener lassen sich nicht einmal mehr von ihrem eigenen
Bürgermeister für dumm verkaufen. Michael Häupl, der sozialdemokratische
Vorsitzende Wiens, wollte am Beginn eines Wahljahres mit einer
Volksbefragung den Schein seiner Volkstümlichkeit und die Chancen der
Sozialdemokratischen Partei wahren.
Neben Fragen nach der Zukunft der Parkraumbewirtschaftung, der
Privatisierung von zentralen Dienstleistungen (Wasser, Spitäler, Energie)
und der Entwicklung erneuerbarer Energieträger erkundigte er sich bei den
Bewohnern, ob man sich für die Austragung der Olympischen Sommerspiele 2028
bewerben solle. Das am Dienstag verlautbarte vorläufige Endergebnis: 28,06
Prozent ja, 71,94 Prozent nein.
„Für mich ist die Frage der Olympiabewerbung Wiens erledigt“, sagte Häupl.
„Ich finde es persönlich schade.“ Das Ergebnis zeige jedenfalls, dass die
Bewerbungsfrage alles andere als eine „Wischiwaschi-Frage“ gewesen sei. An
dieser Stelle muss man fragen, ob Häupl noch zeitweise aus seinem Büro, in
dem locker ein Hallenfußballspiel stattfinden könnte, auf die Straßen und
in die Hallen geht.
Denn die gesamte Aktion war eine Verhöhnung der direkten Demokratie: die
Wiener Stadtbürokratie hielt es vor der Volksbefragung nicht einmal der
Mühe wert, die Stimmbürger über die Kosten einer Olympiabewerbung zu
informieren. Spekulationen schwankten zwischen zehn und 100 Millionen. Die
Kosten der Spiele selbst betrugen in London 2012 angeblich mindestens 13
Milliarden Euro. Das ist rund ein Fünftel der österreichischen
Staatsausgaben 2012.
Verständlicherweise hatten die Wiener, gewitzt durch Finanzierungs- und
Planungsdebakel beim Ausbau des Wiener Flughafens (rund 400 Millionen Euro
Mehrkosten), Angst vor den Risiken. Dazu kommt, dass sich Häupl (63) seit
seinem Amtsantritt 1994 als unfähig erwiesen hat, die sportliche
Infrastruktur der Stadt auszubauen oder auch nur aufrechtzuerhalten.
## Unfreiwillige Selbstironie
Nur der Profifußball, vertreten durch Häupls große Liebe Austria Wien und
deren Konkurrenten Rapid, wird über den Umweg von Stadionbauten und
-renovierungen großzügig subventioniert. Fast alle anderen Sportarten
vermissen in Wien zeitgemäße Wettkampf- oder Trainingsstätten.
Die Selbstbezeichnung der Kommune als „Sportstadt“ ist unfreiwillige
Selbstironie. Wiens einziges 50-Meter-Schwimmbecken ist leck. Die Schwimmer
üben in einem Dauerprovisorium, einer zugigen, aufblasbaren Plastikhalle.
Die Millionenstadt hat kein Ballsportzentrum, kein Leichtathletikstadion,
das Radstadion war asbestverseucht und ist altersschwach. Das Kontrollamt
der Stadt erzwang vor kurzem die Schließung vieler Ställe im
Galoppreitverein Freudenau wegen akuter Einsturzgefahr.
Eine Ausnahme bildet die renovierte Halle des Eishockeyklubs Vienna
Capitals. Der Klub organisierte das Projekt mit der städtischen Förderung
von 45 Millionen Euro selber. Ganz gegen die Wiener Regel wurde das
Vorhaben innerhalb des Kosten- und Zeitrahmens fertiggestellt.
Natürlich wären Sommerspiele ein schönes Fest in dieser kleinen Stadt. Aber
Wien braucht, wie der prominente Leichtathletiktrainer Wilhelm Lilge
feststellt, vor allem Trainingsstätten. Olympiagerechte Wettkampfstätten
sind für diese Stadt überdimensioniert, und die Frage der Nachnutzung hat
schon größere Metropolen wie Sydney und Athen überfordert.
In der selbst geschaffenen Sportstättenwüste fragte das Wiener Rathaus, ob
es Olympische Spiele organisieren solle. Nicht einmal ein Drittel der
Wiener würdigte Häupl einer Antwort. Nicht das erste Signal, dass sich die
seit vielen Jahrzehnten im Wiener Rathaus unangefochten regierende
Sozialdemokratie von ihrem einst weltweit wegweisenden Projekt „Rotes Wien“
entfremdet hat.
Häupl riskiert, ein großes Erbe dem Gelächter preiszugeben. Sollte er diese
in den Antworten und Nicht-Antworten verborgene Botschaft gehört haben, war
die 7 Millionen Euro teure Volksbefragung vielleicht doch nicht vergebens.
12 Mar 2013
## AUTOREN
Johann Skocek
## TAGS
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Wien
Volksbefragung
Hitler
Eiskunstlauf
Doping
Österreich
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