# taz.de -- Kolumne Über Ball und die Welt: Der Kick aus Rom | |
> Trotz des Konklaves hält die 16 Mannschaften starke Vatikanliga den | |
> Spielbetrieb aufrecht. Soll doch die ganze Welt per Livestream auf einen | |
> Schornstein starren. | |
Bild: Bolzen im Schatten der großen Kirche: die Vatikan-Liga. | |
Füllt der neue Papst Fußballstadien? Ernsthafte Zweifel daran, dass auch | |
der Neue, wenn der weiße Rauch in den Kurven erst mal verflogen ist, die | |
Massen in moderne Fußballarenen mit lustigen Namen ziehen wird, gibt es | |
nicht. Doch die Frage ist, ob der Neue an Gottes Seitenauslinie wirklich | |
eine anständige Präsenz auf dem Platz hinlegen kann. Ob er also würdig ist, | |
als Stellvertreter von Fußballgöttern wie [1][Toni Turek], [2][Diego | |
Maradona] oder [3][Jürgen Kohler] bejubelt zu werden. | |
Im Vatikan hat man daran seine Zweifel. Schließlich geht dort trotz | |
Konklave gegenwärtig der Fußballbetrieb weiter. Wie in anderen | |
Gottesstaaten auch, ist das Fußballstadion der einzige öffentliche Ort, an | |
dem es zu massenhaftem Protest kommen kann. Das wissen auch die | |
Vatikan-Oberen, wo man vorsichtshalber gar keinen Fußballplatz gebaut hat. | |
Da muss die 16 Mannschaften starke [4][Vatikanliga,] die nur fünf Spieler | |
pro Team erlaubt, nach Primavalle ausweichen, einem Stadtteil von Rom. Die | |
Vatikanliga kickt derzeit, wie und wo sie immer zwischen Februar und Mai | |
kickt. Und niemand kommt auf die Idee, den Spielbetrieb zu unterbrechen, | |
nur weil die gesamte katholische Welt gerade gebannt den Livestream vom | |
Schornstein der Sixtinischen Kapelle verfolgt. | |
Schießen statt schauen, ballern statt beten – das kann man schon als | |
mangelnden Respekt deuten. Schließlich ist es für die in der Vatikanliga | |
kickenden Priester und Seminaristen selbstverständlich, beispielsweise am | |
Karfreitag nicht zu kicken. Dabei war das ja kirchenhistorisch betrachtet | |
auch nichts anderes als der Anpfiff zur Suche nach einem neuen | |
Stellvertreter auf Gottes Fußballacker. | |
## Toewart Wojtyla | |
Von Karol Wojtyła, der als Johannes Paul II. auf den Plätzen der Welt | |
wirbelte, war bekannt, dass er in seiner Jugend als Torwart spielte und | |
später in – mindestens – drei Fußballvereinen Mitglied war: FC Barcelona, | |
Schalke 04 und bei der Bunten Liga in Deutschland. Den polnischen | |
Erstligisten KS Cracovia hat Wojtyła leidenschaftlich supportet. | |
Vom bisherigen Papst, Joseph „Benedikt XVI.“ Ratzinger, ist so etwas nicht | |
bekannt, auch keine nennenswerten fußballerischen Leistungen, ja nicht mal | |
irgendwelche Leidenschaften. Immerhin, der italienische Erstligist Lazio | |
Rom, obzwar nicht gerade für seine nächstenliebenden Fans bekannt, schenkte | |
Ende Januar dem scheidenden Spielführer ein Trikot, auf dessen Rücken | |
„Joseph Ratzinger“ gedruckt war. | |
Und tatsächlich, so ganz fern stand Ratzinger dem Fußball nicht. 1978 | |
nämlich, also in einem Jahr, in dem der deutsche Fußball international | |
gerade darniederlag (WM-Aus gegen Österreich nach der Schande von Cordoba, | |
Besuch von Nazi-Oberst Rudel im DFB-Camp), meldete sich Ratzinger, damals | |
Erzbischof von München und Freising, zu Wort. „Fußballbegeisterung kann | |
mehr sein als bloße Unterhaltung“, war ein Text von ihm in der Tagespost | |
aus Würzburg betitelt. | |
Die Begeisterung für den globalen Kick zeige, so Ratzinger, „dass hier | |
etwas Urmenschliches angesprochen sein muss, und es steht die Frage auf, | |
worin diese Macht des Spiels begründet liegt“. Die Antwort fand er schnell: | |
Der Fußball erschien ihm als „das Heraustreten aus dem versklavten Ernst | |
des Alltags“. Aber nicht etwa ein Heraustreten, um anschließend etwas | |
Schöneres zu machen, sondern so ziemlich das Gegenteil: Das Kicken war ihm | |
„Einübung ins Leben“. | |
## In Richtung „verlorenes Paradies“ | |
Und, um gleich noch eine autoritäre Fantasie nachzuschieben, lobte | |
Ratzinger den Fußball, dieser nötige den Menschen, sich selbst zu | |
züchtigen; er war ihm „die Vorübung des Lebens und die Überschreitung des | |
Lebens in Richtung des verlorenen Paradieses“. | |
Das also ist das Erbe, das der neue Papst antritt: Der eine Vorgänger, | |
Ratzinger, hat ihm wirres sportphilosophisches Gekritzel hinterlassen, das | |
arg an Sepp Herberger und Felix Magath erinnert. Vom anderen, dem Polen | |
Wojtyła, müssten in irgendeiner Schublade in den Gemächern noch die | |
Ehrenmitgliedskarten dreier grundsympathischer Fußballklubs lagern. | |
13 Mar 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://www.youtube.com/watch?v=Mjh9rMaMY8U | |
[2] http://www.youtube.com/watch?v=jk-kXwjASEE | |
[3] http://www.youtube.com/watch?v=7GpU9QBnTv8 | |
[4] http://de.wikipedia.org/wiki/Fu%C3%9Fball_im_Vatikan | |
## AUTOREN | |
Martin Krauss | |
## TAGS | |
Konklave | |
Fußball | |
Fifa | |
Jorge Mario Bergoglio | |
Fernsehshow | |
Ägypten | |
Saudi-Arabien | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kolumne Über Ball und die Welt: Für die tägliche Papstvisite | |
Das WM-Stadion in Kapstadt verursacht nur Kosten und nutzt niemandem etwas. | |
Abhilfe könnten nur ständige Großevents schaffen. | |
Papst Franziskus: Die neue Bescheidenheit | |
Kein Prunk und Protz: Der neue Papst, Franziskus I., wirkt wie ein | |
Landpfarrer. Schlicht gekleidet, kleine Wohnung und er nimmt den Bus. | |
Kolumne Über Ball und die Welt: Das Ende der britischen Hegemonie | |
Fußball ist die zur Globalisierung passende Körperkultur. Das hat man jetzt | |
auch auf den Fidschiinseln erkannt und in eine neue große Fernsehshow | |
gepackt. | |
Kolumne Über Ball und die Welt: Ultrademokratischer Sport | |
Ohne die Fußballfans wäre Husni Mubarak als ägyptischer Präsident nicht | |
vertrieben worden. Was machen sie heute? | |
Kolumne Ball und die Welt: Das Sandaffen-Problem | |
Die Elf der Vereinigten Arabischen Emirate trägt den Spitzenamen „Al | |
Abyad“. Der Asiatische Fußballverband patzte beim Übersetzen, eklatant! | |
Kolumne Über Ball und die Welt: Kopfgeld statt Ablöse | |
Er komponiert und singt Protestlieder gegen das syrische Regime. Außerdem | |
ist Abdelbasset Sarout ein Profifußballer, auf dessen Kopf ein Preis | |
ausgesetzt ist. |