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# taz.de -- Kolumne Über Ball und die Welt: Kopfgeld statt Ablöse
> Er komponiert und singt Protestlieder gegen das syrische Regime. Außerdem
> ist Abdelbasset Sarout ein Profifußballer, auf dessen Kopf ein Preis
> ausgesetzt ist.
Abdelbasset Sarout ist Profifußballer und umgerechnet 50.000 Euro wert. So
hoch ist das Kopfgeld, das auf den Torwart der syrischen Olympiamannschaft
ausgesetzt wurde, glaubt man Gerüchten, die im bürgerkriegsgeplagten Land
kursieren. Derzeit ist Sarout vor allem Aktivist der Opposition in der
Stadt Homs. Und er personifiziert die Politik des Fußballs wie kaum ein
anderer im Land.
Dass der 20-jährige Sarout derzeit nicht Fußball spielt, liegt also nicht
daran, dass Syrien die Qualifikation für das olympische Turnier in London
verpasst hat. Nicht mal beim für den syrischen Fußball sensationellen
2:1-Sieg über Japan im Februar war Sarout beteiligt.
Als das Spiel wegen des Bürgerkriegs im Nachbarland Jordanien ausgetragen
wurde, waren zwei syrische Fangruppen da: Anhänger des Diktators Assad auf
der einen Seite – und auf der anderen Seite Anhänger der Opposition, die
demonstrativ Japan unterstützten, damit Assad sich nicht mit einer
Olympiateilnahme der Fußballer schmücken kann.
Auch Sarout will nicht, dass syrische Athleten nach London fahren. „Ich
weiß, dass die Mehrheit der Sportler nicht teilnehmen will.“ Im November
2011 sagte das Regime die Teilnahme an den Panarabischen Spielen in Qatar
ab – aus Angst vor Protesten der eigenen Sportler.
## Spurlos verschwundene Fußballer
Ein anderer syrischer Torwart, sogar die Nummer eins der syrischen
Nationalelf, Mosab Balhous, wurde vergangenen August verhaftet. Er soll,
behauptete das Regime, an gewaltsamen Demonstrationen beteiligt gewesen
sein. Von ihm hat man seither nichts mehr gehört. Es gibt noch einen
dritten Fußballer, Ahmed al-Shaban, der verschwunden sein soll – die
Gerüchte überschlagen sich.
Balhous’ Verhaftung empörte Sarout so sehr, dass er seine Fußballerkarriere
faktisch aufgab; der Verband hat ihn lebenslang gesperrt. Einer kanadischen
Journalistin sagte er: „Die Rechte des Volkes verteidigen, das ist
wirklicher Ruhm.“ Sarouts Bruder und Onkel wurden getötet, und auch auf ihn
soll es schon mehrere Anschläge gegeben haben.
„Meine Botschaft als Fußballer, Sportler und Aktivist ist, dass wir hier
gerade ein Massaker erleben und dass die Welt dazu schweigt.“ Sarout
schweigt nicht. Bei Großdemonstrationen der Opposition singt er gerne;
viele Lieder der Protestbewegung hat er komponiert. Das hat ihm den
Spitznamen „Kanarienvogel“ eingebracht. Sein Mut, mit dem er sich auf der
Bühne zeigt, hat ihn populär gemacht. Das syrische Regime bezichtigt ihn,
ein Salafist zu sein, ein Vertreter des Islamismus.
## Vorbereitung auf das Märtyrerdasein
„Das sind wir nicht“, sagt Salut. Ganz so klar ist das nicht. Er hat etwa
öffentlich die Mütter Syriens aufgerufen, ihre Söhne auf ein Märtyrerdasein
vorzubereiten. Gleichzeitig gehört Sarout zu den wenigen Sprechern der
islamischen Opposition, die auch auf Christen zugehen. Und vor einer
riesigen Menge in Homs rief er: „Ich erkläre, bei gesundem Geist und aus
eigenem Willen, dass wir, das freie syrische Volk, nicht zurückweichen, bis
unsere einzige Forderung ist erfüllt: der Sturz des Regimes.“
Die politischen Ziele Sarouts mögen nicht klar sein, vielleicht sogar ihm
selber. Auch darin dürfte er dem Zustand der gegenwärtigen syrischen
Oppositionsbewegung ähnlich sein. Aber er verarbeitet das, was ihn der
Fußball übers Leben gelehrt hat, für die derzeitige syrische Revolution.
„Ich bin durch die ganze Welt gereist, um Fußball zu spielen“, sagte Sarout
in einem Interview mit dem TV-Sender al-Dschasira. „Aber bei Freiheit geht
es nicht nur um mich und nicht nur ums Reisen. Was ist mit den anderen?
Freiheit ist ein großes Wort, es geht um Redefreiheit und Meinungsfreiheit.
Wenn etwas falsch läuft, dann muss es möglich sein, darüber zu sprechen.“
Das ist die große Leistung von Abdelbasset Sarout: dass er den
verzweifelten Versuch des Assad-Regimes, mithilfe einer erfolgreichen
Nationalmannschaft und eines funktionierenden Ligabetriebs zu zeigen, wie
normal es in Syrien zugehe, aufbricht. Fußball mag ein Regime stabilisieren
können. Fußballer und Fans mögen das nicht – zumindest nicht immer.
11 Jul 2012
## AUTOREN
Martin Krauss
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