# taz.de -- 130.-133. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess II: „Die Kongolesen s… | |
> „Sie schreien immer, weil sie Angst haben“: Ein ehemaliger FDLR-Kämpfer | |
> plaudert über den Umgang mit kongolesischen Regierungssoldaten. | |
Bild: „Sie konnten dir was verkaufen“: Kongolesische Soldaten auf Patrouill… | |
Der demobilisierte FDLR-Kämpfer I, der während seiner Befragung zwischen | |
dem 28. Januar und 6. Februar viel über die Vorgeschichte der Miliz befragt | |
wird, hat auch viel über seinen Alltag bei der FDLR in Nord-Kivu zu | |
erzählen. | |
Seine Angaben ähneln den Schilderungen anderer, die vor ihm im | |
Kriegsverbrecherprozess gegen die beiden FDLR-Führer Ignace Murwanashyaka | |
und Straton Musoni vor dem OLG Stuttgart ausgesagt haben. Aber er liefert | |
einige interessante neue Details. | |
So war die Kohabitation der beiden Bestandteile der FDLR in Kivu zunächst | |
nicht einfach - 2002-03 waren die damals noch in Kongos Regierungsarmee | |
kämpfenden ruandischen Hutu-Kämpfer in den Ostkongo gegangen, um zu den | |
dortigen ruandischen Hutu-Untergrundkämpfern zu stoßen und den FDLR-Staat | |
im Ostkongo aufzubauen. „Auch wenn wir Soldaten gemischt waren, sah es aus, | |
als hätten wir zwei verschiedene Generalstäbe, einen aus dem Westen und | |
einen aus dem Osten“, berichtet I. | |
„Der Generalstab Ost war in Kalongi stationiert und unserer (Generalstab | |
West) in Migazi“, führt er aus. 2005 erst wurden die beiden zum gemeinsamen | |
FDLR-Generalstab in Kalongi zusammengelegt. Das war auch das Jahr, als | |
FDLR-Präsident Murwanashyaka zum ersten Mal in Nord-Kivu vor Ort seine | |
Truppen besuchte und I wie andere Soldaten auch 10 Dollar erhielt. | |
Die FDLR-Reservebrigade, in der I diente, bestand zunächst ausschließlich | |
aus Soldaten aus dem Westen: „Man brauchte uns an einem Platz als Reserve, | |
wir waren nur Leute aus dem Westen. Aber kurze Zeit später stellte man | |
Separatismus fest und wir wurden gemischt.“ | |
## „Ich kaufte Kisten mit Munition“ | |
I weiß auch im Detail, wie der kongolesischen Armee FARDC - dem ehemaligen | |
Verbündeten also - in Kivu Rüstungsgüter abgekauft wurden. „Ich hatte | |
Glück, wir waren vorne, nah bei den FDLR-Soldaten, ich konnte mich gut mit | |
ihnen unterhalten“, erinnert er sich. | |
„Ich sprach sie an; weil sie noch keinen Sold bekommen hatten, hatten sie | |
Geldproblemen. Sie konnten dir was von den Sachen verkaufen, die sie von | |
der Regierung erhalten hatten. Ich kaufte Kisten mit Munition, Uniformen, | |
Bomben, ich gab es bei ... (seinem Kommandeur) ab, es war nicht mein | |
eigenes Geld.“ | |
I führt aus: „Eine Kugel Munition kostete 10 kongolesische Franc. Eine | |
Kiste Munition waren 750 Schuss, es gab auch eine Kiste mit 450 Kugeln.“ | |
Führte das mögliche Tragen derselben Uniformen nicht zu Konfusion, als ab | |
2009 die FARDC im Rahmen eines neuen Bündnisses mit Ruanda nunmehr gegen | |
die FDLR kämpfte? Nein, da ist sich I sicher. „Die kongolesischen Soldaten | |
schreien viel und tragen auch rote Barette“, schildert er. „Sie schreien | |
immer, weil sie Angst haben. Man erkennt sie sofort.“ An der Sprache? „Ja, | |
denn sie sprechen Lingala, und wenn man das spricht, schreit man immer“, | |
sagt I. | |
## Abgaben auf dem Markt | |
Das Geld, um der FARDC ihre Waffen abzukaufen, verdiente die FDLR beim | |
Handel, der sogenannten „logistique non-conventionelle“ (LNC), die schon | |
mehrfach in dieser Verhandlung zur Sprache gekommen ist. „Auch wenn es | |
viele Wälder waren, gibt es kleine Märkte“, erklärt I. | |
„Meist sah man uns FDLRler dort als Verkäufer. Da gab es traditionelle | |
Chefs der Dörfer. Sie haben Steuern auf die Lebensmittel von Zivilisten | |
erhoben - bei den Soldaten ging das nicht, weil sie bewaffnet waren... Wenn | |
in der Nähe des Marktes Positionen von Soldaten waren, wenn der | |
traditionelle Chef etwas verdient hat, hat er der Position etwas gegeben.“ | |
Zahlten sie freiwillig oder war das Schutzgeld? „Das ist die Kultur im | |
Kongo, sie ernähren die Soldaten“, antwortet I und führt das in schönster | |
kongolesischer Logik aus: „Nur wir wollen es nicht als Gesetz machen, damit | |
sie uns nicht mögen. Aber wenn er es nicht tat, hätten die Soldaten Hunger | |
gehabt und können der Zivilbevölkerungt Schaden zufügen, daher brachten sie | |
freiwillig zu Essen zu den Positionen.“ | |
Es wurde auch von Händlern Geld genommen. „Es gab Posten, die zuständig | |
waren für die Begleitung von Posten“, umschreibt I das. „Wenn jemand ein | |
Geschäft in Goma betrieb und zurückkam mit Geld und dabei begleitet wurde, | |
gab er den Soldaten etwa Geld für die Sicherheit.“ Die Soldaten mussten | |
darüber ihrer Hierarchie Bericht erstatten. | |
## „Wir töten nicht Personen, sondern Feinde“ | |
Dieselbe Logik, mit der Zwangsabgaben als freiwillig erklärt werden, wendet | |
I auch an, als er nach der Tötung von Zivilisten gefragt wird - die er | |
zunächst natürlich bestreitet. I berichtet von den | |
FDLR-Disziplinargerichten, die zum Beispiel Kämpfer zu Zwangsarbeit oder | |
Stockschlägen verurteilten - er selbst erhielt einmal 60 Stockschläge - | |
oder sie 5 oder 10 Tage lang in Erdlöcher in Haft steckten. | |
„Vielleicht geht ein Soldat und hat viel getrunken und erschießt einen | |
Zivilisten aus Versehen - egal ob Soldat oder Zivilist, er muss sich | |
rechtfertigen“, erklärt I. „Eine Person wird vom Gericht verfolgt, wenn er | |
aus Versehen getötet hat, das heißt, immer wenn ein FDLR-Soldat jemanden | |
ohne Befehl tötet, muss er sich rechtfertigen.“ | |
Heißt das, dass man nicht vor Gericht muss, wenn man auf Befehl tötet? Über | |
diese Frage der Bundesanwaltschaft entspannt sich ein längerer Disput. | |
„Folgte ein Gerichtsverfahren beim Befehl zu Töten?“ wird schließlich als | |
Frage zugelassen. „Bei der FDLR töten wir nicht Personen, sondern Feinde im | |
Krieg“, antwortet I. | |
Was war ein Feind, fragt die Bundesanwaltschaft. „Ein Feind war jemand, der | |
auf der Position vor uns war und angriff“, sagt I. „Eine Person ist ein | |
unschuldiger Mensch und Zivilist und hat mit Kampfhandlungen nichts zu | |
tun.“ | |
## „Wenn ein Zivilist dort ist, was macht er da?“ | |
Ist jeder in einer feindlichen Position Soldat, fragt die | |
Bundesanwaltschaft weiter. „Solche Fragen“, antwortet I. | |
„Die Schüsse können nicht wählen. Wenn ein Zivilist dort ist, was macht er | |
da? Nicht alle kongolesischen Soldaten haben Uniform und Waffe“ - kein | |
Wunder, wenn er die vorher der FDLR verkauft hat, könnte man hinzufügen. | |
„Jede Person in der Position, die auf dich schießt, musst du beschießen. | |
Und wenn man sah, dass ein Soldat ein Gewehr hochhielt, brauchte man nicht | |
zu schießen, da er ’Hände hoch‘ machte. Man hat uns auch Menschenrechte | |
beigebracht.“ | |
[1][Mehr in Teil I: I über die Vorgeschichte der ruandischen Hutu-Milizen | |
im Kongo] | |
18 Mar 2013 | |
## LINKS | |
[1] /130-133-Tag-Kongo-Kriegsverbrecherprozess-I/!113028/ | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
## TAGS | |
Kongo | |
Kriegsverbrecherprozess | |
Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess | |
UN-Menschenrechtsrat | |
Kongo | |
Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess | |
Kongo | |
Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess | |
Kongo | |
Kongo | |
Kongo | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Verbindliche Regeln für die Wirtschaft: Menschenrechte? Wieso denn? | |
Die Vereinten Nationen wollen Menschenrechte in Unternehmen festschreiben. | |
Aber Deutschland boykottiert die Verhandlungen. | |
150. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: „Wie die Himmlischen sagten“ | |
Wie 2009 an höchster Stelle in der FDLR über den Kurs gerungen wurde – und | |
was das mit der Gegenwart zu tun hat. | |
144.-149. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: Was ist eine Zeugenaussage wert? | |
Weitere mutmaßliche Opfer von FDLR-Verbrechen treten nichtöffentlich als | |
Zeugen in Stuttgart per Video auf. Die Verteidigung zweifelt den Wert ihere | |
Aussagen an. | |
Ruandische Hutu-Miliz im Kongo: Vize-Militärchef angeblich in Haft | |
Stanislas Bigaruka, zweithöchster Kommandeur der im Kongo kämpfenden | |
ruandischen Hutu-Miliz, soll in Tansania geschnappt und nach Ruanda | |
gebracht worden sein | |
134.-140. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: Hinter verschlossenen Türen | |
Die offenbar schwierige Befragung kongolesischer FDLR-Opfer unter | |
Ausschluss der Öffentlichkeit wird fortgesetzt. Zur Sprache kommt dabei | |
unvorstellbares Leid. | |
130.-133. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess I: Vom Flüchtling zum Spezialkämp… | |
Ein Ex-FDLR-Kämpfer erzählt aus der Vorläuferzeit der Miliz, als ruandische | |
Hutu-Flüchtlinge durch den Kongo gejagt wurden. Aber die Befragung bleibt | |
lückenhaft. | |
118-122 Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess II: Der Präsident und der Haudegen | |
Nachdem Präsident Murwanashyaka dem Alkohol entsagte, hielt Militärführer | |
Mudacumura ihn für ein Weichei. Enthüllungen aus dem Innenleben der FDLR | |
Teil II. | |
Analyse des Ost-Kongo Konflikts: Kreislauf der Gewalt | |
Unzählige Rebellengruppen, Korruption, oder fehlende Rechtsstaatlichkeit? | |
Warum der Osten des Kongo seit vielen Jahren nicht zum Frieden findet. | |
EU-Militär im Kongo: Kabilas letzte Chance | |
Die EU-Militärberater der Mission „Eusec“ bei Kongos Regierungsarmee ist | |
erneut verlängert worden. Obwohl ihr Sinn in Zweifel steht. |