# taz.de -- Kongo-Warlord stellt sich: Störenfried streckt die Waffen | |
> Ende einer Kriegskarriere: Der gesuchte Warlord Bosco Ntaganda rettet | |
> sich nach Ruanda in die US-Botschaft und bittet um Überstellung an die | |
> Justiz. | |
Bild: Bosco Ntaganda (in der Mitte des Bildes) war nie selbst Chef, aber er hat… | |
BERLIN taz | Zum ersten Mal hat sich ein vom Internationalen | |
Strafgerichtshof mit Haftbefehl Gesuchter freiwillig gestellt. Am Montag | |
betrat Bosco Ntaganda aus der Demokratischen Republik Kongo die | |
US-Botschaft in Ruandas Hauptstadt Kigali und bat um Überstellung nach Den | |
Haag. Mit Ntaganda verlässt der letzte noch aktive Warlord aus den Wirren | |
der Kongokriege von 1998 bis 2003 das Feld. | |
Zuletzt hatte sich der Tutsi aus Ostkongos Masisi-Bergen bei der | |
Rebellenarmee M23 (Bewegung des 23. März) aufgehalten. Doch alle hatten | |
zuletzt ein Interesse daran, ihn loszuwerden. Bosco Ntagandas Karriere ist | |
die Geschichte der Rebellionen im Kongo, erzählt aus der zweiten Reihe. | |
Nach außen trat der 1975 geborene Buschkämpfer, der keine europäische | |
Sprache spricht, selten in Erscheinung. Aber sein Wirken nach innen prägte | |
sie alle: RCD (Kongolesische Sammlung für Demokratie), UPC (Union | |
Kongolesischer Patrioten), CNDP (Nationalkongress zur Verteidigung des | |
Volkes) und zuletzt M23. | |
Ntaganda war nie selbst Chef, aber er stand immer direkt hinter diesem und | |
hatte ihn daher in entscheidenden Augenblicken in der Hand. Seine Chefs | |
verschwanden alle in der Versenkung: Wamba dia Wamba (RCD), Thomas Lubanga | |
(UPC), Laurent Nkunda (CNDP). Ntaganda blieb Stehaufmännchen. Bis jetzt. | |
Noch letzte Woche hielt Bosco Ntaganda die schützende Hand über den | |
flüchtigen M23-Präsidenten Jean-Marie Runiga, einen Kirchenmann. Die M23 | |
hatte sich gespalten, Runiga war zu Ntaganda ins Dorf Kibumba geflohen. Als | |
dort Kämpfe ausbrachen, flohen sie nach Ruanda – Runiga öffentlich, ins | |
Flüchtlingslager; Ntaganda heimlich, nach Kigali. | |
## Wamba flieht als Frau verkleidet | |
Vierzehn Jahre früher, im Jahr 1999, hatte Ntaganda eine ähnlich schützende | |
Hand über den flüchtigen RCD-Präsidenten Ernest Wamba dia Wamba gehalten, | |
einen Intellektuellen. Die RCD beherrschte damals Ostkongo. Als ihre | |
Schutzmächte Ruanda und Uganda sich zerstritten, floh die prougandische | |
Fraktion um Wamba aus Goma nach Kisangani. | |
Als dort Kämpfe ausbrachen, flohen sie nach Bunia im Nordostkongo – Wamba | |
als Frau verkleidet, unter Ntagandas Schutz. 2002 wurde Ntaganda in Bunia | |
stellvertretender Militärchef der UPC , eine von mehreren Milizen des | |
Distrikts Ituri, die ethnische Kriege führten. | |
Wegen der Rekrutierung von Kindern wurde UPC-Präsident Thomas Lubanga vor | |
einem Jahr vom Internationalen Strafgerichtshof zu vierzehn Jahren Haft | |
verurteilt. Den Haags erster Haftbefehl gegen Ntaganda von 2006 führt | |
dieselbe Beschuldigung an. Erst seit 2012 macht ein weiterer Haftbefehl ihn | |
auch für mehrere UPC-Massaker 2002 und 2003 verantwortlich, als Mittäter. | |
Vollstreckt wurden diese Haftbefehle nie, weil Ntaganda immer von Kongos | |
Regierung geschützt wurde. 2004, als die UPC ihren Krieg beendete, wanderte | |
ihr Führer Lubanga in Haft – aber Ntaganda wurde Armeegeneral. Den Posten | |
nahm er nicht an, sondern er ging nach Masisi zurück und stieß zu seinem | |
Tutsi-Kameraden Laurent Nkunda und seiner neuen Rebellenarmee CNDP. | |
## Incognito im Luxusrestaurant | |
Anfang 2009 putschte Ntaganda. Der Krieg der CNDP endete, Nkunda wanderte | |
in Haft – aber Ntaganda wurde erneut General. Diesmal nahm er an. Er lebte | |
trotz Den Haager Haftbefehls in Goma, speiste incognito im Luxusrestaurant | |
und widmete sich dem Goldhandel. 2012 kündigte Kongos Präsident Joseph | |
Kabila die Festnahme Ntagandas an. | |
Dazu kam es nicht. Der General desertierte, seine Freunde gründeten die | |
M23, die sich als sicheres Umfeld für ihn erwies. Als die M23 Goma | |
eroberte, war auch Ntaganda dabei. Den Rückzug aus Goma, von | |
M23-Militärchef Sultani Makenga als Gegenleistung für Friedensgespräche | |
durchgesetzt, lehnte Ntaganda ab. Diesen Machtkampf verlor er. Ein sicheres | |
Umfeld hat er nicht mehr. In Den Haag hätte er aber viel auszupacken über | |
die Deals, die ihm so lange das Überleben sicherten. Und weil das vielen | |
peinlich wäre, ist keineswegs klar, dass es jemals dazu kommt. | |
19 Mar 2013 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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