# taz.de -- Die Wahrheit: Touris in der Armenküche | |
> Neues aus Neuseeland: Besuchern aus Fernost kann man in Aotearoa | |
> anscheinend die abwegigsten Sehenswürdigkeiten unterjubeln. | |
Bild: Das Holocaustdenkmal, ein beliebter Ort zum Entspannen, den Touriführer … | |
Die weltweite Achse der Wahrheit ist ein wenig geschrunpft. Von den drei | |
strategisch wichtigen taz-Außenposten – Dublin, Peking und Christchurch – | |
ist der wohl exotischste weggebrochen. Kaum begann das Jahr der Schlange, | |
musste China-Mann Christian Y. Schmidt seine Kolumnistentätigkeit wegen | |
anderer Aufgaben vorläufig einstellen. Süß-sauer nehme ich Abschied und | |
widme diese Kolumne daher den wahren Opfern, die ab jetzt kein Gehör mehr | |
finden: den chinesischen Touristen. | |
Reisende aus dem Reich der Mitte sind in Neuseeland ein „wachsender Markt“ | |
und damit die Hoffnung unseres Tourismusministers, denn das Geschäft leidet | |
unter dem starken Kiwi-Dollar. Da die Chinesen sich vor allem in Gruppen | |
durchs Land der langen weißen Wolke bewegen, trifft man sie selten in | |
Backpacker-Hostels und auf den vom „Lonely Planet“ vorgetrampelten | |
Wanderpfaden an. Dafür aber vielleicht in der Suppenküche. Denn den | |
Besuchern aus Fernost kann man in Aotearoa anscheinend die abwegigsten | |
Sehenswürdigkeiten unterjubeln. Ist alles nur eine Frage der Vermarktung. | |
Ein findiger chinesischer Reiseveranstalter flog vor Kurzem in Auckland | |
auf. Er hatte seinen Kunden Abstecher auf Farmen, zu Geysiren und einem | |
abschließenden „Buffet Dinner“ versprochen – das große | |
Rundum-Neuseeland-Paket in vier Tagen. Was er verschwieg: Die angeblichen | |
Highlights, für die er abkassierte, kann jeder für lau besichtigen. Die | |
Touristen wurden in Rotorua in den öffentlichen Park geführt, wo jeder ohne | |
zu zahlen seine Füße in ein sprudelndes Mineralbad tunken kann. Und der | |
„Wildlife Park“ mit „vom Aussterben bedrohten Vögeln“ war nichts ander… | |
als der Botanische Garten in Auckland. | |
Krönender Abschluss der kurzen Rundreise war ein großes Essen, angeblich | |
von der neuseeländischen Regierung für die Gäste spendiert – was irgendwie | |
schon stimmte. Nur war das Festessen die alljährliche | |
Weihnachtsverköstigung der „City Mission“ von Auckland, gedacht für | |
Obdachlose und notleidende Familien. Dort saßen die elf Gäste aus Asien | |
zwischen hunderten von Sozialhilfeempfängern und ließen sich das schmecken, | |
was sie für pazifische Spitzenküche hielten: Huhn mit Soße, Süßkartoffeln, | |
Wackelpudding. | |
Einer von ihnen war Ming Xi aus Wuhan, der eine Woche zuvor von einem | |
Landsmann auf der Straße vor der Touristen-Information in Auckland | |
angesprochen wurde. Für nur schlappe 88 Dollar pro Tag könne er das Land | |
sehen, Essen und Eintrittspreise inklusive. | |
„Ich dachte, das sei ein echtes Schnäppchen, nur halb so teuer wie andere | |
Touren“, erklärte Ming Xi. Er fand es praktisch, dass der Reiseleiter | |
Mandarin sprach. „Es war ein Schock, als wir später im Fernsehen sahen, | |
dass der ’Christmas Lunch‘ ein Wohltätigkeitsessen für arme Leute war.“ | |
Auch ein ethnisches „Cultural Dinner“ stellte sich als Nepp heraus. Die | |
Reisenden wurden bei der Hare-Krishna-Sekte vegetarisch verköstigt. Umsonst | |
– doch mussten sie vor dem Linsenmahl ins Klatschen und Chanting | |
miteinstimmen. | |
20 Mar 2013 | |
## AUTOREN | |
Anke Richter | |
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