# taz.de -- Die Wahrheit: Hobbits im Mitteldreck | |
> Neues aus Neuseeland: Seit Wochen tobt „Der Hobbit“ übers Land, zwei | |
> Fortsetzungen drohen uns. ... | |
Seit Wochen tobt „Der Hobbit“ übers Land, zwei Fortsetzungen drohen uns. | |
Elfenseidank bin ich nicht die Einzige, die das Getöse um die | |
wanderlustigen Plattfüßler langsam peinlich findet. Auch die New York Times | |
hat sich beschwert: Neuseeland betreibe Etikettenschwindel. Es sei nämlich | |
gar nicht Mittelerde, sondern eher Mitteldreck. | |
Vor zehn Jahren hatten wir den Rummel schon mal. Damals startete „Der Herr | |
der Ringe“. Peter Jacksons Trilogie war die beste Tourismuskampagne, die | |
das Land sich wünschen konnte: Wow, diese geilen Landschaften! Diese Hügel, | |
diese Fjorde! Wir waren plötzlich Mittelerde und stolz darauf, so gut | |
auszusehen. „100 % Pure“ hieß das Motto, mit dem Tourism New Zealand sich | |
seitdem erfolgreich in seiner Reinheit vermarktete, und niemand | |
widersprach. Es wurde gefeiert, dass Lothlórien bebte, und wehe, man war | |
kein Frodo-Fan: Das glich Landesverrat. Immerhin kannte uns jetzt | |
Hollywood! | |
Nun bekommen wir den zweiten Tolkien-Aufguss serviert. Wieder gibt es | |
Sonderbriefmarken, Gedenkmünzen und bunt beklebte | |
Air-New-Zealand-Flugzeuge. Aber erstmals regt sich Unmut. „Wird es nicht | |
Zeit, sich vom Hobbit zu verabschieden?“, fragte eine Sonntagszeitung | |
provokativ. | |
Die 10 Millionen Dollar, die in die Kampagne „100 % Middle-earth 100 % Pure | |
New Zealand“ gepumpt werden, und all die steuerlichen Erleichterungen für | |
die Produktionsfirma Warner Brothers rentierten sich nicht. Denn wer glaubt | |
schon wirklich, dass er Urlaub bei Zauberern und Zwergen macht? Lediglich | |
ein Prozent der Neuseeland-Besucher kommen wegen der Filme ins Land. Dem | |
Rest dämmert wohl irgendwann, dass es sich bei all den Gletschern und dem | |
Grün auch um Kulisse handelt. | |
Der Unmut sprach sich bis nach Amerika rum. Die New York Times setzte noch | |
einen drauf und enthüllte pünktlich zur Filmpremiere, dass das „clean & | |
green“-Image Aotearoas mit der Realität nicht so viel zu tun habe, wie uns | |
die Filmpromoter weismachen wollen. Ein Sakrileg! Zitiert wurde der | |
neuseeländische Wissenschaftler Mike Joy, der von zwei verschiedenen Welten | |
in seiner Heimat sprach: „Es gibt die Postkartenversion und die | |
Wirklichkeit.“ In einer internationalen Studie rangiert Neuseeland unter | |
189 Ländern nur an 171. Stelle im Bemühen darum, seine Natur intakt zu | |
erhalten. | |
Seit langem verweisen Aotearoas Grüne auf unsere erschreckende | |
Umweltbilanz: Gülle fließt munter in die Flüsse, Naturschutzgebiete müssen | |
dem Bergbau weichen und es wird gespritzt, was das Obst hält. Jetzt steht | |
dank der konservativen Regierung auch noch Fracking bevor – unterirdische | |
chemische Gasgewinnung, die jeden Gollum aus seiner Höhle vertreibt. | |
Mike Joy wurde im Radio als Nestbeschmutzer angegangen. Premierminister | |
John Key, so gar kein Öko, fühlte sich auf den Plan gerufen. Die „100 % | |
Pure“-Aussage sei halt Werbung, so ehrlich wie jedes McDonald’s-Plakat – | |
keiner würde das für die reine Wahrheit halten, meinte er. Und selbst bei | |
den Höhlenmenschen sei nicht alles hundertprozentig pur zugegangen. Peter | |
Jackson schweigt noch. | |
13 Dec 2012 | |
## AUTOREN | |
Anke Richter | |
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