| # taz.de -- Die Wahrheit: Die Sorgfalt der Schmieranten | |
| > Im schier endlosen Prozess des Schauspielers Ottfried Fischer gegen die | |
| > „Bild“-Zeitung spielt der Anwalt des Springer-Verlags eine dubiose Rolle. | |
| Bild: Der Schauspieler Ottfried Fischer klagt mittlerweile im Münchner Landger… | |
| Die Älteren unter uns werden sich vielleicht noch an diesen ulkigen | |
| Rechtsstreit erinnern: Ein Mitarbeiter der Bild-Zeitung hatte einem | |
| Zuhälter für 3.500 Euro ein illegal aufgenommenes Video abgekauft, das den | |
| Schauspieler Ottfried Fischer bei der Interaktion mit zwei Prostituierten | |
| zeigt, und Fischer sagte vor Gericht aus, dass er daraufhin von jenem | |
| Bild-Mitarbeiter zu einem Interview erpresst worden sei. Der Bild-Mensch | |
| behauptete, er habe Fischer nichts angedroht, sondern ihn nur darüber | |
| informiert, dass dieses Video existiere, und dass er – der für Bild tätige | |
| Handelspartner des Zuhälters – im Besitz jenes Videos sei. | |
| Man müsste viel Fantasie aufbringen, wenn man sich etwas noch | |
| Schmierlappigeres vorstellen wollte als einen Journalisten, der auf dem | |
| Schwarzmarkt einen Schmuddelfilm erwirbt, in dem möglicherweise ein | |
| Prominenter zu sehen ist. Wir befinden uns hier in der tiefsten Etage des | |
| Nachrichtenwesens: im klosettschüsselförmigen Observatorium eines | |
| Spannertums, das nach Fehltritten von Menschen giert, die man aus dem | |
| Fernsehen kennt. | |
| Wem, wenn nicht einem Mitarbeiter der Bild-Zeitung, wäre ein im Bordell | |
| aufgenommenes Video 3.500 Euro wert? Und wer, wenn nicht die | |
| Puffnachrichtenmutter Friede Springer, der Fickgeschichtenverleger Mathias | |
| Döpfner und der Bild-Herausgeber Kai Diekmann, käme auf die Idee, einen | |
| freien Mitarbeiter zu beschäftigen, der einem Kriminellen eine vierstellige | |
| Summe für ein dubioses Filmchen aus dem Rotlichtmilieu hinblättert? | |
| Claas-Hendrik Söhring, der Anwalt des Springer-Verlags, hat vor Gericht | |
| jedoch erklärt, dass der Ankauf des widerrechtlich erstellten Videos nicht | |
| nur rechtens, sondern geradezu geboten gewesen sei, denn der von Bild | |
| bestallte Käufer sei damit „nur seiner presserechtlichen Sorgfaltspflicht“ | |
| nachgekommen. | |
| Ist das nicht süß? Nach Söhrings Ansicht genügt ein Reporter, der einem | |
| Zuhälter 3.500 Euro für ein im Puff illegal aufgenommenes Video bezahlt, | |
| einer „Sorgfaltspflicht“ und nicht der Not eines Hehlers, der mit | |
| schmutzigen Unterhosen handelt. Bekanntermaßen existiert in ganz Europa | |
| kein größerer Abnehmer dreckiger Wäsche als die Bild-Zeitung, und es ist | |
| wahrlich kein Wunder, dass der Käufer des Bordellvideos für Bild gearbeitet | |
| hat. Seriöseren Redaktionen wäre diese Angelegenheit vielleicht etwas zu | |
| unappetitlich vorgekommen, aber unter Friede Springers und Mathias Döpfners | |
| verlegerischen Fittichen sind ohnehin schon viel schlimmere Dinge | |
| geschehen. | |
| Wenn es aber zur journalistischen Sorgfaltspflicht gehört, sich in den | |
| Betten der Prominenten zu tummeln, werden wir uns hier ab sofort auch | |
| Claas-Hendriks Söhrings Intimsphäre widmen müssen. Wir beantragen schon | |
| einmal Titelschutz für die folgenden Artikel: „Claas-Hendrik und die wilden | |
| Stuten“, „Claas-Hendrik verteidigt den Puffvideokäufer“, „Claas-Hendrik | |
| nimmt die Sorgfaltspflicht wahr“, „Claas-Hendrik rockt die Reeperbahn“, | |
| „Friede und Mathias verstoßen Claas-Hendrik“, „Hanni und Nanni wollen ein | |
| Kind von Claas-Hendrik“ und „Hanni, Nanni und Claas-Hendrik: Ehe zu dritt?�… | |
| Eingedenk der presserechtlichen Sorgfaltspflicht wird Claas-Hendrik Söhring | |
| sicherlich Verständnis dafür aufbringen, dass sein Schlafzimmer fortan von | |
| taz-Leser-Reportern umlagert wird, mit Scherenfernrohren, Wanzen und | |
| Videokameras. Auch wenn es dort nicht höher hergehen sollte als nach | |
| Mitternacht im Schlumpfdorf. | |
| Und wir alle müssen uns sagen: Wir dürfen nicht wegschauen. Auch wenn es | |
| uns schwerfällt. | |
| 22 Mar 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Gerhard Henschel | |
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