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# taz.de -- „Weltspiegel“ vs. „Auslandsmagazin“: Seriös, aber bieder
> Am Sonntag feiert der ARD-„Weltspiegel“ seinen 50. Geburtstag. Im
> Vergleich zum ZDF-„Auslandsmagazin“ sieht die Sendung tatsächlich alt
> aus.
Bild: Gerd Ruge in der Anfangszeit des ARD-„Weltspiegels“, 1963.
Irgendwie putzig: So wirkt die erste Sendung des „Weltspiegels“. Damals, im
Frühjahr 1963, hatte Gerd Ruge wahrlich Aufregendes zu bieten. Zum ersten
Mal im deutschen Fernsehen konnte er „mithilfe der amerikanischen
Weltraumtechnik unseren Washingtoner Korrespondenten direkt ins Studio
holen“, wie der aufgeregte Moderator seinem Publikum erklärte. Den
Zuschauern beichtete er: „Auch für uns, die durch die vielen technischen
Möglichkeiten des Wunders ,Fernsehen‘ einigermaßen verwöhnt sind, war das
ein großes Ereignis.“
Heute bringen Schaltgespräche die Fernsehmacher freilich nicht mehr in
Wallung. Hier ist eher Kontinuität etwas Besonderes, zum Beispiel diese: Am
Sonntag begeht das ARD-Auslandsmagazin seinen 50. Geburtstag. Gerd Ruge
wird um 19.20 Uhr mit im Studio sein. Anschließend ist ein interaktiver
Talk auf [1][weltspiegel.de] geplant, außerdem eine „Weltspiegel-Nacht“ im
Ersten. Blöd nur, dass sich pünktlich zum Jubiläum die existenzielle Frage
aufdrängt: Wie lange kann es mit der Sendung noch weitergehen?
Im Schnitt lockte der „Weltspiegel“ im vergangenen Jahr noch 2,3 Millionen
Zuschauer – ein neuer Tiefstwert. Programmmacher wie Ute Brucker brechen
dennoch nicht in Panik aus. „Ja, ich glaube, dass wir uns weiterentwickeln
müssen“, sagt die Auslandschefin des Südwestrundfunks vor der
Jubiläumssendung. „Wir dürfen dabei aber nicht unsere Grundlinie aufgeben,
vor allem eine seriöse Auslandsberichterstattung zu fahren.“
Riskant wird es natürlich, wenn mit dieser Seriosität auch Biederkeit
einhergeht. Der „Weltspiegel“, den insgesamt vier ARD-Sender im Wechsel
produzieren, ist davon zumindest bedroht. Wer die ersten Fernsehjahre
ausklammert, in denen es ohnehin sehr eigenwillig zuging, stellt fest: Das
Auslandsmagazin hat nicht nur seinen Sendeplatz okkupiert, sondern sich
auch in seiner Machart allenfalls gediegen bewegt – von wenigen amüsanten
Momenten wie dem Abenteuer des damaligen Paris-Reporters Ulrich Wickert,
der todesmutig als Fußgänger die vielbefahrene Place de la Concorde
überquerte, einmal abgesehen.
## Modell von gestern
Ein Blick rüber ins Nachbarprogramm macht deutlich, welchen Spielraum auch
ein Auslandsmagazin hat. Das ZDF-„Auslandsjournal“, zehn Jahre später
gestartet, wurde generalüberholt. „Umso zeitgemäßer, umso besser!“, laut…
die Parole von Theo Koll. Er präsentiert heute das Magazin und leitet das
Riesenressort „Politik und Zeitgeschehen“, das zwischen Innen- und
Außenpolitik auch abseits der Titulierung nicht unterscheidet. Tatsächlich
wirkt diese Trennung, wie sie der „Weltspiegel“ radikal durchzieht, in
Zeiten der Globalisierung von Wirtschaft und Politik anachronistisch – ein
Modell von gestern.
„Klassische Auslandsberichterstattung wirkt ja schon von der
Begrifflichkeit her abgehoben und weit weg“, sagt Koll. Zuschauer sollten
„Ausschnitte eines fremden Lebens gut nachvollziehen“ können. Er hat dafür
die Rubrik „Außendienst“ angelegt, in der bewusst die Grenzen zwischen
Reportern und Protagonisten verschwimmen: Seine Leute bauen Schwefel ab,
lassen sich von US-Marines drillen oder fischen in Island.
Verglichen mit dem ARD-Magazin wirkt das „Auslandsjournal“ so jung und
agil, aber auch immer wieder gewollt bunt bis albern. Rubriken wie der
„Außendienst“ sind nun mal Geschmackssache, und der „Weltspiegel“ gibt…
da lieber zurückhaltend. „Unsere Sendung steht für Seriosität und
Glaubwürdigkeit“, sagt Auslandschefin Brucker. „Das suchen die Zuschauer
auch.“ Auf Verspieltes will sie deshalb so gut es geht verzichten.
Woher sie diese Sicherheit nimmt? Brucker verweist auf den digitalen
Kontakt mit dem Publikum. Bei Facebook hat sich der „Weltspiegel“ mit gut
25.000 Fans verknüpft. „Wir fragen nach unseren Sendungen, welche Beiträge
am meisten interessiert haben“, sagt Brucker. „Und es sind regelmäßig die
schwereren Themen, die Konflikte und Krisen und die Umweltskandale. Das
Schöne und Bunte aus der Welt ist bei uns nicht so gefragt.“
## Boulevardeskes im „Auslandsjournal“
Und dennoch: Ihre Sendung verliert seit Jahren Publikum, das
„Auslandsjournal“ legt hingegen zu – auch mit Substanziellem wie
„XXL“-Ausgaben, die ein einzelnes Thema vertiefen. 2012 war für Koll das
erfolgreichste der vergangenen sieben Jahre. Das aber hat nicht nur mit der
Renovierung zu tun, sondern nicht zuletzt auch mit dem Sendeplatz.
Im Gegensatz zum „Weltspiegel“ war das „Auslandsjournal“ für das ZDF i…
nur ein Klötzchen im Programmschema, das mal hier, mal da abgestellt wurde.
Inzwischen läuft es mittwochs direkt nach dem „heute-journal“. Es bekommt
so Publikum zugespielt, das am Weltgeschehen interessiert ist. Außerdem
holt es Koll mit boulevardesken Themen rüber, gerade etwa mit dem „Sexting
in der Generation Porno“ – britische Jugendliche, die sich lieber
Nacktfotos schicken, statt es mit einem altmodischen Flirt zu probieren.
Der „Weltspiegel“ wiederum leidet unter seinem Vorlauf: Die „Lindenstraß…
war einst Zuschauermagnet, spült dem Auslandsmagazin nun aber keine Massen
mehr an. „Bei der ,Lindenstraße‘ ist kaum jemand dabei, der politisch
interessiert ist“, sagt Andreas Cichowicz, Chefredakteur des Norddeutschen
Rundfunks und ebenfalls ein Moderator des „Weltspiegels“. Das Publikum
tausche sich „völlig aus“. Ärgerlich sei zudem, dass es nach dem
Seifenoper-Klassiker „mit dem längsten Abspann im deutschen Fernsehen und
zwei Trailern noch mal genügend Gelegenheit gibt, zu verschwinden“.
Unterdessen arbeiten die „Weltspiegel“-Macher dann doch auch an der Zukunft
ihres Magazins. Eine feste Rubrizierung à la „Außendienst“ ist für sie z…
erst einmal tabu. Cichowicz aber stellt sich bereits mehr Abwechslung bei
den Beitragslängen vor – hier ein deutlicherer Schwerpunkt, dafür dort eine
etwas flottere Geschichte. Manches sei eben auch in vier Minuten erzählt
statt in den für das Magazin üblichen sechs bis sieben.
## Testpublikum als Inspiration
Brucker wiederum sagt, sie sei „bemüht“, stets eine „Presenter-Reportage…
zu bieten, bei der Korrespondenten aus dem Hintergrund vor die Kameras
treten. Außerdem werde mit „Vor Ort“-Sendungen – etwa zur ersten freien
Wahl nach dem Arabischen Frühling – „immer wieder“ die traditionelle
Machart des Magazins aufgebrochen. Es gehe voran.
Wirklich spannend wird es für die „Weltspiegel“-Macher in knapp einem
Monat. Dann sollen die Ergebnisse einer Medienforschung vorliegen, für die
derzeit Sendungen von einem Testpublikum bewertet werden. „Ich bin zwar
weder von Marktforschungen noch von Fernsehquoten getrieben, die ja immer
auch einer gewissen Ungenauigkeit unterliegen“, sagt Brucker, „aber das
wird uns sicher als Inspiration dienen.“
Bald werden sie in der ARD also eine Ahnung davon haben, wie viel Arbeit
vor ihnen liegt, um den „Weltspiegel“ zukunftsfähig zu machen. Möglich,
dass sich dann einiges ändern muss. So revolutionär wie damals in der
ersten Sendung kann der „Weltspiegel“ nicht mehr sein. Fernsehen ist eben
keine komplizierte Wissenschaft mehr.
23 Mar 2013
## LINKS
[1] http://weltspiegel.de/
## AUTOREN
Daniel Bouhs
## TAGS
ARD
ZDF
Fernsehen
TV
Schwerpunkt Zeitungskrise
Peter Schaar
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