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# taz.de -- Öffentlich-rechtliche Auslandsbericherstattung: "Keine wichtige Ge…
> Seit zwei Jahren beklagen Korrespondenten einen deutlichen
> Qualitätsschwund bei ARD und ZDF. "Auslands-Journal"-Chef Theo Koll
> trotzt jeder Kritik
Bild: War der Korrespondent früher König und heute nur noch Diener seiner Her…
taz: Herr Koll, Sie sind nicht nur Chef der Auslandsberichterstattung im
ZDF, Sie kennen auch die Arbeit Ihrer Korrespondenten, schließlich waren
Sie in den Neunzigern für Ihren Sender in London. Mit dem Machtzuwachs für
das EU-Zentrum Brüssel und der gewachsenen Rolle Asiens drohen Länder wie
Großbritannien, aber auch Frankreich und Italien, zu Nebenschauplätzen zu
verkommen. Schade?
Theo Koll: Die Verstärkung für Asien und Brüssel würde ich so
unterschreiben. Deshalb haben wir auch in Brüssel unser Studio im Jahr der
Europawahl von drei auf vier Korrespondenten aufgestockt. Dass aber andere
an Relevanz verlieren, muss nicht sein. Gut möglich, dass keiner verliert,
aber einige in der Berichterstattung an Intensität gewinnen.
Wenn keiner "verliert", die Sendeflächen in "heute" und "heute-journal"
aber gleich bleiben, ist die Auslandsberichterstattung doch nur noch ein
Verdrängungswettbewerb, oder?
Theo Koll: Für das Mehr an EU-Berichten haben wir längst entsprechende
Flächen im Programm eingerichtet. Mit "heute in Europa" haben wir täglich
um 16 Uhr eine aktuelle Sendung, die viel europäischen Hintergrund bietet
und für die sich immer mehr Zuschauer interessieren: "heute in Europa" hat
einen Marktanteil von 13 Prozent. Damit bin ich sehr zufrieden.
Am Abend gleicht die Auslandsberichterstattung aber bisweilen einem
Verschiebebahnhof. Während der ARD-"Weltspiegel" seit 1964 konstant vor der
"20 Uhr" läuft wurde das ZDF-"Auslandsjournal" von 19.30 auf 21, dann auf
21.15 und schließlich auf 22.45 Uhr geschoben - und von einem Wochentag auf
den anderen. Sogar ZDF-Reporter wie Alexander von Sobeck sagen, das Magazin
sei "so lange hin und her geschoben worden, bis es kaum noch einer findet".
Theo Koll: Wir senden auch für Suchende. Im Übrigen ist das
"Auslandsjournal" ein gutes Beispiel dafür, wie es gelingen kann, wieder
mehr Sendeflächen fürs Ausland zu schaffen. Ich habe mit meinem Antritt als
Auslandschef eingeführt, dass wir rund sechs Mal im Jahr ein
"Auslandsjournal XXL" bieten, also Sonderausgaben, die sich statt der
üblichen 30 bis zu 60 Minuten jeweils mit einem einzigen Thema
beschäftigen. Das hatten wir zu den Wahlen in Afghanistan und Iran und auch
zur neuen Großmacht Indien. Das nächste "XXL" kommt zum Weltklimagipfel in
Kopenhagen.
Wie kommt das beim Zuschauer an?
Theo Koll: Die Quoten liegen leicht unter dem Durchschnitt, den das
"Auslandsjournal" sonst erzielt. Unserem Stammpublikum gefallen also
Sendungen besser, die unterschiedliche Themen behandeln. Es gilt aber
gelegentlich diesen Preis zu zahlen, weil wir damit außenpolitisch wichtige
Bereiche jenseits einer Bombenaktualität ausleuchten können.
Es hagelt mal wieder Kritik an der Auslands-Berichterstattung unserer
Medien. Ulrich Tilgner schreibt in message: "Der Korrespondent dient immer
häufiger nur dazu, mit seinen Beiträgen Mosaiksteine für ein bereits fertig
geplantes Gesamtwerk der Redaktion zu liefern." Stimmt's?
Theo Koll: Nein. Natürlich wird der Informationsvorsprung, den
Korrespondenten einst vor ihren Redaktionen in Deutschland hatten, immer
geringer. Heute können Redakteure über das Netz auf Zeitungen des
jeweiligen Landes genauso zugreifen wie der Korrespondent. Aber es ist
Mitnichten so, dass wir uns in der Zentrale auf ein Bild verlassen, das wir
uns zurechtlegen, wie das Ulrich Tilgner suggeriert. Wir legen im Gegenteil
sehr viel Wert darauf, Kollegen mit ihrem ganz eigenen Blick und ihren
eigenen sozialen Kontakten vor Ort zu haben. Korrespondenten und ihre
Beobachtungen sind durch nichts zu ersetzen.
Tilgner war aber doch vor allem für das ZDF unterwegs - bevor er sich vor
gut einem Jahr vom deutschen Fernsehen abwandte, um für das angeblich
unabhängigere Schweizer Fernsehen zu arbeiten. Er kann sich also im
Wesentlichen nur auf diese Erfahrung stützen.
Theo Koll: Ich halte seinen Vorwurf dennoch für absurd. Jemand, der sich
von seiner Redaktion marionettenhaft führen lässt, muss schon ein
beängstigend schwacher Journalist sein und Auslandskorrespondenten fallen
wahrlich nicht unter diese Kategorie. Natürlich diskutieren wir mit den
Reportern, vor allem, wenn sie Situationen anders bewerten, als andere, bei
uns auflaufende Informationen. Im Zweifel vertrauen wir aber unseren
eigenen Leuten.
Wirklich?
Theo Koll: Nehmen wir die jüngsten Erdbeben auf Sumatra. Dort hatte unser
Korrespondent Peter Kunz einen anderen, weniger dramatischen Eindruck vom
Ausmaß der Schäden in Padang, als ihn zunächst Nachrichtenagenturen
meldeten - unter Berufung auf Vertreter von Hilfsorganisationen. Die aber
haben natürlich ihre eigene Agenda. Über den Sender ging das, was Kunz mit
eigenen Augen gesehen hatte. In Zeiten, in denen Redakteure mit
Informationen überhäuft werden, kann doch keiner besser Einordnung
schaffen, als der eigene, unabhängige Korrespondent. Redaktionen, die
anders arbeiten, machen etwas falsch.
Auch die gerade erschienene Studie "Journalisten der Finsternis" über die
Berichterstattung deutscher Medien über Afrika wirft kein gutes Licht auf
Zeitungen wie Sender. Autor Lutz Mükke spricht von einer
"Dramatisierungsfalle": Die Nachrichtenschwelle für Entwicklungen in Afrika
läge oft derart hoch, dass es fast nur Katastrophen, Kriege und Krisen in
die Medien schafften. Richtig?
Theo Koll: Wenn ich mir die jüngsten Beiträge unseres Studios in
Johannesburg ansehe, finde ich Themen von "Bauarbeiter streiken an
WM-Stadien" und "Kapstadt, die afrikanische Verführung" über "Tageszeitung
in Simbabwe" bis hin zu "Lernen im Busch". Auch diesen Vorwurf kann ich
also für uns nicht bestätigen. Aber natürlich ist es grundsätzlich
schwieriger, beim Zuschauer Interesse für Themen zu finden, wenn eigene
Anknüpfungspunkte fehlen - wie das in Afrika oft der Fall ist. In London
war es für mich als Korrespondent natürlich viel einfacher: Für fast jede
Geschichte gab es kulturelle Referenzen.
Wie umfassend eine Berichterstattung aus einer Region ist, hat auch mit der
Zahl der eingesetzten Korrespondenten zu tun. Sie sind seit gut einem
halben Jahr Chef der ZDF-Auslandsberichterstattung. Fühlen Sie sich gut
aufgestellt?
Theo Koll: Ja, auch wenn es zweifellos Regionen gibt, in denen zusätzliche
Korrespondenten hilfreich wären, etwa in Indien oder Pakistan. Aber auch
wenn es schwerfällt: Finanziell gilt am Ende das Bild vom Tischtuch, das
reißt, wenn gleichzeitig an allen Ecken gezogen wird. Ich kann mir
natürlich vieles wünschen...
...wie einen festen Korrespondenten in Kabul, wie das ARD-Reporter Ashwin
Raman forderte? Er sprach gar davon, es sei ein Skandal, dass
öffentlich-rechtliche Sender dort keine Büros hätten, obwohl dort deutsche
Soldaten stationiert seien. Stattdessen würden Reporter mal eben ein- und
flugs wieder ausgeflogen, die sich so kaum mit dem Land beschäftigen
könnten. Ein Versäumnis?
Theo Koll: Wenn es so wäre, vielleicht. Wir haben aber gleich zwei
Korrespondenten, die sich permanent beziehungsweise seit Jahren mit
Afghanistan beschäftigen: Halim Hosny und Ulrich Gack. Beide sind oft und
lange im Land unterwegs, dazu gibt es zwei feste ZDF-Producer in Kabul und
Kundus. Das hat bisher gut funktioniert. Ob wir irgendwann in Afghanistan
einen festen Korrespondenten brauchen, hängt von der weiteren Entwicklung
ab. Wir haben jedenfalls noch keine wichtige Geschichte verpasst.
22 Oct 2009
## AUTOREN
Daniel Bouhs
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