# taz.de -- Neues Album von Major Lazer: Wabbel-Arsch als Dividende | |
> DJ Diplo hat mit Major Lazer ein Kunstprojekt ins Leben gerufen, das | |
> durch seine Zusammenarbeit mit bekannten SängerInnen lebt. | |
Bild: Major Lazer: Eine Art Bling-Bling-Comicfigur. | |
Maschinenächzen und Kassenklingeln. Wortfetzen auf Synthiemelodien, die man | |
so ähnlich schon gehört zu haben glaubt. War es ein Moombaton-Track? Oder | |
Cumbia? Baile Funk? Oder ein Evergreen von den Eurythmics? Hui, wie das | |
flutscht. Gelungene Variationen müssen frech sein, klar, so funktioniert | |
nun mal Pop. Aber gleich so krass? [1][Major Lazer] bedeutet Abfahrt und | |
gleichzeitig hinterlässt diese Musik einen etwas faden Beigeschmack. | |
Der Sound von Major Lazer gehorcht zwei simplen Botschaften: Party, bis | |
einem Hören und Sehen vergeht. Und zum Durchschnaufen: Schmusen, bis man | |
vor lauter Romantik absäuft. Weiter geht die Party: „Turn around / Stick it | |
out / Show the world what you got“, befiehlt eine Stimme in dem Track | |
„Bubble Butt“. Ein Wabbel-Arsch als Dividende, die Cash abwerfen muss. | |
Major Lazer ist musikgewordene Verwertungslogik, bei der es ausschließlich | |
ums Pekuniäre geht: Auf seiner [2][Tumblr-Seite] präsentiert Diplo in einem | |
Foto Dollarscheine wie Beutestücke auf der Motorhaube eines Ferrari, so wie | |
man sich einst Speere über den Kamin hängte. Diese provokommerzielle | |
Bling-Bling-Inszenierung passt perfekt zu den Beobachtungen des britischen | |
Autors Mark Fisher. In seinem Essay [3][„Kapitalistischer Realismus“] | |
beschreibt er die Gleichförmigkeit einer Warenwelt ohne Alternativen. | |
„Kapitalismus bleibt übrig, wenn Rituale oder elaborierte Symbolwelten | |
kollabiert sind und nur noch der Zuschauer-Konsument durch die Ruinen und | |
Relikte wandert.“ Nur, dass bei Major Lazer die Konsumenten nicht wandern, | |
sondern im Stakkato tanzen. | |
Das Unterhaltungsgebot des Discjockeys trägt [4][DJ Diplo] (ein Alias des | |
US-Amerikaners Thomas Wesley Pentz) schon in seinem Künstlernamen. Major | |
Lazer hat er zusammen mit seinem DJ-Partner Switch (bürgerlich Dave Taylor, | |
ein Brite) aus der Taufe gehoben. „Guns don’t kill people … Lazers do“ … | |
ihr 2009 erschienenes Debütalbum. | |
## Hits für M.I.A, Justin Bieber und Usher | |
Inzwischen bestreitet Diplo Major Lazer im Alleingang. Er versteht seinen | |
Job ohnehin als Arbeitsteilung, bleibt als Produzent im Hintergrund und | |
steuert Backing-Tracks für SängerInnen bei. So war Diplo etwa | |
verantwortlich für den künstlerischen Werdegang von M.I.A., mit der er auch | |
eine Weile liiert war. Ihren Hit „Paper Planes“ produzierte er, aber auch | |
für andere Stars wie Beyoncé, Snoop Dogg, Justin Bieber oder Usher | |
schneiderte Diplo jeweils Hits. | |
Und als DJ lässt er sich vom Global Dancefloor inspirieren. Erst war es | |
brasilianischer Baile Funk, dann Pop aus Indien und Angola, inzwischen | |
fährt Diplo auf kambodschanischen HipHop ab. Nur, er ist längst ein | |
Resident-DJ in Las Vegas und arbeitet für Majorlabels. Ob diese | |
Import/Export-Funktion wirklich für alle Seiten fair vonstatten geht, ist | |
die Frage. | |
Als Major Lazer wiederum holt sich DJ Diplo für jeden Song jeweils Künstler | |
ans Mikrofon. Weltumspannende Koalitionen zwischen Dancefloor und Indie | |
werden so geschmiedet. Seine Gästeliste kann sich fürwahr sehen lassen: | |
Santigold, Amber Goffman (Dirty Projectors), Vybz Cartel, Peaches, Ms. | |
Dynamite, Ezra Koenig (Vampire Weekend), Bruno Mars, Shaggy, ja sogar | |
Wyclef Jean holt Major Lazer für ein „Feature“ ins Boot. | |
„Free the Universe“ verheißt das neue Album dann auch im Titel. Aber die | |
Musik bedeutet genau das Gegenteil von universeller Befreiung. Eher ist es | |
Zuspitzung, Zielgruppenoptimierung, ein wasserdichtes Abklopfen vorhandener | |
Musikmuster. Wie in einem Blockbuster-Film gibt es Product Placement: „Jet | |
Blue Jet“ heißt einer dieser Knochenbrecher-Tracks, in dem eine Stimme | |
endlos „I like Jet Blue Jet“ wiederholt, als Ode an eine | |
US-Billigfluglinie. | |
## Musikalischer Elendstourismus | |
Nein, Berührungsängste kennt Diplo keine: Als Mastermind hinter dem | |
Internethype [5][„Harlem Shake“], fledderte er einen afroamerikanischen | |
Tanzstil. „Musikalischer Elendstourismus“ hieß es dazu im Netz. Und seine | |
Ex M.I.A. beschimpfte ihn vor kurzem als „Fame Whore Colonizer“. DJ Diplo | |
hält dagegen: Ich bezahle für alles, was ich nutze. | |
Tatsächlich ist Diplo inzwischen als Produzent in Jamaika äußerst gefragt. | |
Und er betont seinen Background als Lehrer in einer Problemschule seiner | |
Heimatstadt Philadelphia. Die Dinge liegen komplizierter. DJ Diplo ist ein | |
Dienstleister im Mainstream-Unterhaltungskapitalismus und als Major Lazer | |
gibt er gleichzeitig den Spindoctor, Meisterdieb und Superhelden. Und das | |
klingt manchmal ziemlich geil. Leider. | |
Major Lazer: „Free the Universe“ (Warner); live: 24. April | |
„Uebel&Gefährlich“ Hamburg, 16. Mai „Berghain“ Berlin | |
10 Apr 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://www.myspace.com/majorlazer | |
[2] http://majorlazer.tumblr.com/ | |
[3] http://www.zero-books.net/index.php?id=99&p=358 | |
[4] http://en.wikipedia.org/wiki/Diplo | |
[5] http://www.youtube.com/watch?v=8vJiSSAMNWw | |
## AUTOREN | |
Julian Weber | |
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