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# taz.de -- Windenergie in Deutschland: Der Herr der Windrädle
> Windräder kosten Milliarden und ragen hässlich in den Himmel. Geht es
> auch eine Nummer kleiner? Ja, sagt der Architekt Wolfgang Frey.
Bild: Keine Höhenangst: Wolfgang Frey bringt ein Kleinwindrad zur Probe auf ei…
FREIBURG taz | Gottlob ist er schwindelfrei. Wolfgang Frey kraxelt eine 40
Meter hohe Douglasie hinauf, sägt an der Spitze ein paar Äste ab und
befestigt ein Mini-Windrad von knapp vier Metern Durchmesser: Nicht viel
mehr als drei Rotorblätter, einen Generator, eine Seilwinde und einen
Helfer braucht er für dieses Experiment. Und klettern muss man können.
Auf der Lichtung im badischen Freiamt, wo der Schwarzwald noch lieblich ist
und nicht schroff wie oben am Feldberg, hat der 52-jährige Architekt aus
einem Baum einen Cyborg gemacht – eine Mischung aus Lebewesen und Maschine.
Mehr als zwei Jahre später drehen sich die Propeller immer noch. Stolz
schaut Frey nach oben und sagt: „Das Windrad schnurrt wie ein
Nähmaschinle.“ Und es liefert, wenn der Wind weht, Strom für das
Schwarzwaldhaus, in dem er mit Frau und zwei Töchtern lebt.
Ist Wolfgang Frey ein Verrückter oder ein Visionär? Darüber gehen die
Meinungen auseinander. Fakt ist: Er ist mit seiner Mission nicht allein. In
Deutschland gibt es viele Kleinwindradenthusiasten und etwa 10.000
Kleinwindkraftanlagen. Doch Frey ist wahrscheinlich der
experimentierfreudigste unter den Windradtüftlern.
## Kein AKW in Wyhl
Wer den zähen Mann verstehen will, muss etwas über seine Heimat im
Südwesten der Republik wissen. Hier ist er verwurzelt wie die Tanne in der
Schwarzwalderde: In Freiburg, nur 25 Kilometer von Freiamt entfernt,
regiert seit über zehn Jahren ein grüner Bürgermeister, die Solarsiedlung
der Stadt wird weltweit kopiert, und autofreies Wohnen gehört zum guten
Ton.
Die Keimzelle der Ökobewegung liegt jedoch ein bisschen weiter westlich, in
Wyhl am Kaiserstuhl. 1973 sollte dort ein Atomkraftwerk gebaut werden. Doch
Bauern und Schriftsteller, Fischer und Künstler, Lehrer, Anwälte und linke
Studenten protestierten – auch Familie Frey ging sonntags nach der Kirche
zu den Demos. Der Bau des AKW konnte von den Gegnern verhindert werden.
„Dieser Kampf hat mich geprägt“, sagt Frey. Und die Erfahrung hat ihn darin
bestärkt, dass Widerstand wirkt.
Messegelände Freiburg: Das einzige „Freiluft-Ausstellungsstück“ auf diesem
etwas abgelegenen Teil der Messe ist ein 25 Meter hoher Strommast,
aufgestellt von Wolfgang Frey. Auf der Spitze dreht sich ein Windrädle.
Auch dies ein Testlauf. Frey will zeigen, dass Kleinwindmühlen auf
Strommasten sicher sind. Und vor allem: Dass man sie am besten dort
installiert, wo es schon Pfosten gibt. Denn Mast und Fundament eines
Windrads sind das Teuerste einer Windanlage.
Der Badener denkt eben wie ein Schwabe und lässt nichts verkommen oder
ungenutzt: „Strommasten stehen sowieso in der Gegend rum – alleine in
Baden-Württemberg 30.000. Würde man diese mit Kleinwindrädern bestücken,
entspräche das der Leistung eines kleinen Kohlekraftwerks, mit dem man eine
Kleinstadt versorgen könnte“, sagt Frey.
## Harte Nüsse
Viele Experten bezweifeln allerdings, dass dies möglich ist. Etwa Volker
Berkhout vom Fraunhofer Institut für Windenergie und Energiesystematik in
Kassel: „Die Masten sind für das Tragen der Stromleitungen gebaut – und
nicht dafür, die Windlasten und das Gewicht von Kleinwindrädern
auszuhalten.“
Diese Einwände und Bedenken kennt Frey schon. Doch durchzuhalten und nicht
aufzugeben lehrte ihn bereits seine Mutter: Im Herbst, wenn die Walnüsse
reif waren am Kaiserstuhl, musste der kleine Wolfgang beim Sammeln helfen.
Nachdem er bereits Sack um Sack gefüllt hatte, schickte ihn seine Mutter
kurz vor Sonnenuntergang noch einmal los. Er wusste, sie wird schon nichts
Unmögliches von ihm verlangen. Also stapfte er wieder los – und würde
fündig. Wenn es eine Nuss zu knacken gibt, dann erinnert er sich an damals:
nie zu früh aufgeben.
## Geld vom Land?
Und vielleicht ist die Lösung seiner Windrädle-Vision deswegen schon nah:
Gemeinsam mit dem süddeutschen Energieversorgungsunternehmen Badenova in
Freiburg will er einen Förderantrag für eine Windradversuchsanlage beim
Land stellen. Der Chef des Innovationsfonds von Badenova ist Peter Majer.
Als Majer vor über zwei Jahren von dem Windrad-auf-Baum-Kraxler hörte,
dachte er: „Was ist das für ein Spinner!“ Bei einem Bier hat ihn Frey dann
überzeugt. „Frey ist ein Enthusiast“, sagt Majer heute. „Seine Ideen hab…
Potenzial.“
Sollte es Geld vom Land geben, will Frey ausgediente Strommasten auf einem
Versuchsgelände aufstellen; verschiedene Windradtypen testen; beobachten,
ob die Modelle für Vögel und Fledermäuse eine Gefahr bedeuten. Und ganz
wichtig: errechnen, ob kleine Windräder überhaupt wirtschaftlich sind.
Freiburg-Rieselfeld, Käthe-Kollwitz-Straße. Frey steht auf dem Dach eines
Niedrigenergie-Mehrfamilienhauses. Er hat es als Architekt geplant. Das
Gebäude produziert mit Solarzellen, Geothermie-Anlage und vier Windrädern
mehr Strom, als die Bewohner verbrauchen. Doch auch in diesem alternativen
Kiez teilen nicht alle Freys Begeisterung – gerade die Windrädle
polarisieren. Einige Leute stören sich an den Vibrationen, andere mögen den
Anblick der Rotoren nicht.
## Per Hubschrauber
„In meiner Vorstellung sollten wir Energie kleinteilig erzeugen, denn wir
verbrauchen sie auch kleinteilig“, hält Wolfgang Frey dagegen. Er redet so
schnell, als hätte jemand den Vorspulknopf gedrückt. In seinem Leben
scheint es kaum Zeit für Pausen zu geben. Dazu passt seine Leidenschaft,
die ihm ein bisschen peinlich ist: sein eigener Hubschrauber. Mit dem
fliegt er zu Bauprojekten nach Frankfurt oder Heidelberg. Er sagt: „Das
spart Zeit.“
Frey ist im Hauptberuf eben nicht Windradbastler, sondern ein Architekt,
der so energieeffizient baut wie kaum ein anderer: Bei der Expo 2010 in
Schanghai stellte Frey als Vertreter von Freiburg Green City sein
nachhaltiges Stadtentwicklungskonzept vor. Seitdem wird Frey regelmäßig vom
chinesischen Vizebauminister Qui Baoxing eingeladen und hat von ihm mehrere
Aufträge erhalten. Frey arbeitet an der Entwicklung ganzer Ökostädte in
China mit, unter anderem in der Provinz Hunan. Deswegen beschäftigt Frey,
der Geschäftsmann, in seinem Architektenbüro in Freiburg sieben chinesische
Architekten.
Ob er auch in Deutschland Erfolg mit seinen Ideen hat, muss sich noch
erweisen. Er weiß von seinem Vater, dass Beharrlichkeit zum Ziel führt:
Frey senior, ebenfalls Architekt, experimentierte bereits 1972 mit
Sonnenkollektoren und Wärmepumpen – und wurde verlacht. Die Zeit hat ihm
recht gegeben. Deshalb bleibt auch Wolfgang Frey gelassen und glaubt an
seine kleine Energiewende.
„Jeder kann ein Windrad bauen!“, sagt er. Frey jedenfalls kriegt das hin –
auch wenn er im eigenen Büro die Espressomaschine nicht bedienen kann. Aber
da sind ja auch keine Propeller dran.
16 Apr 2013
## AUTOREN
Andrea Schwendemann
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