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# taz.de -- Madeleine Albrights biografisches Buch: Geschichte mit doppeltem Bo…
> Erst spät erfuhr die Ex-Außenministerin der USA von ihrer jüdischen
> Herkunft. Nun hat sie ein Buch über ihre Kindheit geschrieben und es in
> Berlin vorgestellt.
Bild: Madeleine Albright mit dem tschechischen Außenminister Jan Kohout (recht…
„Herauszufinden, dass man jüdisch ist, ist die eine Sache. Zu erfahren,
dass ein Teil der Familie in Auschwitz und Theresienstadt starb, ist etwas
anderes.“ Mit diesen Worten fasste Madeleine Albright zusammen, was ihr
1996 geschah. Erst mit 58 Jahren, kurz vor ihrer Vereidigung als erste
Außenministerin der USA, erfuhr sie von ihrer jüdischen Herkunft und dem
Schicksal der Großeltern.
Es folgte eine intensive Auseinandersetzung mit der jüdisch-tschechischen
Familiengeschichte. Albright vertiefte sich in die Zeugnisse ihrer Eltern,
ging in die Archive. Herausgekommen ist das soeben auf Deutsch erschienene
Buch „Winter in Prag. Erinnerungen an meine Kindheit im Krieg“.
Am Dienstag hatte der Siedler Verlag mit der American Academy zu einem
Gespräch zwischen Albright und ihrem ehemaligen Kollegen und langjährigen
Freund Joschka Fischer in Berlin eingeladen. Mittlerweile ist Madeleine
Albright 75 Jahre alt, ein Alter, das man ihr nicht anmerkt. Mit Witz
glänzte sie zwischen ihrem Gastgeber Gary Smith von der American Academy
und einem behäbigen Joschka Fischer.
## Von London aus nach Prag geblickt
„Winter in Prag“ beinhaltet eigentlich drei Bücher, hob Gary Smith hervor;
die persönliche Geschichte, die des Zweiten Weltkrieges und die der
folgenreichen diplomatischen Entscheidungen.
Albright wurde 1937 als Marie Jana Korbolová in Prag geboren. Zwei Jahre
später ging die Familie nach London. Ihr Vater arbeitete dort als junger
Diplomat eng mit der Exilregierung um Edvard Benes zusammen. „Ich wuchs auf
in der Überzeugung, dieses Land sei das beste“, erinnert sich die Autorin
an das Bild der Tschechoslowakei, das ihr die Exil-Tschechoslowaken, unter
denen sie aufwuchs, vermittelten. Schließlich war das Land bis Mitte der
30er Jahre eine liberale Demokratie gewesen, mit einer Verfassung nach
amerikanischen Modell, multiethnisch.
## Geliebte Tschechoslowakei
Dieses Ideal hat sie sich bis heute erhalten, das hört man ihren
Erzählungen an über die Prag-Besuche und ihre Freundschaft mit Václav
Havel. Entsprechend enttäuscht war Albright vom Nationalismus der
Sudetendeutschen, der Regierungsübernahme der Kommunisten 1948, nach der
die Familie in die USA auswanderte, und dem Auseinandergehen der Slowaken
und Tschechen nach dem Fall der Mauer.
Detailliert beschreibt die Autorin die Tschechoslowakei als europäisches
Schlüsselland. Zentral blieb für sie die Unterzeichnung des Münchner
Abkommens 1939. Dass die Alliierten das Feld kampflos räumten, sieht die
ehemalige Außenministerin als Sündenfall. Eine Erkenntnis, die ihre
späteren Entscheidungen prägen sollte. „Der Wille, Hitler zu stoppen, war
nicht da“, resümiert Albright. Erst später habe sie die komplexe Situation
der Westmächte nachvollziehen können: ermüdet vom Ersten Weltkrieg,
finanziell am Boden.
„Wir sehen die Dinge hauptsächlich schwarz und weiß, aber im Grunde
genommen sind sie schwarzweiß“, sagt sie. Die moralische Doppelbödigkeit
politischer Entscheidungen ist ein roter Faden in Albrights Autobiografie
und dürfte sie an ihre eigene Geschichte als Politikerin erinnern. 1999
hatte sie die Nato-Bombardierung Serbiens im Kosovo-Konflikt mit zu
verantworten. In diese Zeit fällt auch ihr erstes Zusammentreffen mit
Joschka Fischer.
## Einsatz Joschka Fischer
In Berlin schilderte der frühere Außenminister das Dilemma, als Grüner für
den ersten deutschen Kriegseinsatz nach 1945 zu werben. Entscheidend sei
das Massaker von Srebrenica gewesen. Albright beschreibt Fischer
entsprechend als Schlüsselfigur bei der Durchsetzung des Einsatzes,
unermüdlich habe er für die Intervention geworben. Wie sich das angehört
haben könnte, zeigt Fischer Minuten später, als er sich zu der Einschätzung
versteigt, in Mazedonien habe 2001 nur die Nato-Präsenz im benachbarten
Kosovo ein „neues Bosnien“ verhindert.
Nach einer guten Stunde sind die beiden Freunde bei der aktuellen Weltlage
angelangt. Albright fasst zusammen: „The world is a mess.“ Trotzdem lässt
sie es sich nicht nehmen, etwas zur Untätigkeit des Westens im Syrienkrieg
zu sagen. Es sei wie vor dem Münchner Abkommen: Die Hauptakteure seien
ermüdet von Afghanistan, warum sollten sie sich um Länder mit
unaussprechlichen Namen kümmern?
Es ist faszinierend zu sehen, wie sehr die persönliche Verstrickung in die
europäische Geschichte die US-Politikerin geprägt hat. Dass Politik so
läuft, ist für eine Welt im Dreck zwar keine tröstliche, aber eine wichtige
Erkenntnis.
## Madeleine Albright: „Winter in Prag. Erinnerungen an meine Kindheit im
Krieg“. Aus dem Englischen von Norbert Juraschitz. Siedler Verlag, München
2013, 544 Seiten, 24,99 Euro.
17 Apr 2013
## AUTOREN
Sonja Vogel
Sonja Vogel
## TAGS
Biografie
USA
Srebrenica
Srebrenica
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