# taz.de -- Der Sonntaz-Streit: Soll sich Kirche stärker einmischen? | |
> Kritiker sehen eine Entpolitisierung der Kirchen. Sie seien zu sehr mit | |
> sich selbst beschäftigt und zu wenig mit Politik. Ein sonntaz-Streit zum | |
> Kirchentag. | |
Bild: Werbung für den Kirchentag in Hamburg. Und was steckt drin? | |
Wenn der Deutsche Evangelische Kirchentag in Hamburg am 1. Mai eröffnet | |
wird, wird wieder ein riesiger Besucheransturm erwartet. Die Veranstalter | |
rechnen mit 100.000 Dauerteilnehmern und dreimal so vielen Besuchern bei | |
der Eröffnungsfeier. Das ist verkehrslogistisch ein Problem, bringt die | |
Kirche aber auch mal wieder als Akteur im großen Stil ins Bewusstsein. | |
Die wichtigsten Nachrichtensendungen werden berichten, Zeitungen | |
produzieren Sonderseiten – wie auch die taz –, die Kanzlerin wird kommen, | |
der Bundespräsident ein Grußwort sprechen, fünf Tage wird diskutiert und | |
gedacht, gesungen, gebetet und gefeiert. Statements werden formuliert und | |
Forderungen erhoben, Resolutionen verabschiedet, große Fragen gestellt. | |
Danach tritt dann oft Ernüchterung ein, zumindest bei vielen von denen, die | |
sich einer der beiden großen christlichen Kirchen zugehörig fühlen. Und das | |
sind in Deutschland immer noch knapp 50 Millionen Menschen. | |
Denn abseits vom Kirchentag und seiner Öffentlichkeit gilt: Wo ist Kirche? | |
Warum sagt sie so wenig? Wann und wo mischt sie sich noch ein bei den | |
drängenden Themen? | |
## Kirche und Friedensbewegung | |
Kirche sei unpolitisch geworden, lautet einer der meist erhobenen Vorwürfe. | |
Vorbei die Zeiten, in denen sich Kirchenleute quer stellten bei | |
politischen, gesellschaftlichen Debatten. Die Kirchen und ihre Bedeutung | |
für die Friedensbewegung, das Schlagwort von der „Bewahrung der Schöpfung“ | |
als Keim einer kirchlichen Umweltbewegung, die Rolle der Kirche für die | |
DDR-Opposition – alles lange her. | |
Und heute? Scheinen sich die Kirchen mehr und mehr in die Innerlichkeit | |
zurückgezogen zu haben. Spiritualität steht im Vordergrund, Kirchenobere | |
wirken oft aalglatt und nichtssagend, alleine die EKD-Ratsvorsitzende | |
Margot Käßmann ist in Erinnerung geblieben mit ihrem Satz „Nichts ist gut | |
in Afghanistan“, mit dem sie sich gegen die offiziell verbreitete Haltung | |
der Politik wandte, die die Entwicklungen dort so positiv zeichnen wollte. | |
Andererseits: Käßmann sagte zu vielen Themen etwas, das schwächte dann auch | |
die Bedeutung ihrer Worte ein wenig. Nach Käßmann sind die Stimmen leiser | |
und vorsichtiger geworden. | |
Auch Kirchentage wurden immer wieder als unpolitisch kritisiert. Ohne | |
Impulse für die Probleme im Hier und Jetzt, fromm und fröhlich, aber eben | |
nicht schroff und kritisch. Die Kritik wurde dann aber auch zurückgewiesen | |
– mit Verweis auf die Gesellschaft: Diskussionen in Kirchen würden nun mal | |
weitgehend bestimmt durch das Klima ganz allgemein. Und da müsse man | |
nüchtern feststellen, dass politische Themen einfach nicht mehr so zögen. | |
## Religion fürs Seelenheil | |
In genau diese Richtung argumentiert der evangelische Theologieprofessor | |
Christoph Markschies von der Humboldt-Universität Berlin: Politik solle | |
runter von der Kanzel und zwar komplett. Predigten über Reizthemen seien | |
wenig sinnvoll. Ein Plädoyer für ein spirituelles „Schuster bleib bei | |
Deinen Leisten“, denn Religion sei für das Seelenheil der Menschen | |
verantwortlich. | |
Dabei gäbe es Themen und Anlässe genug: die Finanzkrise die von den | |
Kirchen gerne unter dem Gesichtspunkt schwindender Kirchensteuern | |
diskutiert wird -, das Auseinanderklaffen von Arm und Reich, Ausbeutung der | |
Natur, Waffengeschäfte der Bundesregierung, die Überforderung von Schülern, | |
die Gefahr, die von Brandrednern wie Thilo Sarrazin für das Miteinander in | |
einer pluralen Gesellschaft ausgeht. | |
Muss die Kirche politischer werden, radikaler, schroffer? Oder ist das | |
heute in Zeiten der Vielstimmigkeit gar nicht mehr möglich? Ist das | |
Einmischen gar nicht die Aufgabe der Kirche, soll sie sich auf sich | |
besinnen? Wie immer dürfen Sie bei uns mitreden. | |
Diskutieren Sie mit! Die sonntaz wählt unter den interessantesten | |
Kommentaren einen oder zwei aus und veröffentlicht sie in der sonntaz vom | |
27./28. April. Der Kommentar sollte etwa 900 Zeichen umfassen und mit dem | |
Namen, Alter, einem Foto und der E-Mail-Adresse der Autorin oder des Autors | |
versehen sein. Oder schicken Sie uns bis Mittwoch, 24. April, eine Mail an: | |
[1][[email protected]] | |
23 Apr 2013 | |
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## AUTOREN | |
Malte André | |
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