# taz.de -- Die ersten Kolonisten in den USA: Menschenfleisch zum Überleben | |
> Die ersten europäischen Siedlungsversuche in Amerika überlebte kaum ein | |
> Kolonist. Im Hungerwinter 1609 warfen sie offenbar alle kulturellen | |
> Normen über Bord. | |
Bild: Deutlich sind die Schnittspuren am Schädel von Jane zu sehen. | |
NEW YORK dpa | Die ersten dauerhaften englischen Siedler in Amerika sind | |
aus der Not heraus zu Kannibalen geworden. [1][Das berichtet das | |
renommierte US-Forschungsinstitut Smithsonian] nach der kriminaltechnischen | |
Untersuchung von Knochen aus dem 17. Jahrhundert. Sie wurden im heutigen | |
Bundesstaat Virginia gefunden. Nach der Analyse aßen die frühen Kolonisten | |
im Hungerwinter 1609/1610 ein 14 Jahre altes Mädchen auf. | |
Axt- und Werkzeugspuren an ihrem Schädel und an ihrem Schienbein ließen | |
keinen anderen Schluss zu, sagen die Forscher. Die Knochen wurden im | |
vergangenen Jahr in [2][Jamestown] ausgegraben, der ersten dauerhaft | |
besiedelten Kolonie Nordamerikas. | |
Die genaue Todesursache des „Jane“ genannten Mädchens habe nicht mehr | |
festgestellt werden können, weil nur ein Zehntel ihrer Knochen gefunden | |
wurde, heißt es im Bericht. Mord komme jedoch nicht infrage. Vielleicht sei | |
das Mädchen eines natürlichen Todes gestorben. | |
Jamestown war 1607 von 104 englischen Siedlern gegründet worden – 13 Jahre | |
bevor die Pilgerväter im heutigen Massachusetts landeten. Doch nur 38 der | |
frühen Kolonisten in Virginia überlebten die ersten neun Monate in der | |
neuen Welt. Die übrigen starben an Krankheiten und vergifteten sich | |
möglicherweise auch durch ihr Trinkwasser. | |
Vor allem aber hungerten sie, weil sie mitten in einer der schwersten | |
Dürren seit Jahrhunderten ankamen. Ohne die Hilfe der Indianer wäre die | |
Kolonie wohl sofort untergegangen. | |
## Nach der Dürre ein eiskalter Winter | |
Der harte Winter 1609/1610 raffte dann noch einmal fast alle übrigen | |
Kolonisten dahin. Die Siedler hatten kaum Vorräte durch die Dürre, dazu | |
kamen Feindseligkeiten mit den Indianern. Einer der Anführer der Kolonie, | |
George Percy, überlebte. Neue Siedler aus England kamen an und füllten die | |
Lücken. | |
16 Jahre später erinnerte sich Percy, dass die verzweifelten Menschen im | |
Hungerwinter 1609/1610 erst die Pferde, dann Hunde, Ratten und Mäuse und | |
letztlich selbst ihre Stiefel gegessen hätten. | |
Ob es auch Kannibalismus gab, wird seit Jahrzehnten unter Wissenschaftlern | |
diskutiert. Nach Ansicht des Smithsonians ist die Frage durch die | |
Untersuchung der Funde nun eindeutig beantwortet. | |
„Die freigelegten Knochen haben ungewöhnliche Spuren von Schnitten und | |
Hieben, die Versuche, Unsicherheit und den völligen Mangel an Erfahrung | |
beim Schlachten von Tieren zeigen“, sagte Anthropologe Douglas Owsley. | |
## Verzeifelte Menschen | |
„Der klare Vorsatz war aber, den Körper zu zerlegen, das Gehirn zu | |
entnehmen und das Fleisch vom Gesicht zu entfernen und zu essen.“ Die | |
Menschen seien verzweifelt gewesen. „Jedes verfügbare Fleisch wurde | |
gebraucht.“ | |
„Es gab vier Schläge auf den Hinterkopf, der stärkste von ihnen spaltete | |
den Schädel“, ergänzte Owsley. Dann sei vermutlich mit einem Messer ein | |
Loch gebohrt worden, um das Hirn zu entnehmen. Anscheinend wurden Gehirn, | |
Zunge, Wangen und Beinmuskeln gegessen. | |
„Das Gehirn vermutlich als erstes, weil es sich so schnell nach dem Tode | |
zersetzt.“ Es gebe aber keinen Hinweis auf Mord: „ch glaube nicht, dass sie | |
das Mädchen getötet haben“, sagte der Wissenschaftler. | |
„Sie waren einfach so verzweifelt, so in Not, dass sie keine Alternative | |
sahen.“ | |
2 May 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://newsdesk.si.edu/releases/smithsonian-and-preservation-virginia-revea… | |
[2] http://www.historyisfun.org/Jamestown-Settlement.htm | |
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