# taz.de -- Chemieprofessor über „sanften Bergbau“: „Das ist schon trick… | |
> Klassische Metallgewinnung ist ineffizient und energieaufwendig. Das sagt | |
> zumindest der Freiberger Chemieprofessor Martin Bertau. | |
Bild: Martin Bertau im Labor. | |
taz: Herr Bertau, im sächsischen Freiberg wird am 8. Mai ein neues Zentrum | |
für „sanften Bergbau“ eröffnet. Was genau ist das? | |
Martin Bertau: Wir versuchen, mit einer neuen Methode Metalle aus Gestein | |
zu gewinnen. Mikroorganismen sollen Metalle aus Erzgestein herauslösen, | |
indem sie Substanzen absondern, die Verbindungen mit ihnen eingehen. Das | |
funktioniert ähnlich wie beim Enthärter im Waschmittel: Die Sauerstoffatome | |
einer bestimmten Säure schlingen sich um Kalziumatome im Wasser. Das | |
Kalzium wird dem Carbonat entzogen. Bei unserem „biohydrometallurgischen“ | |
Prozess nutzen wir mikrobielle Substanzen, die sich um die Metallatome | |
„herumwickeln“ und sie in Wasser binden. So kann man die Metalle aus dem | |
Berg spülen und muss ihn nicht aufbrechen. | |
Welche Metalle lassen sich so gewinnen? | |
Wir versuchen es erst einmal mit Germanium und Indium, beides begehrte | |
Hightech-Metalle. Unter Freiberg schlummert eine große Indium-Lagerstätte; | |
allerdings ist das alte Bergwerksgebäude teils mit Schlamm gefüllt. Mit | |
klassischem Bergbau kommt man da nicht mehr ran. | |
Wie sähe die klassische Gewinnung von Indium und Germanium aus? | |
Man treibt mit schwerer Technik einen Stollen in den Berg, transportiert | |
die erzhaltigen Gesteinsbrocken ab, klopft sie klein und mahlt sie. | |
Schließlich wird durch Verhüttung, also Erhitzen, das reine Metall | |
gewonnen. Das alles erfordert massive Eingriffe in die Lagerstätte und ist | |
sehr energieaufwendig. | |
Welche Mikroorganismen wollen Sie verwenden? | |
Verschiedene Bakterien sind möglich; welche am besten geeignet sind, müssen | |
wir herausfinden. Wir werden keine gentechnisch veränderten Bakterien in | |
die Natur entlassen, sondern Wildtypen verwenden, die wir etwa auf Halden | |
vorfinden. | |
Wird das Verfahren schon angewendet? | |
10 bis 15 Prozent des Kupfers wird auf diese Weise gewonnen, beim Gold gibt | |
es Versuche. Das Verfahren steckt aber noch in den Kinderschuhen. Der Reiz | |
daran ist, dass Chemiker, Biologen und Metallurgen es gemeinsam entwickeln. | |
Der Chemie kommt eine zentrale Bedeutung zu, denn pyrometallurgische | |
Methoden allein sind hier zu ineffizient; viele wertvolle Metalle landen in | |
der Schlacke und sind dann eben weg. | |
Welche Probleme müssen Sie noch erforschen? | |
Ich muss die Metallatome dazu überreden, sich aus dem Griff der | |
Biomoleküle, die die Bakterien gebildet haben, zu lösen. Das ist schon | |
tricky. Haben wir das geschafft, liegt eine Lösung aus verschiedenen | |
Metallen vor. Diese voneinander zu trennen ist schwierig. Wir wollen nicht | |
nur eine hohe Trennschärfe erreichen, sondern auch möglichst wenig Abfall | |
erzeugen und auch etwas Profanes wie Eisen oder Aluminium verwerten. | |
Könnte man mit dem Verfahren Indium auch aus einem Touchscreen herauslösen? | |
Das wäre wichtig, denn die Indium-Vorräte sind sehr begrenzt. Wir können | |
uns künftig nicht nur auf Primärstätten konzentrieren. Die Frage ist, ob | |
die Mikroorganismen auch mit hohen Zinngehalten umgehen können, die in | |
Touchscreens vorliegen. Das sind alles unsere Fragen. | |
8 May 2013 | |
## AUTOREN | |
Heike Holdinghausen | |
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