# taz.de -- Anwalt über Online-Medien-Datenschutz: „Grundgesetz wurde unters… | |
> Ein Gericht zwang einen Netzseiten-Betreiber, Daten eines Nutzers | |
> herauszugeben. Rechtsanwalt Roman Ronneburger geht das zu weit. | |
Bild: Mund auf, sonst Schelle. | |
Wegen übler Nachrede eines Nutzers auf klinikbewertungen.de [1][drohte | |
Rasmus Meyer, dem Betreiber des Bewertungsportals, Beugehaft]. Meyer | |
weigerte sich, die Daten des Nutzers herauszurücken und berief sich auf das | |
Zeugnissverweigerungsrecht von Journalisten. Nun hat das Landgericht | |
Duisburg entschieden, dass das Urteil rechtmäßig sei. [2][Der richterliche | |
Druck wirkte – Meyer wird die Daten preisgeben], hat aber bereits | |
Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Was darf man im | |
Internet eigentlich alles sagen, für wen gilt die Pressefreiheit und wie | |
steht es mit dem Datenschutz? Die taz hat den Medienrechts-Anwalt Roman | |
Ronneburger gefragt. | |
taz: Herr Ronneburger, in dem Verfahren ging es vor allem darum, ob der | |
Betreiber eines Bewertungsportals die gleiche rechtliche Stellung hat wie | |
Journalisten. Welche rechtlichen Kriterien gibt es denn dafür, dass etwas | |
als Presse gilt und der betroffene Redakteur das Zeugnisverweigerungsrecht | |
in Anspruch nehmen kann? | |
Roman Ronneburger: Vor dem Hintergrund von Artikel 5 Grundgesetz sind | |
sowohl das Recht auf freie Meinungsäußerung als auch das Recht auf | |
Pressefreiheit starke Grundsätze im Gesetz. Das Recht auf freie | |
Meinungsäußerung hat zunächst einmal jeder, solange es keine Grenze | |
überschreitet, ab der es diffamierend wird. Bei der Pressefreiheit würde | |
ich bei den aktuellen Online-Medien sehr weit gehen. Auch kleine Blogger | |
werden sich darauf berufen können – das ist die Art, auf die wir heute | |
Informationen bekommen. Das Recht der Zeugnisverweigerung ist nicht auf ein | |
Pressemedium im klassischen Sinne beschränkt. | |
Das Urteil fiel anders aus. | |
In dem konkreten Fall ist der Richter ganz schön weit gegangen, die | |
Weitergabe von Daten in so einem Beugeverfahren zu erzwingen. Von ihm und | |
auch vom Landgericht wurde der Wertgehalt von [3][Art. 5 Grundgesetz] | |
unterschätzt. Es gilt auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Und es | |
ist stets auch die Pressefreiheit im Rahmen einer entsprechende | |
Beugemaßnahme zu berücksichtigen. | |
Was genau garantiert das Zeugnisverweigerungsrecht? | |
Pressefreiheit fängt bei der Sammlung von Informationen an. Durch das | |
Recht, seine Informanten zu schützen, kann es anonyme Hinweise geben. Ich | |
weiß nicht, mit wie vielen anonymen Quellen Sie arbeiten, aber ohne | |
Anonymität ginge eine ganze Menge an Informationen verloren. Als Redakteur | |
hat man die Pflicht, das dann sauber zu recherchieren. Wenn alle Quellen | |
offen liegen müssten, dann hätten wir nicht so eine qualifizierte Presse. | |
Das haben wir in autoritären Staaten gehabt, in der DDR und im | |
Nationalsozialismus. Ich würde den Quellenschutz daher sehr weit auslegen. | |
Unter anderem wurde in Meyers Verteidigung versucht, Bewertungen auf einem | |
Online-Portal mit Leserbriefen gleichzusetzen. | |
Das halte ich auch für richtig. Es sollte in den Medien die Möglichkeit | |
geben, anonyme Informationen zu verbreiten. Vielleicht denkt sich jemand, | |
ich schreib da anonym was, das ist ein dickes Ding, und Sie recherchieren | |
das und decken dadurch irgend etwas Heikles auf. Genauso ist es erlaubt, | |
Zuschriften Dritter anonym zu veröffentlichen. | |
Wann müssen Seitenbetreiber für die Kommentare ihrer Nutzer haften? | |
Die Rechtssprechung ist da uneinheitlich. Wir haben da zwei Fälle gehabt, | |
die unterschiedlich entschieden wurden. Es ging zum einen um das Portal | |
[4][„Spickmich“], auf dem Schüler ihre Lehrer bewerten können, und um ein | |
ähnliches Portal [5][„Meinprof.de“]. Bei „Meinprof.de“ wurde – | |
[6][zumindest in erster Instanz] – entschieden, dass der Betreiber für die | |
Inhalte haftet. Ihm wurde vor dem Hintergrund, dass er darüber mit Werbung | |
viel Geld eingenommen hat, eine Prüfungs- und Überwachungspflicht | |
hinsichtlich des Inhalts auferlegt. Bei „Spickmich“ wurde der Kommentar als | |
Meinung beurteilt, [7][die nicht über die Grenze zur Schmähkritik | |
hinausgeht, und daher zulässig war.] | |
Was ist mit den Leserkommentaren unter Artikeln auf Online-Pressemedien wie | |
taz.de? | |
Da gab es kürzlich einen Parallelfall: Es fand eine Durchsuchung bei der | |
Augsburger Allgemeinen statt. Da ging es auch um Äußerungen im Forum einer | |
Zeitung. Meiner Meinung nach gehört das zur Presse. Oder wozu etwa sonst – | |
zum Anzeigenteil? Aus dem Bauch heraus würde ich das jetzt so sagen. | |
Muss der Betreiber einer Webseite die genauen Daten seiner Nutzer kennen? | |
Und wenn er sie kennt, muss er sie preisgeben? | |
Da sind wir beim Datenschutz. Inwieweit der Betreiber überhaupt das Recht | |
hat, Daten zu speichern, ergibt sich aus [8][§14 des Telemediengesetzes]. | |
Auf jeden Fall gibt es keine Verpflichtung. Es steht ihm frei, Nutzer dazu | |
aufzufordern – in Deutschland geht mit Einwilligung eine Menge. Er darf | |
auch den Behörden Auskunft erteilen – nach Maßgabe von § 14 II TMG, aber | |
nur unter den dortigen engen Voraussetzungen. Also man kann nicht bei jeder | |
Sache hingehen und Daten anfragen. | |
9 May 2013 | |
## LINKS | |
[1] /!111077/ | |
[2] http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2013/05/06/drohung-mit-beugehaft… | |
[3] http://dejure.org/gesetze/GG/5.html | |
[4] http://www.spickmich.de/ | |
[5] http://www.meinprof.de/ | |
[6] http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/gute-lehre-schlechte-lehre-meinpro… | |
[7] http://www.readers-edition.de/2007/11/27/koelner-oberlandesgericht-zu-spick… | |
[8] http://www.gesetze-im-internet.de/tmg/__14.html | |
## AUTOREN | |
Marlene Staib | |
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