# taz.de -- Rassismus im italienischen Fußball: „Buuhs“ gegen Balotelli un… | |
> AC-Milan-Profi Sully Muntari leistet sich einen Aussetzer, die Fans des | |
> AS Rom gleich mehrere: Mario Balotelli und Kevin-Prince Boateng werden | |
> rassistisch beleidigt | |
Bild: Schnauze halten! Mario Balotellis Vorschlag für die Roma-Fans | |
NEAPEL taz | Bei der Serie-A-Begegnung zwischen dem AC Mailand und dem AS | |
Rom am Sonntagabend sollte es eigentlich um den Zugang zu den europäischen | |
Wettbewerben gehen. Milan kämpft weiterhin um den Qualifikationsplatz für | |
die Champions League, der AS Rom hatte vor Anpfiff noch Hoffnungen auf die | |
Europa League. Was sich in den folgenden 90 Minuten abspielte, ließ aber an | |
der Qualifikation beider Mannschaften und vor allem der Fanlager für | |
internationale Auftritte zweifeln. | |
Milans Sully Muntari fiel Schiedsrichter Gianluca Rocchi in den Arm, als | |
dieser eine gelbe Karte gegen Mannschaftskollegen Balotelli zücken wollte – | |
und wurde wegen dieses Angriffs auf den Unparteiischen vom Platz gestellt. | |
Roma-Kapitän Totti ereilte das gleiche Schicksal, nachdem er Gegenspieler | |
Mexes den Ellenbogen ins Gesicht gerammt hatte. | |
Davor, danach und dazwischen hatten die Fans ihre Ausraster. Noch in der | |
ersten Halbzeit ertönten langgezogene „Buuuhs“, wenn die Milan-Profis | |
Kevin-Prince Boateng und Mario Balotelli den Ball berührten. Stellte sich | |
anfangs die Mehrheit der Zuschauer gegen diese Sprechchöre von circa 500 | |
Roma-Fans, so gewannen Letztere in der zweiten Halbzeit die Oberhand. | |
Selbst Drohungen des Stadionsprechers, dass die Partie abgebrochen werden | |
könnte, fruchteten nichts. Zu Beginn der zweiten Halbzeit unterbrach der | |
Referee das Spiel und veranlasste Roma-Kapitän Totti zur Einflussnahme beim | |
eigenen Anhang. Dies bewirkte eine kurzzeitige Beruhigung. Doch wenig | |
später wurden die Beleidigungen fortgeführt. Milan-Kapitän Massimo | |
Ambrosini erklärte in aller Deutlichkeit: „Das darf nicht toleriert werden. | |
Wenn ihr mich fragt, ob ich die Partie vorzeitig abgebrochen hätte, dann | |
sage ich euch, dass ich das schon einmal gemacht habe.“ | |
Ambrosini bezog sich auf das Freundschaftsspiel des AC Mailand im Januar | |
gegen den Viertligisten Pro Patria. Nach rassistischen Beleidigungen hatte | |
Boateng dort den Platz verlassen. Seine Teamkollegen folgten ihm und | |
zwangen den Schiedsrichter zum Abbruch. Ambrosini konstatierte indes auch | |
eine Verbesserung: „Die Leute waren solidarisch und haben der Entscheidung | |
des Schiedsrichters, das Spiel zu unterbrechen, applaudiert. Das ist ein | |
gutes Zeichen.“ | |
## Aufforderung an Nero | |
Die eigenen Fans fielen freilich ebenfalls durch verbale Tiefschläge auf. | |
Sie starteten Gesänge, in denen sie Nero aufforderten, Rom ein weiteres Mal | |
abzubrennen. Als „schlimme Visitenkarte für den italienischen Fußball“ | |
wertete die Repubblica die Ereignisse im Stadion San Siro. Die „Buuhs“ | |
gegen Balotelli sind umso verheerender, weil die neu berufene Ministerin | |
für Immigration, Cecile Kyenge, den Nationalstürmer zur Symbolfigur gegen | |
Rassismus auserkor. Balotelli forderte die Krakeeler auf dem Platz zum | |
Schweigen auf. Doch diese Courage war vergeblich. | |
Einen Überblick über des Volkes Verfassung konnte man sich in den | |
Internetforen machen. „Wie kommt man dazu, ein ’Buuh‘ als rassistisch zu | |
bezeichnen? Was soll man sonst gegen Balotelli brüllen? ’Du bist | |
unsympathisch? Du gefällst mir nicht’?“, regte sich ein Fan bei der | |
Gazzetta dello Sport auf. | |
Ein anderer meinte: „Wenn ein Buuh ausreicht, einen gegnerischen Angreifer | |
in Schwierigkeiten zu bringen, dann bin ich als Anhänger der Erste, der ihn | |
anbrüllt, selbst wenn ich kein Rassist bin.“ Und ein Dritter hielt gar | |
Balotelli vor, mit seinen Beruhigungsversuchen „provoziert“ zu haben. | |
Die vermeintlichen Entschuldigungen lassen ein noch düsteres Bild vom | |
Zustand der italienischen Gesellschaft entstehen. Schwer einzuschätzen, ob | |
nur die Kultur im Sport derart degeneriert ist oder ob es sich um ein | |
repräsentatives Abbild der Gesellschaft handelt. | |
13 May 2013 | |
## AUTOREN | |
Tom Mustroph | |
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