| # taz.de -- Schwules Museum Berlin: Im besten Sinne unpädagogisch | |
| > Nach langen Jahren am Berliner Mehringdamm eröffnet das Schwule Museum in | |
| > der Lützowstraße von Neuem. Das Konzept ist dasselbe. | |
| Bild: Johanna Jaeger: n.t. (lützowstr.73 / without walls), 2012: Aus der Sonde… | |
| Um es vorweg zu nehmen: Das rosa Dreieck, das am Kreuzberger Mehringdamm | |
| über dem Hofeingang zum Schwulen Museums hing, ist nicht mit umgezogen. Es | |
| gehört dem Café Melitta Sundström. So weit, so gut. Am neuen Standort des | |
| Museums in der Lützowstraße in Tiergarten fehlt noch ein Blickfang. Hier | |
| sieht es nach Baustelle aus, draußen liegt Schutt, vieles ist noch | |
| verhüllt. | |
| Beim Betreten hingegen spürbare Veränderung: 1.620 Quadratmeter, die | |
| moderner nicht gestaltet sein können. Klar, minimalistisch, offen. Vier | |
| Ausstellungsräume, drei Etagen. Vom Altbaucharme am Mehringdamm bleibt | |
| wenig, nur hier und da findet sich in den Räumen noch die raue Atmosphäre | |
| von früher. Carsten Wiewiorra, Vorstandsmitglied des Museums und Architekt, | |
| war auch als Berater für die Inneneinrichtung verantwortlich. „Das geht | |
| fast schon in Richtung ’White Cube‘ “, sagt er. „Es geht um Kontraste, … | |
| Diskurse, um Fragen wie gut und böse, pro und contra.“ | |
| Behalten hat das Schwule Museum seinen Namen. Hätte der sich mit Umzug und | |
| Neuanfang nicht auch ändern sollen? Die Geschichte des Museums ist die der | |
| Emanzipationsbewegung, dadurch war das Haus lange überwiegend schwulen | |
| Themen verpflichtet. Gleichzeitig wurden auch homosexuelle Frauen bis in | |
| die siebziger Jahre hinein als „schwul“ bezeichnet. Mit der positiven | |
| Aneignung des Begriffs fielen die Lesben raus. | |
| Heute provoziert der Name durch seine Verengung auf ein einzelnes Attribut, | |
| doch es soll nicht um Exklusion gehen: Die MitarbeiterInnen sind sich | |
| durchaus der LGTBIQ-Community (Lesben, Gay, Bi-, Trans-, Intersex und | |
| Questioning/Queer) bewusst. Die räumliche Erweiterung symbolisiert eben | |
| auch einen thematische. Ein Sternchen (*) am Ende des Namens macht die | |
| Öffnung deutlich. Bei einem Rundgang spricht die Kulturmanagerin und | |
| Pressesprecherin Sylvia Arnaout oft von einer „absoluten Verbesserung“. Und | |
| sie hat recht: Endlich können die Archivbestände – 50.000 Flugblätter, | |
| Flyer, Plakate sowie rund 20.000 Kunst- und Fotoobjekte – sachgerecht | |
| aufbewahrt werden. Das gilt auch für die 16.000 Bücher der Bibliothek. | |
| Insgesamt befindet sich das Schwule Museum im „Prozess der | |
| Professionalisierung“. Seit 2010 wird es vom Senat mit jährlich 250.000 | |
| Euro gefördert – das bedeutet die Finanzierung von drei festen Stellen. Der | |
| Prozess soll auch durch die neuen Räumlichkeiten sichtbar werden. | |
| ## Dauerausstellung in Arbeit | |
| Am Ausstellungskonzept hingegen hat sich wenig geändert. Es soll weiterhin | |
| eine Dauerausstellung geben, sie wird zurzeit noch konzipiert und vorläufig | |
| durch die Schau „Transformation“ ersetzt. Die Arbeiten diverser Künstler | |
| beschäftigen sich mit Wandlung, Erneuerung und Grenzüberschreitung. Es ist | |
| eine Reise durch die LGTBIQ-Geschichte: Fotografien von Nan Goldin treffen | |
| da auf alte Spiegel-Cover mit Titeln zum Thema Homosexualität. | |
| Ebenfalls zu Anfang gezeigt wird die Ausstellung „Update*“, die mit Werken | |
| von Johanna Jaeger, Benten Clay und Tobias Wille den Wandel des Museums | |
| nachzeichnet. Sehr selbstreferenziell, sehr charmant. In einem weiteren | |
| Raum hängen Gemälde des DDR-Künstlers Jochen Hass aus den Jahren 1950 bis | |
| 1955. Die drei Ausstellungen zeigen, dass der Geist und die Stärken des | |
| Schwulen Museums in die neuen Räumlichkeiten mitgenommen wurden. Denn wie | |
| die Ausstellungen am alten Standort sind die neuen im besten Sinne | |
| unpädagogisch. Der Raum zur Selbsterkenntnis wird den BesucherInnen selbst | |
| überlassen. Es wird kontextualisiert, aber keine klare Linie vorgegeben. | |
| ## ■ Schwules Museum*, Lützowstr. 73, Eröffnung heute, Fr., 19 Uhr, Infos | |
| unter: | |
| 16 May 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Enrico Ippolito | |
| Enrico Ippolito | |
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