# taz.de -- Champions-League-Finale der Frauen: Wolfsburg ist das beste Team Eu… | |
> Es war ein Sieg der alten deutschen Fußball-Tugenden. Der VfL Wolfsburg | |
> setzt sich knapp gegen den Titelverteidiger Olympique Lyon durch. | |
Bild: Anna Blässe mit Pott im Stadion des FC Chelsea in London. | |
LONDON taz | „Wa-, Wa-, Wahnsinn!“ Kann es sein, dass der smarte | |
Mittfünfziger im smarten Businessanzug wirklich gestottert hat? Thomas | |
Röttgermann, der Geschäftsführer des VfL Wolfsburg, tat sich schwer Worte | |
zu finden, für das, was er da gerade erlebt hat. „Die Meisterschaft war das | |
beste, der Pokal das allerbeste aber jetzt der Champions-League-Sieg, das | |
ist das allerallerbeste.“ | |
Der VfL Wolfsburg ist gerade durch ein 1:0 gegen Olympique Lyon | |
Champions-League-Sieger 2013 geworden und der Manager scheint die üblichen | |
Marketingfloskeln glatt vergessen zu haben, stottert und bemüht eine | |
beinahe schon niedlichen Kinderkomparativ. | |
„Wir sind die erfolgreichste Mannschaft Europas“, sagte Röttgermann nach | |
dem Spiel. Jetzt wolle man weiterarbeiten, wolle auch das beste Team | |
Europas werden. Das ist, da ließen weder Trainer, noch Geschäftsführer und | |
die Wolfsburger Spielerinnen schon gar nicht den Hauch eines Zweifels zu, | |
das ist weiterhin Olympique Lyon. | |
Die Mannschaft, die in den vergangenen zwei Jahren die Champions League | |
gewonnen hat, zeigte auch am Donnerstag im mit 19.000 wohlmeinend gezählten | |
Zuschauern nicht einmal zur Hälfte gefüllten Stadion des FC Chelsea an der | |
Stamford Bridge, was sie kann. | |
Die besseren Fußballerinnen spielten an diesem Abend auf der Seite des | |
Titelverteidigers. Das Passspiel war sicherer als das der Wolfsburgerinnen, | |
die Laufwege überraschender und die Ballverarbeitung teilweise eine | |
Augenweide. Lyon hatte auch mehr Chancen, aber es war eben nicht zwingend | |
genug, was die Frauen unter der Regie von Spielmacherin Louisa Necib da | |
spielten. | |
Am Ende sind sie regelrecht zerschellt an der taktischen Disziplin und der | |
physischen Stärke der Wolfsburgerinnen, die sich in die Bälle geworfen | |
haben wie die deutschen Recken in den besten Zeiten des Vorstopperfußballs. | |
Das hat den Spielerinnen offensichtlich Spaß gemacht, immer wieder | |
meterlang auf den Hosenboden über den Rasen und in die Bälle | |
hineinzurutschen. | |
## Mit Videos gefüttert | |
Lena Gößling erzählte mit vor Freude weit aufgerissenen Augen, wie sie das | |
Kunststück vollbracht haben das Team zu besiegen, das Manager Röttgermann | |
als „Übermannschaft“ bezeichnet hat. „Der Trainer hat uns mit Videomater… | |
gefüttert und uns gezeigt, wo Lyon Schwächen hat.“ Schwächen? Was hat | |
Trainer Ralf Kellermann („Die Spielerinnen haben eine taktische | |
Meisterleistung vollbracht“) denn für Schwächen im Spiel Lyons ausgemacht? | |
„Doch, doch, die gibt es“, meinte Gößling. „Die haben es nicht so gerne, | |
wenn man körperlich spielt.“ Stimmt. Das bestätigte nach dem Spiel auch die | |
Schweizerin Lara Dickenmann, die Lyons Trainer Patrice Lair in der Pause | |
für die US-amerikanische Olympiasiegerin Megan Rapinoe eingewechselt hatte, | |
um über links ein wenig mehr powern zu können. Die überlegt sich derzeit, | |
ob sie in Lyon noch genug Spielzeit bekommt und denkt über einen Wechsel | |
nach. Ob Deutschland da in Frage kommt? Schon. „Aber ob mir das physische | |
Spiel so liegt, das weiß ich nicht“, meinte sie. | |
Es war ein durch und durch deutscher Sieg der alten Tugendart. Die | |
Französinnen waren sich da nach dem Spiel einig. Sie beklagten sich nicht | |
groß darüber, dass ihre Offensivbemühungen unbelohnt blieben, dass für sie | |
kein Handelfmeter gepfiffen wurde, gegen sie aber sehr wohl. Sie waren | |
einsichtige Verliererinnen. Jean-Michel Aulas, der Präsident des | |
französischen Großklubs, winkte ab. „Wir haben solche Spiele zu selten. In | |
der Liga haben wir es zu leicht und im Europapokal hatten wir in den | |
letzten drei Jahren insgesamt vier solche Spiele.“ Es war ein seltenes Lob | |
für die deutsche Liga, in der es mittlerweile mit Wolfsburg, Turbine | |
Potsdam und dem FFC Frankfurt immerhin drei Mannschaften gibt, deren Spiele | |
gegeneinander meistens überaus intensiv sind. | |
## Verwundungen durch Neuzugänge | |
Jetzt wollen sie in Wolfsburg zum körperlichen auch noch das schöne Spiel | |
hinzufügen. Daran ließ Röttgermann keinen Zweifel. Der war nach der ersten | |
Freude schnell wieder im Vermarktungsjargon angekommen und meinte, dass es | |
nun darauf ankomme, den Erfolg nachhaltig zu machen. Mit einer Reihe | |
Neuverpflichtungen bei dem Klub, der in diesem Jahr die ersten drei | |
Frauentitel seiner Geschichte geholt hat, ist zu rechnen. Das kann zu | |
Verwundungen führen. | |
Zwei Neuzugänge für die nächste Saison sind schon bekannt. Neben dem | |
17-jährigen Schweizer Talent Noelle Maritz von FC Zürich wird Torhüterin | |
Almuth Schult von Bad Neuenahr nach Wolfsburg wechseln. Wer gesehen hat, | |
wie Alisa Vetterlein am Donnerstag gehalten hat, kann sich darüber nur | |
wundern. Die sagte nach dem Sieg brav, dass sie jetzt schön mitfeiern wolle | |
und auch sonst immer das mache, was man von ihr verlangt. Beim Pokalfinale | |
gegen Potsdam saß sie schlecht gelaunt auf der Bank, war kurzzeitig zur | |
Nummer zwei degradiert worden. Es wird gewiss nicht leicht, dieses von | |
Röttgermann angekündigte Nachhaltigkeitsmanagement. | |
Martina Müller, die in der 73. Minute den siegbringenden Schuss vom | |
Elfmeterpunkt ins Tor gedroschen hat, gehen derartige Überlegungen nicht | |
sehr nahe. Sie steht ohnehin am Ende ihrer Karriere. Die Stürmerin spielt | |
schon seit 2005 in Wolfsburg und organisiert derzeit den Übergang ins | |
Berufsleben. Um ihren Job bei Volkswagen besser ausfüllen zu können, ist | |
die gelernte Bürokauffrau schon aus der Nationalmannschaft zurückgetreten. | |
## 200 Fans: „Wahnsinn“ | |
Ein Jahr will sie noch für ihren Klub spielen. Sie kennt Wolfsburg und ihre | |
Fans am besten, weiß, was es bedeutet, dass 200 Wolfsburger Anhänger nach | |
London gekommen sind, einen „Wahnsinn“ nämlich und erzählt, dass noch mehr | |
gekommen wären, wenn die Hotels in London nicht ausgebucht gewesen wären. | |
„Die Heike, die seit Jahren bei uns mit der Trommel am Spielfeldrand steht, | |
hat sicher jetzt Tränen in den Augen“, meinte Müller und machte mit diesem | |
Satz das Marketinginstrument, das der VfL für den Volkswagenkonzern ist, zu | |
einem kleinen Frauenfußballverein, der der VfL eben auch immer noch ist. | |
Während sie dies sagte, schlichen die traurigen Profis von Olympique Lyon | |
in ihren schmucken Einheitskostümen zum noblen Mannschaftsbus. Die | |
Wolfsburgerinnen waren dagegen nicht uniformiert, als sie zur Party | |
aufgebrochen sind. Ob sie das noch machen dürfen, wenn sich der Erfolg erst | |
einmal vernachhaltigt hat? | |
24 May 2013 | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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