| # taz.de -- Forscher bloggen über Wissenschaft: Forschungsgelder sind Steuerge… | |
| > Um die Menschen nicht als Laien zurückzulassen, erklären immer mehr | |
| > Profis Wissenschaft. Im Internet verbreiten sich Blogs, Youtube-Videos | |
| > oder Missionstagebücher. | |
| Bild: Chris Hadfield: Der singende Commander von der Internationalen Raumstatio… | |
| STUTTGART dpa | Wenn Florian Kohn der Welt seine Forschungen erklärt, hat | |
| er eigentlich Feierabend. Dann schreibt der Biologe von der Universität | |
| Hohenheim die Beiträge für seine [1][„Missionstagebücher“] im Internet. | |
| „Anfangs war das nur für meine Familie und Kollegen gedacht“, erzählt der | |
| 33-jährige Stuttgarter. | |
| Als er für ein [2][Raketenprojekt nach China] reiste, wollte er die | |
| Daheimgebliebenen auf dem Laufenden halten. Dann aber schickten | |
| Wissenschaftler anderer Institute den Link an ihre Freunde, das | |
| [3][Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)] sowie User in | |
| Raumfahrtforen bekamen Wind davon. Er erhielt Mails von ihm unbekannten | |
| Lesern. Das weckte den Ehrgeiz. | |
| Bei seinem Projekt zur [4][Signalübertragung in menschlichen Zellen in der | |
| Schwerelosigkeit] war er vor kurzem in Bordeaux, Frankreich, zum | |
| Parabelflug. Im „Missionstagebuch“ beschreibt er unter anderem, wie die | |
| Zellen präpariert werden und dass für benötigte Chemikalien schon Monate | |
| vorher alle Sicherheitsdokumente vorgelegt werden müssen. | |
| Aber die Leser erfahren auch Details jenseits der Forschung. So schreibt | |
| Kohn über Probleme bei der Hinfahrt: „Wenn es im Motor verbrannt riecht, | |
| erkennen auch wir Biologen, dass was nicht stimmt.“ | |
| ## Wissenschaft für alle | |
| Kohn und seine Co-Autorin und Kollegin Claudia Ulbrich haben sich | |
| vorgenommen, Laien ihre Forschung zu erklären. „Wissenschaftler kriegen eh | |
| wissenschaftliche Aufsätze“, sagt Kohn. „Unsere Texte soll jeder verstehen, | |
| der keinen wissenschaftlichen Hintergrund hat.“ Allzu sehr gehen die beiden | |
| daher nicht ins Detail. „Ich hab aber immer wieder harte Fakten | |
| untergeschmuggelt“, lacht Kohn. | |
| Er vergleicht die Tagebücher mit den Y[5][ouTube-Videos von Astronaut Chris | |
| Hadfield], der mit einer Interpretation des David-Bowie-Hits „Space | |
| Oddity“" auf der Internationalen Raumstation ISS bekannt wurde. Hadfield | |
| erklärt in den Videos unter anderem, wie man sich im Weltall die Zähne | |
| putzt und was beim Auswringen nassen Stoffs passiert. | |
| Kohn und Ulbrich haben sich keine Regeln gesetzt, die Stuttgarter wollen | |
| beim Verfassen ehrlich bleiben. „Wir schreiben auch, wenn etwas schiefgeht, | |
| würden aber keine Schuldzuweisungen machen“, sagt der 33-Jährige. Frei nach | |
| der wissenschaftlichen Devise: „Fehlschläge sind nicht schlimm, solange man | |
| etwas daraus lernt.“ | |
| ## Bringschuld der Wissenschaftler | |
| Immer mehr Forscher schreiben im Internet über Wissenschaft – manche über | |
| eigene Projekte, andere allgemein. Anfang der 2000er Jahre hätten die | |
| ersten mit Blogs angefangen, sagt Beatrice Lugger vom [6][Nationalen | |
| Institut für Wissenschaftskommunikation]. Sie sieht Wissenschaftler sogar | |
| in der Pflicht: „Die haben eine Bringschuld, auf die Gesellschaft | |
| zuzugehen. Forschungsgelder sind Steuergelder.“ Ein Vorteil von Blogs sei, | |
| dass sich Menschen auf dieser Ebene eher trauten, Wissenschaftlern Fragen | |
| zu stellen. | |
| „Es bringt jedem Forscher was, mit Nicht-Fachpublikum über seine Forschung | |
| zu sprechen“, sagt Dorothee Menhart von [7][Wissenschaft im Dialog]. Viele | |
| berichteten, dass sie über das Erläutern ihrer Arbeit selbst neue | |
| Erkenntnisse gewinnen. | |
| Manche wittern laut Ilka Bickmann von der [8][Gesellschaft für | |
| Wissenschaftskommunikation] aber auch die Gefahr, kopiert zu werden. | |
| Vorbehalte gebe es zudem gegen lockere Sprache im Netz und dass schnelle | |
| Aktivität gefordert sei. | |
| ## Projekte infrage stellen | |
| Aber auch innerhalb der Expertenszene können Wissenschaftsblogs hilfreich | |
| sein, sagt [9][Professorin Annette Leßmöllmann], die sich an der Hochschule | |
| Darmstadt unter anderem mit Social Media in der Wissenschaftskommunikation | |
| befasst. „Es gibt heftige Debatten über Wissenschaftlichkeit.“ Dabei werde | |
| in Kommentaren durchaus auch mal die Relevanz eines Projekts oder Artikels | |
| komplett infrage gestellt. | |
| Bedenken, dass im frei zugänglichen Internet Falschmeldungen veröffentlicht | |
| werden könnten, hat sie nicht. „Sobald sich die Leute vernetzen, müssen sie | |
| sich überlegen, ob sie ihr Gesicht verlieren wollen oder lieber keinen | |
| Humbug schreiben“, sagt Leßmöllmann. Tendenziell seien deutsche | |
| Wissenschaftler zurückhaltender als etwa Kollegen aus Frankreich. Seriös | |
| ermittelte Zahlen gibt es aber nicht. | |
| Leßmöllmann empfiehlt Forschern, sich bekannten Seiten wie [10][scilogs.de] | |
| oder [11][scienceblogs.de] anzudocken, hinter denen namhafte Verlage | |
| stecken. Da Blogs in der Regel immer auf Verständlichkeit aus und auch | |
| Experten jenseits ihrer Spezialgebiete Laien seien, könnten den Beiträgen | |
| in der Regel auch Nicht-Fachleute folgen. | |
| ## Blogaffine Version | |
| Einen Brückenschlag versucht die Fraunhofer Gesellschaft mit | |
| [12][forschungs-blog.de] und dem sogenannten Dual-Blogging. Dabei steht | |
| einem Fachartikel in einer parallelen Spalte eine „blogaffine“ Version | |
| gegenüber, die lesernäher sein soll. „Die Fachsprache der Wissenschaft | |
| entspricht nicht immer unbedingt dem, was man auf Facebook in der | |
| Mittagspause freundlich interessiert durchliket.“ | |
| Die Fachleute kritisieren an den mit vielen Fotos gespickten | |
| „Missionstagebüchern“ aus Hohenheim, dass typische Blogeigenschaften wie | |
| Möglichkeiten zum Kommentieren fehlen. „Wenn man so etwas macht, sollte man | |
| auf jeden Fall zum Dialog einladen“, sagt etwa Lugger. | |
| Kohn und Ulbrich wollen nun erst mal die vorhandenen Texte ins Englische | |
| übersetzen, um sie einer größeren Leserschaft zugänglich zu machen. Das | |
| [13][DLR] wolle das Missionstagebuch zur Chinareise als Buch | |
| veröffentlichen, erzählt Kohn. „Das positive Feedback bestärkt uns.“ | |
| 28 May 2013 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://membranphysiologie.uni-hohenheim.de/97757 | |
| [2] http://membranphysiologie.uni-hohenheim.de/89470 | |
| [3] http://www.dlr.de | |
| [4] http://membranphysiologie.uni-hohenheim.de/97757 | |
| [5] http://www.youtube.com/watch?v=KaOC9danxNo | |
| [6] http://www.nawik.de/ | |
| [7] http://www.wissenschaft-im-dialog.de/ | |
| [8] http://www.science2public.com | |
| [9] http://journalismus.h-da.de/profil/prof-dr-annette-lessmoellmann/ | |
| [10] http://www.scilogs.de/ | |
| [11] http://scienceblogs.de/ | |
| [12] http://www.forschungs-blog.de/ | |
| [13] http://www.dlr.de | |
| ## AUTOREN | |
| Marco Krefting | |
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