# taz.de -- Neue Box-Ära in Kuba: Kohle für Kids Enkel | |
> Kubas Amateure haben das olympische Boxen lange dominiert. Um die | |
> Abwanderung der Besten zu verhindern, dürfen sie jetzt um Preisgeld | |
> kämpfen. | |
Bild: Verdient nun mehr Geld: kubanischer Boxer | |
Den „Sala Kid Chocolate“ kennt jedes Kind in Havanna. Direkt gegenüber vom | |
Capitolio, der Replik des US-amerikanischen Kongressgebäudes in der | |
Altstadt von Havanna, befindet sich eine der feinen Adressen des | |
kubanischen Boxsports. | |
Benannt ist die Halle, die an eine alte Gründerzeitfassade angebaut wurde, | |
nach Eligio Sardiñas alias „Kid Chocolate“. Der Federgewichtler krönte si… | |
1931 zum ersten kubanischen Weltmeister im Profisport und gilt als Kubas | |
bester Boxer aller Zeiten. Von ihm stammt der großkotzige Satz: „Das Boxen | |
bin ich“, und trotzdem wird der einst elegant durch den Ring tänzelnde | |
Boxer auf der Insel verehrt. | |
Von den einen, weil er es geschafft hatte, im Profiboxen Erfolg zu haben | |
und Geld zu verdienen, von den anderen, weil er nach der Karriere zurückkam | |
und in Kuba als Trainer in bescheidenen Verhältnissen arbeitete. | |
Das machen viele der Champs von einst – so wie Félix Savón oder Ariel | |
Hernández. Die beiden mehrfachen Amateurweltmeister gehören zu den | |
Schwergewichten der kubanischen Boxszene und sind dieser Tage auch in der | |
„Sala Kid Chocolate“ zugegen. | |
## Staffel aus jungen Talenten | |
Dort läuft das „Giraldo Córdova Cardín 2013“, eines der wichtigsten | |
internationalen Boxturniere der Insel. Dort will sich Kubas Nachwuchs | |
beweisen. Die jungen Talente der Staffel, die in den letzten Jahren nach | |
mehr als einen halben Dutzend Abgängen erfahrener Boxer aufgebaut wurde, | |
treten gegen Gäste aus zwanzig Ländern an. Darunter nahezu die gesamte | |
russische Equipe, chinesische und venezolanische Boxer sowie Delegationen | |
aus Brasilien und Kolumbien. | |
Das Turnier mit 196 Boxern markiert so etwas wie den Aufbruch in eine neue | |
kubanische Box-Ära. Am 1. Juni unterzeichnete Kubas oberster Boxfunktionär, | |
Alberto Puig de la Barca, einen Vertrag, der den Beitritt der | |
erfolgreichsten Amateurboxnation der letzten Jahrzehnte zur World Series of | |
Boxing (WSB) regelt. | |
Die World Series wurde vom Internationalen Amateurboxverband Aiba | |
gegründet, um den olympischen Boxern auch in den Jahren zwischen den großen | |
Spielen zu größerer Präsenz zu verhelfen. Sie besteht aus zwölf Teams, in | |
denen Boxer aus mehr als 50 Nationen in fünf Gewichtsklassen gegeneinander | |
antreten. | |
## Alle Medaillengewinner sind dabei | |
Die Crème de la Crème des olympischen Boxens ist in der Serie vertreten. So | |
sind mit den Kubanern, die laut Puig de la Barca ab November rund zwanzig | |
Boxer entsenden werden, so gut wie alle Medaillengewinner der letzten | |
Olympischen Spiele von London mit von der Partie. | |
Im Unterschied zu den Amateuren wird ohne Helm und Leibchen geboxt und | |
statt drei geht es über fünf Runden à drei Minuten. Mit dieser Anpassung an | |
das Profireglement will man verloren gegangene Popularität wiedergewinnen. | |
Außerdem wird in der WSB mit deutlich leichteren Boxhandschuhen gekämpft. | |
Attraktiv für die Box-Amateure dürften jedoch vor allem die Prämien sein, | |
die durch den Zufluss von Geldern durch die Werbepartner ausgeschüttet | |
werden können. In einigen Teilnehmerländern wie Mexiko werden die Prämien | |
in Form von monatlichen Fixgehältern ausgezahlt, und laut Puig werden auch | |
die kubanischen Cracks Zahlungen erhalten. | |
Für die Boxer von der Insel ist das durchaus attraktiv, so der unabhängige | |
Journalist Iván García, der seit Jahren die Entwicklung der Boxstaffel | |
beobachtet. „Die Serie bietet sowohl sportliche als auch finanzielle | |
Optionen für die Boxer der Insel. Es ist eine Chance, die Athleten auf der | |
Insel zu halten.“ | |
## Geld im Sport ist knapp | |
Geld ist im kubanischen Sportsystem ausgesprochen knapp und die Versorgung | |
der Athleten alles andere als üppig. Anders als früher erhalten verdiente | |
Boxer wie Robeisy Ramírez und Roniel Iglesias, die beiden kubanischen | |
Boxolympiasieger von London, nicht mehr automatisch ein Haus und ein Auto | |
vom kubanischen Staat. | |
Das Leben für die Champions auf der Insel ist härter geworden, denn der | |
Staat hat angesichts der schwelenden Wirtschaftskrise deutlich weniger zu | |
verteilen. Unmut bei den Akteuren wie Yuriorkis Gamboa, der seine | |
Goldmedaille von Athen in Kuba versetzen musste, sind die Folge. | |
Gamboa hatte sich gemeinsam mit zwei Kollegen, Yan Bartelemí und Odlanier | |
Solís, im Dezember 2006 von der Staffel abgesetzt. Den drei Olympiasiegern | |
sind rund ein halbes Dutzend weitere Boxer gefolgt, und die meisten | |
trainieren derzeit so wie Guillermo Rigondeaux in Miami. Rigondeaux, | |
Doppelweltmeister im Bantamgewicht, ist derzeit der erfolgreichste | |
Boxemigrant. | |
## Boxstars führen Luxusleben | |
Mit zwölf Siegen seit seiner erfolgreichen Republikflucht 2009 ist er WBA- | |
und WBC-Titelhalter und hat Boxgeschichte geschrieben. Diese Erfolge und | |
der zur Schau gestellte luxuriöse Lebensstil der muskulösen Kubaner werden | |
auch auf der Insel registriert. | |
Ein Grund, weshalb der kubanische Boxsport neue Wege beschreitet, um die | |
hoffnungsvollen Talente bei der Fahne zu halten. Das ist in anderen | |
Sportarten nicht anders. So wird im Volleyball wieder über eine Kooperation | |
mit der italienischen Liga nachgedacht, und im Baseball haben mehrere | |
frühere Nationalspieler in den letzten Monaten um mehr Pragmatismus | |
gebeten. | |
Der große Durchbruch in Richtung professionellere Strukturen könnte aber | |
dem Boxsport vorbehalten sein. In der „Sala Kid Chocolate“ ist das derzeit | |
genauso ein Thema wie der spektakuläre Boxstil der Staffel von der Insel. | |
Der geht, so hat Kubas Boxguru Alcides Sagarra einst zugegeben, auf das | |
Großmaul Kid Chocolate zurück. | |
12 Jun 2013 | |
## AUTOREN | |
Knut Henkel | |
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