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# taz.de -- Kolumne Halleluja: Ein Pfarrer verschwindet
> Das Berliner Erzbistum hat einen weiteren Ansprechpartner in Sachen
> Missbrauch berufen. Leider weiß die Kirche nicht, wie man Transparenz
> buchstabiert.
Bild: Kurz vor Weihnachten kam Pfarrer M. seiner Gemeinde plötzlich abhanden.
"Komm zu den Katholiken / da gibt es immer was zu beten“, heißt es im
kürzlich vom WDR zensierten Rap „Dunk dem Herrn“ der Comedienne Carolin
Kebekus. Das – also der suggerierte Reim – ist natürlich grob übertrieben.
Aber die Missbrauchsfälle der letzten Jahrzehnte sind weiterhin nicht
aufgearbeitet, und auf den weiter zurückliegenden lastet schwer der Mantel
des Vergessens.
Und künftig? Künftig hat das Berliner Erzbistum mit dem Franziskaner Josef
Schulte eine weitere „Ansprechperson“ für Fälle des Verdachts sexuellen
Missbrauchs durch kirchliches Personal – quasi als klerikales Pendant zu
der Psychologin Sigrid Rogge, die seit 2011 „Missbrauchsbeauftragte“ des
Erzbistums ist (ein Begriff in leichter semantischer Schieflage, aber
daraus muss man nun wirklich keinem einen Strick drehen).
Ob das wirklich ausreicht, weiß nur der liebe Gott. Allzu sicher sollte man
sich aber nicht sein. Denn Transparenz war noch nie eine Stärke der Kirche.
Illustriert sei das hier an einem Fall, der sich zuletzt im Berliner Norden
zutrug.
Es war im Dezember 2010, kurz vor Weihnachten, als der katholischen
Herz-Jesu-Kirche in Tegel plötzlich der Pfarrer abhandenkam. Das Erzbistum
ließ die überraschte Gemeinde Folgendes wissen: „Gegen Pfarrer M. ist im
Kontext der Leitlinien für den Umgang mit sexuellem Missbrauch
Minderjähriger durch Kleriker über die bundesweite Telefon-Hotline […] der
Deutschen Bischofskonferenz ein Vorwurf wegen sexuellen Missbrauchs erhoben
worden.“ Der Vorwurf beziehe sich auf einen früheren Einsatzort des
Priesters. Man werde eine Untersuchungskommission einsetzen und „mit den
Strafverfolgungsbehören zusammenarbeiten“. Der Beschuldigte nehme so lange
eine Auszeit.
Dann verging die Zeit ohne Pfarrer M. – und ohne Aufklärung. Wochen,
Monate, Jahre. Genau: Jahre. Erst am 28. April 2013 wurde während der
Sonntagsmesse in Tegel ein „Publicandum“ verlesen, eine offizielle
Stellungnahme des Erzbistums: „Die staatlichen und kirchlichen
Untersuchungen gegen Ihren Pfarrer sind inzwischen ergebnislos eingestellt
worden.“
Aus „unterschiedlichen Gründen“ habe das Verfahren so lange gedauert, hieß
es nun (ob eine kurz zuvor erfolgte Anfrage der taz zur Beschleunigung
beitrug, sei dahingestellt). Der Betroffene könne nun im Prinzip
zurückkehren, habe aber „unter Berufung auf seinen angegriffenen
Gesundheitszustand seinen Verzicht […] angeboten“. Jetzt sei es an der
Zeit, mit Gottes Beistand die entstandenen Wunden zu heilen. Amen.
Eine wirkliche Entlastung war das nicht, wie das Bistum später der taz
bestätigte. Nur habe man den Vorwurf wegen der Anonymität des Anrufers
nicht verifizieren können – und andere Fälle seien nicht gemeldet worden.
Eine weitere in der Kirche verlesene Behauptung war falsch: Staatliche
Behörden hatten gar nicht ermittelt, korrigierte man nun.
Das heißt? Entweder: An den Vorwürfen war etwas dran, dann hat die Kirche
sich bei der Aufklärung kein Bein ausgerissen. Oder es war eine
Verleumdung. Dann aber hat das Erzbistum das Kunststück fertiggebracht,
einen ihrer Angestellten durch Schlampigkeit und Mangel an Empathie zur
Unperson zu machen. Pfarrer M. widme sich heute „anderen Aufgaben im
Bistum“, heißt es. Welchen? Auch das weiß nur der liebe Gott – und der ein
oder andere Eingeweihte.
18 Jun 2013
## AUTOREN
Claudius Prößer
## TAGS
Kirche
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