# taz.de -- Kolumne Halleluja: Heilige Pflöcke einrammen | |
> Die christlichen Konkurrenten planen Großes, um ihr ramponiertes Image | |
> aufpolieren. Mit üppigen Zuschüssen vom Staat darf gerechnet werden. | |
Bild: Immer optimistisch bleiben: Der Berliner Kardinal Rainer Maria Woelki am … | |
Heftig schwankt das „Schifflein Petri“ (Benedikt XVI.) im Wellengang der | |
Zeit. Päpste kommen und gehen, neuerdings sogar in den Ruhestand und ohne | |
zu fragen. Das Glaubensangebot wird immer unübersichtlicher. Alles eine | |
einzige Talkshow. Die Christenheit, auch die protestantische, sucht | |
händeringend nach Orientierung, mal abgesehen von den Hunderttausenden, die | |
Jahr für Jahr den Weg zum Ausgang finden. | |
Es müssen Zeichen gesetzt werden. Und da hat jeder so seine Methode. Rainer | |
Maria Woelki, Hüter der römischen Herde, versucht es mit akademischem | |
Rennomee. Ausgerechnet die gottlose Großstadt will der Kardinal durch | |
Ansiedlung einer katholischen Hochschule zum Produktionsstandort ewiger | |
Wahrheiten machen. Es ist ja auch höchst ungerecht: Während an der | |
Humboldt-Uni eine ganze Fakultät lutherische Gottesmänner und -frauen | |
produziert, ja sogar einen „Universitätsprediger“ hat, gibt es für die | |
Konkurrenz nur ein klitzekleines theologisches Seminar an der Dahlemer FU. | |
Eine gewisse Annette Schavan ist dort Honorarprofessorin. | |
Woelki hat schon einen Plan: Er will die Theologische Hochschule Vallendar | |
vom Rhein an die Spree verpflanzen. Sie brächte rheinländisches | |
Frömmigkeits-Know-how mit und böte endlich die Möglichkeit zur Promotion | |
und Habilitation in den undurchdringlichen Angelegenheiten des Himmels. | |
Evangelischerseits hat man’s nicht so sehr mit der Frömmigkeit, ist aber | |
traditionell nah dran an der weltlichen Macht. Einer, der hier Chancen | |
sieht, einen weithin sichtbaren heiligen Pflock einzurammen, ist Berlins | |
Altbischof Wolfgang Huber. | |
Von diesem Dauermedienmann hört man in letzter Zeit nicht mehr so viel, | |
aber er ist auf dem besten Wege, sich ein 88,43 Meter hohes Denkmal zu | |
setzen: indem er – als streitbarer Kuratoriums-Chef der verantwortlichen | |
Stiftung – den Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche vorantreibt. Jenes | |
dem Ulbricht’schen Ordnungswahn zum Opfer gefallenen Gebäudes, an dem nicht | |
nur der schwarzbraune Dreck des „Tags von Potsdam“ klebte, sondern das von | |
Anfang an für die preußische Verquickung von Staat, Militär und Religion | |
stand. Etwas unfreundlicher ausgedrückt: von Gewalt und Glaube. | |
## Königsgruft mufft | |
Auch in Potsdam finden viele Menschen, dass niemand einen Pilgerort | |
braucht, dessen Klinke sich Hohenzollern-, Hindenburg- und Hitler-Fans in | |
die Hand geben. Restaurator Huber dagegen schon – wobei er das natürlich | |
anders formuliert: Es gebe „keinen kirchlichen Ort in der Bundesrepublik, | |
in dem man eine verantwortliche Auseinandersetzung mit unserer Geschichte | |
so intensiv praktizieren kann wie in der Garnisonkirche“, behauptete er | |
zuletzt in einem Tagesspiegel-Interview. Soll wohl heißen: Erst wenn die | |
Königsgruft wieder mufft, erst wenn man wieder dort stehen kann, wo vor 80 | |
Jahren der Führer ans goldene Lesepult trat, erst dann sollen wir so | |
richtig ins Reine kommen mit unserer Vergangenheit. Wer’s glaubt. | |
Huber ist jedenfalls wild entschlossen und rechnet mit üppigen Zuschüssen | |
vom Staat, wenn der Spendenwille der Bürger erlahmt. Er wird sie bekommen: | |
Bis sich in dieser Hinsicht etwas ändert, dürften noch ein paar Päpste | |
kommen und gehen. | |
17 Feb 2013 | |
## AUTOREN | |
Claudius Prösser | |
## TAGS | |
Potsdam | |
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