# taz.de -- Wort zum Sonntag: Ich richtig, du falsch | |
> Halleluja! Von den Schwierigkeiten des interreligiösen Dialogs. Eine | |
> Kolumne aus der neuen taz.Berlin-Wochenendausgabe. | |
Bild: Auch eine Option: einfach mal nichts sagen. | |
Da war es wieder, das D-Wort: Als Mitte November die Akademie des Jüdischen | |
Museums im Kreise der Prominenz eröffnet wurde, hieß es, man werde sich | |
hier dem „Dialog der Religionen“ widmen. Noch ist das Haus in Kreuzberg | |
eine Baustelle, aber im Gegensatz zum viel beschworenen interreligiösen | |
Dialog wird es in absehbarer Zukunft funktionieren. | |
Dialog hier, Dialog dort – religiöse Menschen scheinen nichts lieber zu | |
tun, als miteinander über ihre unsichtbaren Freunde (Gott, Allah usw.) zu | |
reden. Natürlich ist es genau andersherum: Sogenannte Glaubensinhalte sind | |
per se nicht verhandelbar. Religionen sind im Kern binäre Systeme. Ich | |
richtig, du falsch. Viel zu besprechen gibt es da nicht. | |
Trotzdem wimmelt es vor Dialogangeboten. Auf der Seite | |
[1][www.glaube-in-berlin.de] finden sich nicht weniger als 43 Links zu | |
„religiösen Gruppen, Vereinen, Gemeinschaften oder Verbänden, die sich dem | |
Interreligiösen Dialog widmen“. Wobei man die Zahl mit Vorsicht genießen | |
sollte: Der Link zu einem jüdischen „Institut für den religiösen Dialog e. | |
V.“ etwa führt in eine Wilmersdorfer Synagoge, deren interreligiöse | |
Kompetenz ausbaufähig scheint: „Grundsätzlich kann bei uns jeder Jude am | |
Gottesdienst teilnehmen“. Und geht es bei den Derwisch-Drehkursen des | |
Neuköllner Sufi-Zentrums tatsächlich um Kommunikation mit Andersgläubigen? | |
Andererseits: Es gibt sie ja, die Gruppen, in denen endlich mal drüber | |
gesprochen wird. Oder geschwiegen – wie im Rahmen der Initiative „Religion | |
auf dem Tempelhofer Feld“, in der Mitglieder der Genezarethgemeinde, von | |
St. Bonifatius, der Sehitlik-Moschee, der Jüdischen Gemeinde und anderer | |
einmal im Monat still übers Feld laufen, um „nur da zu sein im | |
gegenwärtigen Augenblick“. Das Manko dieser und ähnlicher Initiativen: Sie | |
erreichen nur einen winzigen Kreis. Der interreligiöse Dialog ist eine | |
Kopfgeburt. | |
Auf die Spitze treibt das die Gemeinde St. Petri-St. Marien: Am Standort | |
der einstigen Petrikirche in Mitte will sie ein „Interreligiöses Bet- und | |
Lehrhaus“ errichten – eine Stein gewordene Ringparabel für Christen, Juden | |
und Muslime. Allerdings hat man keine Katholiken im Boot, und „die Muslime“ | |
werden von der umstrittenen Gülen-Bewegung repräsentiert, der Kritiker | |
einen missionarisch-islamistischen Charakter vorwerfen. Religionen jenseits | |
des Ein-Gott-Prinzips werden erst gar nicht mitgedacht. Auf diesen Dialog | |
darf man gespannt sein. | |
Immerhin: Von einer Farce wie dem gerade in Wien eröffneten „König Abdullah | |
bin Abdulaziz Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog“, in | |
dem sich die beiden absolutistischen, patriarchalen und homophoben | |
Monarchien Saudi-Arabien und Vatikan unter dem Deckmäntelchen des Dialogs | |
zusammenkuscheln, ist Berlin verschont geblieben – bis jetzt. | |
9 Dec 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://www.glaube-in-berlin.de | |
## AUTOREN | |
Claudius Prösser | |
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