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# taz.de -- Wahlen in Albanien: Rechtskonservativ oder Ex-Sozialisten
> Ein Kopf-an-Kopf-Rennen wird erwartet. Aber auch eine nationalreligiöse
> Kleinpartei hat Aussichten auf Einfluss. Zum Auftakt der Wahl gab es
> gleich eine Schießerei.
Bild: Zuversichtlicher Amtsinhaber: Sali Berisha.
BERLIN taz | Die Albaner sind an diesem Sonntag aufgerufen, ein neues
Parlament zu wählen. Rund 3,3 Millionen Abstimmungsberechtigte entscheiden
darüber, ob der derzeitige rechtskonservative Regierungschef Sali Berisha,
der seit 2005 im Amt ist, ein weiteres Mandat erhält. Oder ob Edi Rama,
Chef der Sozialistischen Partei und von 2000 bis 2011 Bürgermeister der
Hauptstadt Tirana, einen Machtwechsel herbeiführen kann. Laut
Meinungsumfragen wird es ein Kopf- an-Kopf-Rennen geben.
Berishas Demokratische Partei hat sich mit 24 anderen Parteien zu einem
Wahlbündnis zusammengeschlossen. Die Demokraten, erklärte Anhänger einer
Integration in die Europäische Union, werben mit so sinnigen Slogans wie
„Wir stehen für Veränderungen und bewegen uns nach vorn“. Dabei nimmt der
68jährige den Mund reichlich voll. Im Falle einer Wiederwahl wolle er
250.000 neue Arbeitsplätze schaffen und ausländische Investitionen in Höhe
von sechs Milliarden US-Dollar ins Land holen. Zudem will er seine
Landsleute im Ausland, wenn sie nach Hause zurückkehren, für die kommenden
drei bis fünf Jahre von allen Steuerzahlungen befreien.
Dererlei Wahlversprechen könnten bei vielen Albanern auf fruchtbaren Boden
fallen. Im europäischen Vergleich gehört der Balkanstaat immer noch zu den
ärmsten Ländern. 12,4 Prozent der Bevölkerung leben in absoluter Armt, dass
heisst die Menschen müssen mit umgerechnet weniger als 40 Euro monatlich
auskommen. Offiziell wird die Arbeitslosenquote mit 13.3 Prozent angeben,
dürfte in Wahrheit aber um ein Vielfaches höher liegen. Im jüngste Ranking
von Transparence International hinsischtlich der Korruption rutschte
Albanien um 18 Plätze auf Rang 118 ab.
Wollen Umfragen zufolge 40 Prozent der Wähler Berisha ihre Stimme geben,
wird der Sozialist Rama bei 49 Prozent der Stimmen gehandelt. Auch die
Sozialisten, die sich mit 37 anderen Parteien zusammengschlossen haben,
setzen auf eine Integration in die EU. Der 48jährige Rama wirbt dafür,
Berisha „endlich los zu werden“, will als Regierungschef hart gegen
Korruption vorgehen sowie den Wegfall der Mehrwertsteuer für Nahrungsmittel
durchsetzen.
## Kleinparteien und Absurditäten
Neben Demokraten und Sozialisten könnten auch noch zwei weitere Parteien
beim Kampf um die 140 Mandate ein Wörtchen mitreden. So könnte Ilir Meta
mit seiner Partei „Sozialistische Bewegung für Integration“ (LSI) auf sechs
Prozent der Stimmen kommen. Noch bis zum vergangenen April war die LSI
Mitglied der Regierungskoalation gewesen, wechselte dann aber in das Lager
von Edi Rama.
Die „Rot-Schwarze-Allianz“ wurde im März vergangenen Jahres gegründet. Sie
setzt unter dem Slogan „Gott zuerst und Albanien über alles“ auf die
nationalistische Karte und propagiert unter anderem die Vereinigung der
Albanier in Kosovo und Mazedonien mit dem albanischen „Mutterland“.
Umfragen sehen die Allianz derzeit bei 5,5 Prozent der Stimmen. Dieser Wert
ist etwas gefallen, nachdem bekannt wurde, dass Parteichef Kreshnik Spahiu
von Mitgliedern, die sich als Kandidaten auf den Stimmzettel setzen lassen
wollten, 100.000 Dollar gefordert hatte.
Doch das ist nicht die einzige Absurdität des Wahlkampfes. So soll Edi Rama
bei einer Veranstaltung in Wien im vergangenen April den ersten Sekretär
der Botschaft und Vertreter Albaniens bei internationalen Organisationen,
Egin Ceka, nach einem verbalen Schlagabtausch am Ohr gezogen haben. Die
demokratische Parlamentsmehrheit in Tirana beschloß daraufhin die
Einsetzung einer parlamentarischen Untersuchungskommission.
## Wahlkommission nicht arbeitsfähig
Auch die staatliche Wahlkommission, die laut Verfassung das Wahlergebnis
und die Liste der gewählten Abegordneten bestätigen muss, ist derzeit nicht
arbeitsfähig. Denn nach dem Rücktritt zweier sozialistischer Mitglieder ist
die Opposition in dem Gremium nicht mehr vertreten. Die Sozialisten hatten
ihr Amt niedergelegt, nachdem ein anderes Mitglied ausgeschlossen worden
war. Dieses war als Angriff auf die Unabhängigkeit der Kommission gewertet
worden.
Auch Wahlbetrug prangern die Sozialisten an. So enthielten die Wahllisten
viele Unregelmässigkeiten. So sollen 25.874 Wähler mehrfach registriert
worden sein und 352.237 seine ohne genaue Adresse in die Listen eingetragen
worden.
Bisher war in Albanien jede Wahl seit 1991 von zahlreichen Verstößen
gekennzeichnet. 2009 erkannten die Sozialisten den Wahlsieg der
demokratischen Partei nicht an und boykottierten das Parlament. Erst ein
Jahr später nahmen sie, nach Vermittlung durch das Europäöische Parlament,
ihre Sitze ein. Im Januar 2011 organisierten die Sozialisten mehrere
Demonstrationen gegen die Regierung Berisha. Am 21. Januar wurden bei einem
Polizeieinsatz vier Menschen getötet. Nach den Kommunalwahlen im Mai
desselben Jahres setzten die Sozialisten ihren Parlamentsboykott fort.
Für die EU ist der bevorstehende Urnengang ein entscheidender Indikator
darür, ob Albanien eine Chance zur Aufnahme von Beitrittsgesprächen
bekommen wird. Die Wahl sei ein entscheidender Test für die demokratischen
Institutionen des Landes un dessen Annäherung an die Europäische Union,
erklärten die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton und
EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle. Es sei die geinsame Verantwortung
aller politischen Führer in Albanien, die Bedingungen für allseits
akzeptable Wahlergebnisse zu schaffen. Derzeit sieht es leider nicht so
aus, dass die Politiker diese Verantwortung wahrnehmen.
Bei der Parlamentswah ist esgleich nach Beginn zu blutiger Gewalt gekommen.
In der Stadt Lac (35 Kilometer nördlich von Tirana) wurde am Sonntagmorgen
ein sozialistischer Wahlhelfer durch Schüsse getötet. Das berichtete die
Polizei.
Zwei weitere seien verletzt worden. Eine Sondereinheit der Polizei RENEA
sei nach Lac geschickt worden. In der südalbanischen Hafenstadt Flora wurde
unmittelbar vor Öffnung der Wahllokale der Wagen des örtlichen
sozialistischen Parteisekretärs durch eine Explosion zerstört, hieß es in
Medienberichten. (mit dpa)
23 Jun 2013
## AUTOREN
Barbara Oertel
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