# taz.de -- Protestforscher über Blockupy-Solidarität: „Ein ambivalentes Ge… | |
> Der Protestforscher Dieter Rucht analysiert soziale Bewegungen. Außerdem | |
> hat er sich mit den Blockupy-Protesten solidarisiert. | |
Bild: Mit Blockupy solidarisieren – ja oder nein? | |
taz: Herr Rucht, Sie haben jüngst mit Dutzenden Protestforschern einen | |
Aufruf unterschrieben und solidarisieren sich mit der Blockupy-Bewegung. | |
Sind Sie ein unabhängiger Forscher? | |
Dieter Rucht: Ein eindeutiges Ja. Es gab und gibt keine Institution oder | |
Person, die mir vorschreibt, was ich wissenschaftlich zu tun und zu lassen | |
habe. | |
Was soll dann so ein Aufruf? | |
Er richtet sich gegen unverhältnismäßige Polizeiübergriffe. Die | |
Öffentlichkeit soll darauf aufmerksam gemacht werden, dass auch in | |
Deutschland immer wieder das Demonstrationsrecht eingeschränkt und | |
missachtet wird. Zuletzt, auf drastische Art, in Frankfurt. Das heißt aber | |
nicht, dass ich alle Forderungen der Blockupy-Bewegung teilen muss. | |
Hatten Sie ein gutes Gefühl im Bauch, als Sie den Solidarisierungsaufruf | |
unterschrieben haben? | |
Nein, ein ambivalentes Gefühl. Einerseits gehört die politische | |
Positionseinnahme zu meinem Selbstverständnis, andererseits sehe ich eine | |
gewisse Voreiligkeit bei der Bereitschaft zu solchen Stellungnahmen. | |
Kollegen von Ihnen haben dem einen Namen gegeben, der ein bisschen wie eine | |
Krankheit klingt: „Aufruferitis“. | |
Ich habe im Anschluss an meine Unterschrift einem kleinen KollegInnenkreis | |
genau diese Bedenken mitgeteilt und vor dieser Gefahr gewarnt. | |
Unterschrieben haben Sie den Aufruf schließlich dennoch. Wie übrigens auch | |
der renommierte Politikwissenschaftler John Holloway aus Mexiko. Weiß | |
Holloway überhaupt, was Blockupy ist? | |
Keine Ahnung. Ich selbst wäre vorsichtig, Vorgänge in anderen Ländern zu | |
beurteilen, deren Sprache ich nicht kenne und deren Informationsquellen ich | |
nicht beurteilen kann. | |
Wie viele der Unterzeichner waren überhaupt in Frankfurt? | |
Das weiß ich nicht. | |
Wie sehr sind Bewegungsforscher selbst Teil sozialer Bewegungen? Können Sie | |
den Vorwurf des Mangels an Distanz nachvollziehen? | |
In längerfristiger Betrachtung hat sich das Maß an Distanz eher erhöht und | |
die professionelle Haltung zum Gegenstand verstärkt. Methodische Standards | |
werden strikter eingehalten, platte Verbrüderungen sowie naive Formen der | |
Aktionsforschung werden kaum noch praktiziert. | |
Sie beklagen, dass der Bewegungsforschung das Geld fehle. Derzeit gründen | |
Sie ein Institut für Protest- und Bewegungsforschung in Berlin – die | |
Finanzierung ist noch nicht gesichert. Aber wieso sollte ein Institut Geld | |
für unabhängige Wissenschaft bekommen, dessen Forscher selbst Partei | |
nehmen? | |
Der Maßstab meiner Arbeit und der des Instituts sind nicht Äußerungen, die | |
ich als politisches Subjekt treffe. Der Maßstab sind wissenschaftliche | |
Standards. WissenschaftlerInnen haben die Freiheit, sich jeglicher | |
politischen Bewertung zu enthalten. Ich habe mich da anders entschieden. | |
Ich gebe aber zu: Auch im Laufe der Jahrzehnte habe ich noch keine wirklich | |
sichere Position zu dieser Frage gewonnen. | |
25 Jun 2013 | |
## AUTOREN | |
Martin Kaul | |
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