# taz.de -- Tierleben in Niedersachsen: Wolf jetzt doch gefährlich | |
> In Borchel beim niedersächsischen Rotenburg hat ein Wolf im März die | |
> ersten drei Schafe des Jahres gerissen. Das wurde nun per DNA-Analyse | |
> bestätigt. | |
Bild: Könnte sein, dass ein Waldspaziergang in Niedersachsen alte Wunden aufre… | |
BREMEN taz | Er war’s. Der Wolf hat zugebissen. In Borchel beim | |
niedersächsischen Rotenburg (Wümme) hat Mitte März eine Schafhalterin ein | |
Schaf und zwei Lämmer tot aufgefunden – mit aufgerissenen Körpern, von den | |
Kehlen her geöffnet. Bisher herrschte Uneinigkeit darüber, ob es nicht doch | |
vielleicht ein Hund war. Im Ort glaubte das niemand. | |
Doch der zuständige Forstoberrat Jürgen Cassier war sich eigentlich sicher: | |
Die vielen Bissspuren, der Zahnabstand, die Art der Wunden, das alles | |
passte nicht zum Wolf. Drei Haare hatte er als Beweis gesichert. Eine | |
DNA-Analyse brachte nun das eindeutige Ergebnis: Canis lupus. | |
Cassier ist einer von etwa 40 WolfsberaterInnen in Niedersachsen. | |
Ehrenamtlich versuchen sie, um Akzeptanz für das Tier zu werben. Ob das | |
jetzt schwieriger wird? „Es sind ja auch schon wieder mehr geworden“, sagt | |
Cassier. Er meint den Wolfsnachwuchs auf dem Truppenübungsplatz Munster. | |
Vor ein paar Tagen hat dort ein Maschinenführer des Bundesforstbetriebes | |
drei Wolfswelpen gefilmt, mit seinem „für solche Situationen eigens | |
bereitgehaltenen Camcorder“, wie die [1][Landesjägerschaft] erklärte. Auf | |
dem Truppenübungsplatz hatte sich das erste niedersächsische Wolfspaar | |
niedergelassen. Im vergangenen Jahr waren drei Welpen geboren worden. Auch | |
die leben noch dort – macht insgesamt 8 Wölfe. | |
Munster ist von Borchel etwa 70 Kilometer entfernt. Mit einem, spätestens | |
zwei Jahren gehen Jungwölfe auf Wanderschaft, manchmal über hunderte | |
Kilometer. Ob der Borcheler Wolf aus Munster kam, weiß Forstoberrat Cassier | |
nicht. „Die genetische Herkunft ist nicht bekannt“, sagt er. Er wird weiter | |
Vorträge halten. Am Mittwoch berichtet er im Umweltausschuss, dann beim | |
Lionsclub und bei der Jägerschaft. „Wir sind von Hunden ausgegangen“, sagt | |
er. Auch die Naturschutz-Behörde habe das nach seinem Bericht bestätigt. | |
Der Fall in Borchel ist 2013 der erste amtlich bestätigte Wolfsriss in | |
Niedersachsen. Dessen Umweltministerium geht in diesem Jahr von drei | |
weiteren Fällen aus, mit insgesamt sieben toten und ebenso vielen | |
verletzten Schafen. 2012 gab es einen bestätigten Wolfsriss von 19 Schafen | |
in Wingst, weitere sechs unbestätigte Fälle mit 13 toten Schafen. | |
Mathias Brockob vom [2][Landesschafzuchtverband] Niedersachsen haut in die | |
Kerbe: „Die einen wollen den Wolf, die anderen sollen die Kosten tragen.“ | |
Hunderisse seien zwar so häufig wie Wolfsrisse, „vielleicht sogar | |
häufiger“. Aber Hunde können man einschläfern. „Die machen nur einmal ei… | |
Schaden“, sagt Brockob. Der Wolf ist streng geschützt: Washingtoner | |
Artenschutzabkommen, Berner Konvention, Bundesnaturschutzgesetz. Da geht | |
das nicht so einfach. | |
In Borchel, im Stader Bereich, hätten Schafhalter die vielen | |
Entwässerungsgräben genutzt. „Da müssen plötzlich Zäune gezogen werden, … | |
vorher keine waren“, sagt Brockob. Eine andere Lösung wären Hütehunde: | |
„Manche sagen, auch ein Esel kann einen Wolf vertrieben.“ Sogar Lamas seien | |
im Gespräch. „Da besteht aber derzeit keine Erfahrung“, sagt Brockob. | |
Klar sei: Die Wölfe hätten sich in den letzten zwei Jahren um 100 Prozent | |
vermehrt. Brockob spricht von einer „Ausbreitungsgefährdung“. Er fordert | |
Zuschüsse für Präventionsmaßnahmen und weniger Bürokratie. Bei Anträgen a… | |
Schadenersatz stünden Schafhalter „unter Generalverdacht“. | |
„Wir sind willig, den Schaden zu bezahlen“, sagt Inka Burow, Sprecherin des | |
niedersächsischen Umweltministeriums. Auch die Tierarztkosten würden | |
erstattet. Ein Rechtsanspruch bestehe nicht, 5.000 Euro seien jährlich | |
dafür eingeplant. „Der Topf wird vergrößert“, sagt Burow. Zudem arbeite … | |
Ministerium an einer Förderrichtlinie zu Schutzmaßnahmen für Nutztiere. Bis | |
die mit der EU abgestimmt sei, dauere es noch ein bisschen. „So lange sind | |
wir noch nicht Wolfsland“, sagt Burow. | |
25 Jun 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://www.ljn.de/wild_und_jagd/wolfsmonitoring/ | |
[2] http://www.schafzucht-niedersachsen.de/Schafzucht-Verbaende-Niedersachsen/i… | |
## AUTOREN | |
Jean-Philipp Baeck | |
## TAGS | |
Landwirtschaft | |
Jäger | |
Artenschutz | |
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