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# taz.de -- Kurt Krömer über Rassismus im Humor: „Ich weiß, wo ich herkomm…
> Von Neukölln nach Afghanistan: Fernsehkomiker Kurt Krömer über seinen
> Truppenbesuch, sein Verhältnis zu Heinz Buschkowsky und Rassismus im
> deutschen Humor.
Bild: „Geh mal hin zu den Leuten, die du nicht verstehst“, sagte Krömer un…
taz: Herr Krömer, Sie waren Totalverweigerer und haben jetzt über Ihren
Truppenbesuch in Afghanistan ein Buch geschrieben. Hat die Reise Ihren
Blick aufs Militär verändert?
Kurt Krömer: Eigentlich nicht. Früher wollte ich nicht mal Zivildienst
machen. Dabei hatte ich da schon viele Scheißjobs am Hacken. Zivildienst
wäre wie ein Aufstieg gewesen. Aber als ich dann die Einladung von der
Bundeswehr bekommen habe, nach Afghanistan zu fahren, dachte ich mir: Geh
mal hin zu den Leuten, die du nicht verstehst. Und gerade weil ich sie
nicht verstehe, bin ich einige Monate später noch mal in den zivilen Teil
des Landes geflogen, um mir vom Land und von den Leuten auf der anderen
Seite der Mauern einen Eindruck zu verschaffen.
Was war beim Truppenbesuch anders als erwartet?
Ich dachte, wir würden stärker zensiert, wenn wir mit den Kameras anrücken.
Oder man wird, wie auf den Schullandheimreisen, zur Strafe früher nach
Hause geschickt. War aber nicht so. Da hatte ich verklemmtere Drehs hier in
Deutschland.
Zum Beispiel?
Wenn ich nur zehn Meter zu H & M reinwill, um zu sagen, dass es mir wichtig
ist, dass das Hemd da auch von Kinderhand gemacht worden ist, dann ist der
Ofen aus. Gerade habe ich auf der Baustelle des Berliner Flughafens BER
gedreht, da hatten sie alle die Hosen voll. Die haben bestimmt vorher einen
Einlauf bekommen: Wenn der Typ kommt: nicht sprechen, am besten wegducken.
Wie stehen Sie denn nun zum Einsatz in Afghanistan? Im Buch drücken Sie
sich ja um eine klare Bewertung herum.
Man kann da nicht sagen: Ich habe die Lösung. Viele Soldaten haben mir
erzählt, dass sie auch nicht wissen, was sie da eigentlich machen. Die
letzten zehn Jahre hätten sie auch nur noch versucht, ihren Arsch zu
retten. Und viele Afghanen im zivilen Teil des Landes sagen ebenfalls, dass
die Isaf-Truppen schon 2004 hätten gehen können. Das muss man nicht
kommentieren.
Herbert Feuerstein ist mal für den WDR um die Welt gereist, Django Asül in
die Türkei, Sie jetzt nach Afghanistan. Müssen Komiker zwangsläufig
irgendwann ins Ausland reisen?
Seit „Tegtmeiers Reisen“ in den Siebzigerjahren hat es sich eingebürgert,
dass lustige Leute die Malediven vorstellen. Aber ich glaube, die Malediven
wurden schon besser vorgestellt, als ich das je könnte. Ich finde es öde,
am Strand mit Winterklamotten durchs Bild zu laufen und zu sagen: Mann, ist
das lustig, ich hab die falschen Sachen eingepackt! Oder mir einen
richtigen Sonnenschirm ins Glas zu stecken und zu sagen: Mist, da habe ich
mich wieder vertan. Ich fahre lieber an Orte, wo sonst niemand hinfahren
will. Transsilvanien etwa würde mich interessieren.
Sie sind in Berlin-Neukölln geboren. Ist das inzwischen nicht schon ein
Markenzeichen, diese Herkunft?
Ich weiß, wo ich herkomme. Und bis jetzt bin ich noch nicht so, dass ich
wie ein Expornostar sage: Ich will darauf nicht mehr angesprochen werden.
Ich will das aber auch nicht zur Masche machen. Ich hatte viele Anfragen:
Mach doch mal ein Kochbuch mit den schönsten Rezepten aus Neukölln. Oder
ein Wörterbuch: Deutsch-Neukölln, Neukölln-Deutsch. Das ist mir zu assig.
Ich kann keine Nummer mehr mit Neukölln machen.
Heinz Buschkowsky, der Bezirksbürgermeister von Neukölln, schon: Der geht
mit der These hausieren, Neukölln sei überall. Was halten Sie davon?
Damit kannste schön Stimmung machen. Aber er fällt jetzt über den Satz, den
er mal zu mir gesagt hat: Du kannst dich jahrelang in Neukölln engagieren,
so viel du willst. Irgendwann fragt man dich, was hast du geschafft. Er
muss sich jetzt fragen lassen: Was hat sich getan, seit er
Bezirksbürgermeister ist? Buschkowsky ist gerade dabei, sich in einem noch
höheren Elfenbeinturm zu verschanzen.
Sie haben sich früher freundschaftlich als „Dick und Doof“ von
Berlin-Neukölln bezeichnet, dann gab es Streit. Wie ist Ihr Verhältnis
heute?
Wir haben uns mal gut verstanden – bis ich begann, ein bisschen an seiner
Autorität zu kratzen. Ich hatte ihm gesagt, ich würde einen Themenabend
machen, nur für ihn. Wir haben ihm dann das Raucherkabuff im Studio mit
Stroh ausgelegt und ein schwarzes Schaf mitgebracht. Aber dann habe ich die
anderen Gäste vorgezogen, so dass am Ende keine Zeit mehr für ihn blieb.
Er hat 45 Minuten in dem Raucherkabuff mit dem Schaf auf dem Schoß
verbracht. Da hat das kleine HB-Männchen ein bisschen Blut gespuckt.
Seitdem hat er nicht mehr mit mir gesprochen. Nur vor der Wahl kam aus
seinem Büro die Anfrage, ob ich nicht mit ihm auf ein Plakat will. Das ist
doch Showbiz-Politik.
Stimmen Sie ihm zu, dass Neukölln ein Problembezirk ist?
Das wäre zu einfach. Es ist doch so: Wenn ich als Bezirksbürgermeister
sage, ich habe was gegen Neukölln, obwohl ich hier wohne, dann werde ich zu
Lanz, Illner und Jauch eingeladen. Aber wenn ich sage, ich brauche 250.000
Euro für den Bau einer neuen Kita, interessiert das keinen. Wenn es heißt,
der Aslan hat ne Mülltonne angezündet und schmeißt die jetzt gleich aus dem
Fenster, dann rücken sofort die Kamerateams an. Aber wenn es ein Sommerfest
im Nachbarschaftsheim gibt, kommt wieder keiner.
Sie heißen mit Nachnamen bürgerlich Bojcan. Haben Sie einen
Migrationshintergrund?
Nein, der ist leider schon bei meinem Vater verloren gegangen. Mein Opa ist
nach dem Krieg aus Böhmen und Mähren rübergekommen.
Sie sind in Neukölln und im Wedding aufgewachsen, zwei typischen
Einwanderervierteln. Wie hat Sie das geprägt?
Ich war als Kind in einem Integrationskinderladen, da war auch ein Junge im
Rollstuhl. Und der konnte auch mal ein Arschloch sein, wenn er mir etwa die
Stifte weggenommen hat. Das hatte so eine Normalität. Auch die Türken in
Berlin sind für mich Deutsche. Die sind seit über 50 Jahren hier. Aber wenn
man mache Politiker hört, dann denkt man, die stehen morgens auf und fragen
sich: Was? Türken in Deutschland? Seit wann?
Es gibt immer mehr Comedians mit Migrationshintergrund, die aus dem Culture
Clash ihre Pointen ziehen. Wäre das kein Thema für sie?
Also wenn ich einen echten Migrationshintergrund hätte, würde ich da
vielleicht mehr auf die Kacke hauen. Bei einem großen Teil dieser
Migrationscomedy glaube ich, dass sich das hauptsächlich an ein deutsches
Publikum richtet. Ich habe oft das Gefühl, dass rechte Vorurteile bedient
werden, wenn man sich darüber beömmelt, dass da einer in kaputtem Deutsch
spricht.
Stört Sie das?
Ich hätte nicht gedacht, das Rassismus noch mal so salonfähig wird wie
heute. Es gibt ja nicht nur die Nazis in Springerstiefeln. Die gibt es
auch, aber das sind eh die Vollpfosten. Es gibt auch diese Leute im
Nadelstreifen, die sich rassistisch äußern. Ich habe schon das Bedürfnis,
mich dagegen zu engagieren. Deswegen habe ich mich an der „Gesicht
zeigen“-Kampagne beteiligt.
Humor und politische Korrektheit – verträgt sich das denn überhaupt?
Ich will nicht mit erhobenem Zeigefinger auf der Bühne stehen. Aber ich
finde den Sketch von Gerhard Polt, der sich eine Frau aus Thailand
bestellt, nach wie vor genial. Er beschwert sich, dass sie zwei Zentimeter
kleiner ist, als es im Katalog stand. Diese Kerle gibt es bis heute.
Wenn man sie mit einer ausländischen Frau zusammen sieht, denkt man: Lass
es bitte Liebe sein! Das würde ich auch gern mal so zuspitzen. Vielleicht,
dass ich sage: Ab morgen bin ich Nazi. So dass kleine Kinder sagen: „Nee,
Onkel, das geht jetzt in die ganz falsche Richtung“.
Wann geht es mit Ihrer „Krömer – Late Night Show“ weiter?
Ab August. Wir bleiben erst mal auf unserem bisherigen Sendeplatz am
Samstag. Aber der Beckmann packt ja jetzt die Koffer – am Donnerstag soll
wohl Platz für die Komiker geschaffen werden. Ich lese das aber alles auch
nur in der Presse. Manchmal denke ich, die ARD ist eine Briefkastenfirma.
Mein Sender ist der RBB, der schickt die Kassette mit meiner Sendung
irgendwo hin, und irgendwo drückt dann jemand auf Play.
Ist das eine leise Klage?
Nein, das wünscht sich doch jeder: einen Arbeitgeber, den man nie sieht.
Und solange jemand auf Play drückt, läuft alles.
Kurt Krömer (mit Tankred Lerch): „Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner
will: Zu Besuch in Afghanistan“. KiWi-Paperback, Köln 2013, 192 Seiten,
9,99 Euro.
27 Jun 2013
## AUTOREN
Daniel Bax
## TAGS
Kurt Krömer
Schwerpunkt Rassismus
Schwerpunkt Afghanistan
Berlin
Neukölln
Kolumne Great Depression
Heinz Buschkowsky
Bundeswehr
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